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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.01.2024

Aufregung in der Zwischenwelt

Die sieben Monde des Maali Almeida
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Colombo (Sri Lanka) im Jahr 1990: Malinda Albert Kabalana, genannt Maali Almeida, erwacht tot in einer himmlischen Einwanderungsbehörde. Der ehemalige Kriegsfotograf, Glücksspieler und promiskuitive Homosexuelle ...

Colombo (Sri Lanka) im Jahr 1990: Malinda Albert Kabalana, genannt Maali Almeida, erwacht tot in einer himmlischen Einwanderungsbehörde. Der ehemalige Kriegsfotograf, Glücksspieler und promiskuitive Homosexuelle wurde nur 35 Jahre alt. Er wurde ermordet. Doch von wem? Das muss Maali in der Zwischenwelt herausfinden. Die Liste der Verdächtigen ist lang. Und die Zeit arbeitet gegen ihn. Es bleiben ihm im Jenseits nur sieben Tage, um seinen Mörder zu ermitteln…

„Die sieben Monde des Maali Almeida“ von Shehan Karunatilaka, der mit dem Booker Prize 2022 ausgezeichnet worden ist.

Meine Meinung:
Die Struktur des Romans ist durchdacht und schlüssig. Die acht Teile sind in mehrere Kapitel gegliedert. Erzählt wird vorwiegend in der ungewöhnlichen Du-Perspektive.

Der Schreibstil des Romans ist dialoglastig. Die Sprache ist atmosphärisch und sehr bildhaft. Trotz der ernsten Themen ist der Erzählton zynisch-salopp und ein wenig frech. Das Glossar erklärt einige Namen und Begriffe, lässt für meinen Geschmack allerdings zu viele Lücken.

Was das Personal angeht, wirkt der Roman überfrachtet. Trotz der angehängten Personenübersicht fällt es bisweilen schwer, den Überblick zu behalten und die richtigen Beziehungen zuzuordnen. Im Mittelpunkt des Romans steht Maali, ein vielschichtig angelegter Antiheld.

Auf inhaltlicher Ebene ist die Geschichte bizarr, skurril und schrill. Bürgerkrieg, Korruption und allerlei Gräueltaten dominieren. Die fremde Geisterwelt sowie die politischen und gesellschaftlichen Umstände vor mehr als 30 Jahren in Sri Lanka erfordern viel Aufmerksamkeit beim Lesen. Darüber hinaus scheinen die Grenzen zwischen Realität und Fantasie manchmal zu verschwimmen. Nicht alles ist daher leicht oder überhaupt verständlich für westliche Durchschnittsleserinnen und -leser. Wer sich trotzdem darauf einlässt, kann einiges aus der Lektüre ziehen.

Dank falscher Fährten und Wendungen wird der mehr als 500 Seiten umfassende Roman nicht langweilig. In der Mitte schwächelt die Geschichte zwar etwas. Besonders das erste und das letzte Drittel haben mich jedoch überzeugt. Sehr gespannt war ich auf die Auflösung und das weitere Schicksal des Protagonisten. Das Ende hat mich in beiden Punkten zufrieden gestellt.

Das farbenfrohe, außergewöhnliche Cover erregt Aufmerksamkeit und passt gut zum Inhalt. Das gilt auch für den deutschen Titel, der wortgetreu aus dem Original übersetzt ist („The Seven Moons of Maali Almeida“).

Mein Fazit:
Mit „Die sieben Monde des Maali Almeida“ ist Shehan Karunatilaka ein bunter, besonderer Roman gelungen. Eine herausfordernde, aber lohnenswerte Lektüre.

Veröffentlicht am 25.01.2024

Wenn Eltern zum Äußersten greifen

Stunde um Stunde
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Zwei Jahre nach dem mysteriösen Verschwinden ihrer Tochter Tilly gehen Ryan und Elsie Delaney einen drastischen Schritt: Sie dringen in das forensische LAPD-Labor ein, nehmen Geiseln und stellen ein Ultimatum: ...

