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Veröffentlicht am 10.11.2024

Highlight

Blutrotes Karma
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Frankreich, im Mai 1968:
Arbeiterproteste und Studentenunruhen dominieren die Straßen von Paris, es kommt zum Generalstreik – Chaos!
Mittendrin: Drei Freundinnen, die Vorreiterinnen der neuen ...



Frankreich, im Mai 1968:
Arbeiterproteste und Studentenunruhen dominieren die Straßen von Paris, es kommt zum Generalstreik – Chaos!
Mittendrin: Drei Freundinnen, die Vorreiterinnen der neuen Zeit sein wollen. Als eine der Studentinnen getötet aufgefunden wird, tippt die Polizei auf einen Ritualmord, da die Pose der Leiche einerseits an Tarotkarten & andererseits an eine Yogaübung angelehnt zu sein scheint. Als auch die Zweite aus dem Kleeblatt bestialisch ermordet wird, ist für den Kommissar klar, dass die Spur nach Indien führt, wo eine Sekte ihr Unwesen treibt (der Guru heißt nicht Bhagwan). Gemeinsam mit seinem Bruder, einem Studenten der Geisteswissenschaften und Mädchen Nr. 3 (ist sie die Nächste auf der Liste des Serienmörders?) reist der Haudegen nach Südasien, sozusagen ins Herz der Hölle, doch der Weg wird das Ermittlerteam wieder nach Europa führen…
Der Film „Die purpurnen Flüsse“ (mit den Top – Schauspielern Reno und Cassel) gehört zu meinen liebsten Buchverfilmungen (die Serienadaption finde ich aber richtig schlecht). Grangés letzte Publikation habe ich regelrecht „verschlungen“ - „Die marmornen Träume“ haben mich gut unterhalten.
In „Blutrotes Karma“ bleibt der französische Autor dem ‚Strickmuster‘ aus den „Träumen“ treu – es gibt ein Ermittlerteam, welches aus einem Dreiergespann besteht (nebst sidekick Berto), wobei zwei Personen Zivilisten sind.
„Blutrotes Karma“ ist eine einigermaßen wilde Mischung: Der Thriller ist nichts für schwache Nerven, als historischer Roman bietet er spannende Einblicke in die Geschichte (manchmal wird auch das Fantasygenre gestreift).
Diesen Mix muss man mögen, wie immer neigt Grangé zu Übertreibungen, er kombiniert sozusagen Dichtung und Wahrheit.
Es gefiel mir, dass es im Roman keine billige Blumenkinderromantik und kein kitschiges Indienbild gibt – das Gegenteil ist der Fall; Grangé präsentiert eine regelrechte Horrorvision der Umgebung mit „wimmelnden Menschenmassen“ und eine Kritik am Tantrismus (Man sollte immer daran denken, dass er einen Unterhaltungsroman geschrieben hat und keine wissenschaftliche Arbeit).
Die Gefahren und Irrwege des Hippie Trails werden aufgezeigt (wie auch in der Netflixserie „The Serpent“), der Subkontinent wird nicht zum gelobten Land verklärt, sondern als „Land des Teufels“ porträtiert, (die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen) in welchem obskure Praktiken nicht wenige Opfer forderten. Die kulturgeschichtlichen Hintergründe, die der Autor anführt (ob es sich nun um Europa oder um Indien handelt), sind sehr interessant. Zwar wusste ich, dass es auch eine französische Kolonie in Indien gab, dass Sikhs die Gebote ihrer Religion sehr ernst nehmen, „Aghori“ waren mir vor der Lektüre jedoch kein Begriff. Das Europabild des Autors ist nicht so düster, Kritiker werden ihm sicher einen kolonialen Blick attestieren. Eine filigrane Figurenzeichnung ist Grangés Sache nicht; wie so oft gibt es einen traumatisierten „Superbullen“: Algerienveteran Jean – Louis „JL“ Mersch ist ein drogensüchtiger Haudegen und ein überzeugter Sozialist, sein Halbbruder Hervé ein vergeistigter Intellektueller, die schlaue Studentin Nicole ist eine Vertreterin des Pariser Großbürgertums, und – wie könnte es anders sein – wunderschön. Auch der dramatische plot bietet keinen dezenten Handlungsverlauf; formal ist der Roman in mehrere Teile gegliedert, wobei der letzte Abschnitt schnell auserzählt ist - Dan Brown lässt grüßen. Manches wirkt recht konstruiert, ein Satz ist unfreiwillig komisch; trotz kleiner Schwächen ist für mich „Blutrotes Karma“ dennoch das Thriller- Highlight des Jahres. Die bildhafte Erzählweise des Autors macht eine längst vergangene Ära wieder lebendig; daher hebt sich „Blutrotes Karma“ angenehm von der Krimimassenware, die den Markt überschwemmt, ab. Die Geschichte ist durchweg spannend, ich habe schon lange keinen Roman mehr gelesen, der mich derart gefesselt hat! Im Kern ist der Histokrimi eine Liebeserklärung an Paris. Ich freue mich schon auf den nächsten Roman.