Zwei Jahre nach dem mysteriösen Verschwinden ihrer Tochter Tilly gehen Ryan und Elsie Delaney einen drastischen Schritt: Sie dringen in das forensische LAPD-Labor ein, nehmen Geiseln und stellen ein Ultimatum: Wird Tilly nicht gefunden, zerstören sie Beweise anderer ungelöster Fälle. Detective Charlie Hoskins und Polizeibeamtin Lynette Lamb nehmen die Ermittlungen auf…

„Stunde um Stunde“ ist ein Thriller von Candice Fox.

Meine Meinung:
Der Aufbau ist klar und durchdacht. Das Buch ist in 36 Kapitel untergliedert, an die sich ein Epilog anschließt. Es beginnt mit zwei Abschnitten, die man als eine Art Prolog einordnen könnte. Erzählt wird aus wechselnden Perspektiven. Die Handlung spielt in den USA.

Die Sprache wirkt durchaus authentisch und anschaulich, bisweilen jedoch etwas vulgär. Stilistisch ist der Thriller abwechslungsreich. Beispielsweise werden mehrfach reine Dialoge eingeschoben. Gut gefallen hat mir der spezielle Humor, der immer wieder durchblitzt.

Die Figuren sind auch bei diesem Thriller der Autorin gelungen. Die Charaktere erscheinen lebensecht, sind zugleich reizvoll und mit viel psychologischer Tiefe ausgestaltet. Wie schon bei früheren Büchern von Candice Fox sind einige Figuren ungewöhnlich und etwas speziell. Für mich liegt darin eine der Stärken des Thrillers.

Die Grundidee der Geschichte hat mich diesmal nicht auf Anhieb begeistert, aber trotzdem neugierig gemacht. Dass es um einen Cold Case und insbesondere um das Verschwinden eines Mädchens geht, ist zwar im Vergleich zu den anderen Thrillern der Autorin kein sehr kreatives Thema. Dennoch hat mich der Inhalt auch diesmal nicht enttäuscht.

Auf rund 470 Seiten bleibt die Geschichte temporeich, fast durchgängig spannend und unterhaltsam. Wendungen und überraschende Entwicklungen machen sie kurzweilig. Auch die Auflösung hat für mich gepasst.

Das Cover mit den genretypischen Farben ist durchaus originell, was das Motiv angeht. Leider spricht es mich trotzdem nicht an. Der deutsche Titel ist sehr frei aus dem englischsprachigen Original („Fire with Fire“) übersetzt, aber inhaltlich in Ordnung.

Mein Fazit:
Mit „Stunde um Stunde“ hat Candice Fox erneut einen überzeugenden Thriller abgeliefert. Obwohl es nicht mein Lieblingsbuch geworden ist, halte ich die neue Geschichte für definitiv empfehlenswert.

Veröffentlicht am 10.01.2024

Lilu, der Marienkäfer

Vom Glück, besonders zu sein
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Lilu, der kleine Marienkäfer, ist traurig. Alle anderen Artgenossen haben Punkte, nur sie nicht. Was soll sie nur tun? Doch dann trifft Lilu auf einen Mistkäfer…

„Vom Glück, besonders zu sein“ ist ein ...

Lilu, der kleine Marienkäfer, ist traurig. Alle anderen Artgenossen haben Punkte, nur sie nicht. Was soll sie nur tun? Doch dann trifft Lilu auf einen Mistkäfer…

„Vom Glück, besonders zu sein“ ist ein Bilderbuch von Bas Kleinhout, geeignet für Kinder ab zwei Jahren.

Meine Meinung:
Die Geschichte erstreckt sich über 14 Doppelseiten. Sie wird aus der Perspektive von Lilu erzählt. Das Buch mit den dicken Pappseiten ist robust und lässt sich bereits von den Jüngsten gut umblättern.

Die kurzen Texte, die mit einer Ausnahme auf beiden Seiten abgedruckt sind, sind einfach gehalten und altersgerecht. Auf komplizierte und spezielle Wörter wird verzichtet, sodass es auch für die Kleinsten leicht verständlich sein sollte.

Auch die reduzierten, aber aussagekräftigen Illustrationen von Bas Kleinhout passen zur Altersgruppe. Sie sind mal auf eine Seite, mal auf eine Doppelseite angelegt. Die Zeichnungen wirken modern und beinahe minimalistisch, enthalten gleichzeitig jedoch alle wichtigen Details.