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Veröffentlicht am 28.01.2024

Her name is Luca

Run For Love
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„Du wolltest immer, dass ich schlank werde. Ich will das nicht, denn ich bin gut, wie ich bin.“

Als ein Mann ihre beste Freundin Charly belästigt und die 34jährige Luca dem Widerling eins auf ...

„Du wolltest immer, dass ich schlank werde. Ich will das nicht, denn ich bin gut, wie ich bin.“

Als ein Mann ihre beste Freundin Charly belästigt und die 34jährige Luca dem Widerling eins auf die Nase gibt, wird sie angezeigt und bekommt Sozialstunden aufgebrummt. In einem Jugendhaus soll sie diese abarbeiten. Dort trifft sie auf den Adonis Noel, der neben seiner Arbeit als Betreuer auch als freier Übersetzer jobbt. Luca arbeitet im Marketing – Sektor und sie ist eigentlich ganz zufrieden mit ihrem Leben, ein Problem mit ihrem Übergewicht (im Roman ist immer von „Mehrgewicht“ die Rede) hat vor allem ihre toxische Mutter. Luca registriert mit großem Bedauern, dass sich ihre schöne & schlanke Freundin immer mehr von ihr entfernt, sie kämpft im Jugendtreff gegen eine Clique, die ein moppeliges Mädchen mobbt. Als der durchtrainierte Noel Luca küsst, genießt und erwidert sie seine Avancen, aber sie ist heimlich froh, als er verkündet, keine Beziehung zu wollen…

„Run for Love“ hat mich gut unterhalten. Ich fand es klasse, dass Berlin der Schauplatz ist und nicht wie so oft im NA-Bereich ein USA-Traumbild. Ich bin kein Fan von Wokeness, daher fand ich es toll, dass im Roman viele Themen ohne den erhobenen Zeigefinger angesprochen werden: Selbstsabotage, Mobbing, Fatshaming, Mansplaining, Übergriffigkeit und Egozentrik. Auch das Thema Endometriose spielt eine große Rolle. Beim Thema „schlechte Frauenärzte und die Pille als Lösung für alles“ werden auch schlanke Frauen aufhorchen (Ich finde es jedoch schwierig, bei Myomen das Wort „Tumor“ ins Spiel zu bringen). Nina Dias zeigt auf, welchen Einfluss gerade Mütter auf das (negative) Selbstbild ihrer Töchter haben. Auch Misogynie allgemein wird thematisiert, aber es wird auch gezeigt, dass man es beim Thema Gleichberechtigung übertreiben kann, wenn man jedes Hilfsangebot gleich als Machogehabe abtut.
„Run for Love“ bietet die perfekte Mischung aus Unterhaltung und Tiefgang. Stilistisch liest sich das Ganze aber wie eine Wattpad – oder Ao3 – story. Ich fand es unglaubwürdig, dass Luca sofort ohne Komplexe mit dem Sonnyboy Noel herumknutscht (aber später immer wieder über ihren dicken Bauch lamentiert). Ich fand es auch schade, dass die Protagonistin Sport für sich entdeckt und mit dem Joggen beginnt, da die Autorin die Themen Body Positivity, Feminismus und Polyamorie großschreibt. Zwar wird hier die „vom hässlichen Entlein zum schönen Schwan“ – Schiene nicht bedient, aber es wäre auch okay, wenn die Protagonistin ein couch potatoe wäre.
Es wird die These aufgestellt, dass zwischen Gelenkschäden und Übergewicht kein Zusammenhang besteht. Ich halte diese These für falsch. Das Ende der Geschichte erinnert an einen kitschigen Hollywoodfilm. Das happy ending fand ich aber ganz zauberhaft. Der Roman vermittelt gerade jungen Leserinnen wichtige Botschaften, weswegen ich ihn der Hauptzielgruppe empfehlen würde, obwohl er ein paar stilistische Schwächen aufweist. „Run for Love“ kann mit einer tollen Figurenzeichnung, wichtigen Botschaften und einer spritzigen Handlung überzeugen.

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Veröffentlicht am 01.12.2023

Hazelwoods bisher bestes Buch

Check & Mate – Zug um Zug zur Liebe
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Hat Ali Hazelwood sich vom pikanten Betrugsvorwurf gegen Hans Niemann zu ihrer Schach-Story inspirieren lassen? Sie selbst behauptet, wissenschaftliche Studien zum Gender Gap im Schachsport seien ihre ...

Hat Ali Hazelwood sich vom pikanten Betrugsvorwurf gegen Hans Niemann zu ihrer Schach-Story inspirieren lassen? Sie selbst behauptet, wissenschaftliche Studien zum Gender Gap im Schachsport seien ihre Motivation gewesen.
Von Hazelwoods „Love, theoretically“ war ich richtig enttäuscht, da sie die Grundidee ihres Debuts einfach immer wieder verwurstete, nicht sehr kreativ (um nicht zu sagen- faul.)! Das Thema Schach machte mich aber neugierig, also habe ich gerne zu ihrer neuesten Publikation gegriffen. Mit kleinen Abstrichen ist es Hazelwoods bisher bestes Buch, da sie mal nicht von einer Studentin, ihrer Mitbewohnerin und dem akademischen love interest berichtet. Die Protagonisten in „Check & Mate - Zug um Zug zur Liebe“ gefielen mir richtig gut; vor allem Schachweltmeister Nolan hat das Zeug zum perfekten, nicht toxischen book boyfriend.

Worum geht’s?

Schach-Wunderkind Malllory „Mal“ Greenleaf versorgt als 18jährige ihre Familie, da ihre Mutter chronisch krank ist (und ihre beiden Schwestern minderjährig). Sie arbeitet als Mechanikerin, während ihre beste Freundin Easton an die Uni geht; die Freundinnen entfernen sich zwangsläufig voneinander, was Mal traurig macht. Mit dem Spiel der Könige hat die Protagonistin seit einem traumatischen Vorfall nichts mehr am Hut, bis die Inhaberin des Schachklubs „Zugzwang“ sie anheuert. Mallory soll auf das heiße Schach-As Nolan Sawyer treffen. Anfangs wehrt sich die bisexuelle Heldin, die sich nur zwanglose Abenteuer erlaubt, gegen die Anziehungskraft. Doch schon bald sprühen die Funken…
Der Roman weicht von Hazelwoods 08/15 Schema ab, er kann mit tollen Figuren & einer wichtigen Message überzeugen. Die Notwendigkeit von (Frauen)Freundschaft wird betont, es gibt Szenen wie aus dem wahren Leben, Geldprobleme, Entfremdung, Traumata. Die Problematik rund um Schach-Wunderkinder wird richtig gut eingefangen. Nicht so gut gefallen hat mir die schematische Zeichnung des Schurken – Malte Koch ist ein (frauenfeindlicher) fieser deutscher Profi. Muss es immer der tricky Teutone sein? Ich finde es gut, dass es sich hier um einen feministischen NA-Roman handelt, aber Hazelwoods Plädoyer für Geschlechtergerechtigkeit ist nicht immer meins. Weniger Holzhammer, mehr Tiefgang, bitte! Neuerdings baut Hazelwood immer Haustiere in ihre Geschichten ein, was eher nervig statt süß ist. Stellenweise wird es mir auch zu albern: „Darcy wendet mir ihren Rücken zu, um in meine Richtung zu pupsen – ihr neues Morgenritual.“ Die Verhaltensweisen pubertierender Geschwister kann man auch anders beschreiben, finde ich. Der Protagonist ist aber eine tolle Figur – ruhig, nachdenklich, nicht frei von Jugendsünden, die sich aber nicht in toxischer Männlichkeit äußerten. Es hat mir gefallen, dass er nicht als weltfremder Nerd porträtiert wurde. Allerdings wäre er auch als „Spargeltarzan“ liebenswert. Wie immer ist Hazelwoods Held ein muskulöser Adonis, was vielleicht nicht realistisch ist. Ich hätte mir auch mehr Romantik gewünscht, Exposition und Mittelteil nehmen zu viel Raum ein, der Finalteil wird knapp abgehandelt. Schade! Vielleicht wird es eine zweite Erzählung rund um Nolan und Mallory geben? Ich hätte nichts dagegen!
4,5/5

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Veröffentlicht am 18.10.2023

Homo homini lupus est

Ich träumte von einer Bestie
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Fleur arbeitet als IT’lerin und säubert das Netz u.a. von Rachepornos. Ihre Dates findet sie via Tinder, das Internet ist ihre Welt. Als sie erfährt, dass ihr leiblicher (französischer) Vater verstorben ...