Die Botschaft des Bilderbuchs, die Akzeptanz von Vielfalt, ist zwar nicht mehr einzigartig auf dem Buchmarkt. Allerdings finde ich sie pädagogisch wertvoll und begrüßenswert. Das Motto („Du bist gut, so wie du bist“) ist selbst für Kleinkinder relevant und in diesem Buch in eine kindgerechte Form verpackt. Das Thema ist so allgemein ausgestaltet, dass es viele Mädchen und Jungen erreichen kann.

Gut gefallen hat mir auch, dass die Handlung zunächst sehr langsam fortschreitet und sich die Geschichte somit gut nachvollziehen lässt. Im weiteren Verlauf hat sie mich dann jedoch nicht mehr komplett überzeugt. Die Begegnung mit dem Mistkäfer fällt zu knapp und oberflächlich aus, um die schnelle Einsicht des Marienkäfers zu erklären. Weitere Beispiele bleiben aus. Wieso es für Lilu ein Glück ist, keine Punkte zu haben, hätte deutlicher gemacht werden können. Zudem erschließt sich die letzte Doppelseite insbesondere Kleinkindern nicht.

Als gelungen wiederum finde ich das unaufgeregte und inhaltlich sehr passende Cover. Der Titel ist ebenfalls durchaus treffend, wobei mir das niederländische Original („Laila het lieveheersbeestje“) für Kleinkinder die bessere Wahl erscheint.

Mein Fazit:
Mit „Vom Glück, besonders zu sein“ hat Bas Kleinhout ein ansprechendes und leicht verständliches Bilderbuch mit nur kleineren Schwächen geschaffen, das schon den Kleinsten Selbstliebe und Diversität vermittelt.

Veröffentlicht am 07.01.2024

Mit dem Blick nach oben

Die Wolkengucker
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Nach dem Tod seiner Frau ist Matt Williams alleinerziehend. Seine siebenjährige Tochter Mia liebt es, Wolken zu beobachten. Mit Wilma von Eidsfeld (89) teilt sie diese Leidenschaft. Durch sie lernt Mia ...

Nach dem Tod seiner Frau ist Matt Williams alleinerziehend. Seine siebenjährige Tochter Mia liebt es, Wolken zu beobachten. Mit Wilma von Eidsfeld (89) teilt sie diese Leidenschaft. Durch sie lernt Mia eine Wolkengucker-Gesellschaft kennen, die sich in einer alten Münchener Villa trifft…

„Die Wolkengucker“ ist ein Roman von Kristina Fritz.

Meine Meinung:
Der Aufbau ist klar strukturiert und schlüssig. Der Roman gliedert sich in drei Teile, die wiederum knapp 50 Kapitel umfassen. Erzählt wird in personaler oder Ich-Perspektive aus der Sicht fünf verschiedener Figuren: der von Matt, Ayla, Wilma, Ferdinand und Margarete. Die Handlung spielt in Deutschland und wird chronologisch geschildert.

In sprachlicher Hinsicht hat mich der Roman überzeugt. Der Schreibstil ist bildhaft, atmosphärisch und einfühlsam. Für stilistische Abwechslung sorgen - neben den Perspektivwechseln - die Kapitel in Briefform.

Die Figuren des Romans werden liebevoll und anschaulich gezeichnet. Die Charaktere sind interessant und ganz unterschiedlich angelegt. Die Verhaltensweisen erscheinen stimmig und nachvollziehbar.

Inhaltlich hat mich gereizt, dass es hier um verschiedene Generationen und ihr Miteinander geht. Freundschaft und Zusammenhalt sind wichtige Themen. Auch Trauer und Verlust spielen in mehrfacher Hinsicht eine Rolle und haben dazu geführt, dass mich die Geschichte berühren konnte.

Auf den knapp 400 Seiten ist der Roman zudem durchaus unterhaltsam. Allerdings ist die Handlung leider etwas zu vorhersehbar und für meinen Geschmack außerdem nicht innovativ genug. Mögliche Überraschungen und Wendungen bleiben aus, sodass sich der Lesesog bei mir immer weiter abgeschwächt hat. Das Ende fällt darüber hinaus übertrieben harmonisch aus.

Das unaufgeregte, aber modern und ansprechend gestaltete Cover gefällt mir, obwohl es nur einen Teil der Charaktere abbildet. Auch der Titel ist eine gute Wahl.

Mein Fazit:
Mit „Die Wolkengucker“ hat Kristina Fritz meine hohen Erwartungen leider nicht erfüllt. Die Geschichte schafft zwar schöne Lesestunden, schöpft ihr volles Potenzial aber nicht aus.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 17.11.2023

Die Verletzungen des Lebens

Steglitz
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Der Alltag von Leni ist eintönig und wenig aufregend. Als kinderlose Ehefrau des gefragten Architekten Ivan Müller kümmert sie sich vorwiegend um den Haushalt und das Wohlbefinden ihres Gatten. Die Wohnung ...

Der Alltag von Leni ist eintönig und wenig aufregend. Als kinderlose Ehefrau des gefragten Architekten Ivan Müller kümmert sie sich vorwiegend um den Haushalt und das Wohlbefinden ihres Gatten. Die Wohnung im Berliner Stadtteil Steglitz verlässt sie nur, um Einkäufe und andere Erledigungen zu machen. Dann allerdings kann es zu Streifzügen durch das Viertel kommen. Eine Entwicklung zwingt sie dazu, ihr Leben anders zu führen…

„Steglitz“ ist ein Roman von Inès Bayard.

Meine Meinung:
Der Roman gliedert sich in 14 Kapitel. Die Handlung umfasst einen Zeitraum von mehr als einem Jahr und spielt in Berlin, wie der Titel bereits verrät.

Erzählt wird in chronologischer Reihenfolge mit diversen Rückblenden, vorwiegend aus der Perspektive Lenis, wobei dieses Vorgehen an wenigen Stellen durchbrochen wird. Der Schreibstil ist sehr atmosphärisch, dialoglastig und zum Teil bildstark. In sprachlicher Hinsicht bleibt die Erzählerin bisweilen bewusst uneindeutig und vage, was dem Text viel Interpretationsspielraum verleiht und ein aufmerksames Lesen erfordert. Was ist real? Was ist der Fantasie oder der verzerrten Wahrnehmung der Protagonistin zuzurechnen? Dieses Verwirrspiel beherrscht die Autorin sehr gut. Nur wenige sehr detaillierte und damit langatmige Ortsbeschreibungen haben mich gestört.

Die Protagonistin bleibt sehr lange undurchsichtig, ihr Verhalten befremdlich und nicht nachvollziehbar. Allerdings manifestiert sich zunehmend der Eindruck, dass mit ihr etwas nicht stimmt. Auch die übrigen Figuren wirken ein wenig seltsam, zum Teil zwielichtig oder widersprüchlich. Dabei gilt es jedoch zu bedenken, dass die Leserschaft diese Charaktere nur durch die Brille Lenis betrachten kann.

Inhaltlich spielen vor allem psychische Probleme und Traumata eine wesentliche Rolle. Konkret geht es dabei um die Fragen, was passiert, wenn diese nicht richtig aufgearbeitet werden (können), und wie unterschiedliche Menschen damit umgehen.

Auf den knapp 190 Seiten ist die Geschichte recht handlungsarm und bedient sich wiederkehrender Elemente. Dennoch entwickelt der Roman einen Sog und hält die Spannung hoch, indem sich erst im letzten Drittel die Hintergründe von Lenis Trauma offenbaren. Letzteres führt allerdings dazu, dass mich die Geschichte erst gegen Ende wirklich berühren konnte. Nicht alle offenen Punkte werden eindeutig geklärt, was ich jedoch nicht als negativ empfunden habe.

Der deutsche Titel ist wortwörtlich vom französischen Original übernommen. Das Cover mit dem verzerrten Spiegelbild passt aus meiner Sicht hervorragend zum Inhalt.

Mein Fazit:
Obwohl mich die Autorin nicht in allen Aspekten überzeugt und die Lektüre einiges abverlangt, ist „Steglitz“ alles in allem ein durchaus lesenswerter Roman.