Fleur arbeitet als IT’lerin und säubert das Netz u.a. von Rachepornos. Ihre Dates findet sie via Tinder, das Internet ist ihre Welt. Als sie erfährt, dass ihr leiblicher (französischer) Vater verstorben ist, und dass sie als Erbin eingesetzt wurde, obwohl sie diesen Teil der Familiengeschichte am liebsten vergessen würde, reist sie via Luxemburg nach Frankreich, obwohl ihr geliebter Stiefvater und ihre resolute Mutter dagegen sind. Einzig ihr jüngerer Bruder, der sein FSJ zwecks Selbstfindung gar nicht erst antritt, unterstützt seine Schwester & fährt mit ihr über die Grenze.
In Frankreich muss sich die junge Frau ihrer traumatischen Vergangenheit stellen und sie stößt auf ein Geheimnis, dass es zu erforschen gilt …
Die Legende um die Bestie des Gévaudan, der zwischen 1764 und 1767 etwa 100 Menschen unter ungeklärten Umständen zum Opfer fielen, hat mich schon immer fasziniert, der französische Kinokracher „Pakt der Wölfe“ /«Le pacte des loups » aus dem Jahre 2001 gehört zu meinen Lieblingsfilmen. Da ich „Totenbraut“ von Nina Blazon gern gelesen habe, ist auch „Ich träumte von einer Bestie“ sofort auf meine Leseliste gewandert, der Roman ist jedoch nur auf dem ersten Blick ein Fantasy - Schmöker. Ich hatte beim Lesen das Gefühl, dass die Autorin sehr viel recherchiert hat, und ich finde, dass man bei der Lektüre viel lernt, insofern ist es mehr als „schnöde“ Unterhaltung, die Nina Blazon bietet. Nina Blazon tangiert mit ihrer Geschichte aktuelle gesellschaftliche Debatten, ohne allzu „woke“ zu werden. Der gesellschaftskritische Ansatz gefiel mir sehr gut. Ich mochte auch die kulturgeschichtliche Dimension des Romans, auch frankophile und frankophone Leser kommen hier auf ihre Kosten, über das code-switching habe ich mich sehr gefreut, die historischen Besonderheiten Okzitaniens werden auch angesprochen, sehr viele Informationen werden unheimlich leichtfüßig in den Text integriert. Toll ist auch die kleine Märchenkunde, die en passant angesprochen wird. Den Anfang fand ich sehr spannend, ein ruhiger Erzählfluss ist insgesamt vorherrschend. Ungeduldige werden vielleicht einwenden, dass die Geschichte sich zieht wie Kaugummi. Diesen Eindruck hatte ich nicht, da ich stets wissen wollte, wie die Geschichte enden wird, obwohl sich meine ursprüngliche Annahme, Fleur sei eine unzuverlässige Erzählerin, nicht wirklich bestätigt hat. Obwohl ich die Charakterisierung der handelnden Personen im Roman insgesamt spannend fand, war die Protagonistin für mich als Figur nicht ganz stimmig, auch wenn die persönliche Entwicklung Fleurs geschildert wird. Ein bisschen verwundert war ich auch über die Wiederholungen, ich habe schon beim ersten Lesen kapiert, dass die keltischen Feen nicht lieblich, sondern kämpferisch und kratzbürstig sind, die Autorin hätte es nicht mehr als einmal schreiben müssen. Fleurs Stiefvater ist ein ehemaliger Polizist, der ihr aus der Ferne hilft, das Rätsel rund um die Familie zu lösen, und mir war nicht ganz klar, wie dazu die Hauptstadt Sri Lankas – „Colombo“ – passt, die zwei Mal im Text genannt wird, genannt wird auch „Columbo“ (Peter Falk), was Sinn macht. Gegen Ende ist vom „Waschbären – Lock“ statt von einem Look die Rede. Die Autorin hat sich beim Verfassen der Geschichte erkennbar Gedanken gemacht, daher hat der Roman eigentlich ein tadelloses Korrektorat verdient, schließlich wurde er nicht im Selbstverlag publiziert. Die Landschaftsschilderungen und die Beschreibungen von sakralen Objekten sind ganz klasse, ich habe während der Lektüre richtig Lust bekommen, an die Orte zu reisen, die Nina Blazon im Buch beschreibt, auch wenn ich mit manchen Thesen und Ansätzen, die sie literarisch im Buch verarbeitet, nicht konform gehe.

Fazit: Trotz der genannten Schwächen empfehle ich „Ich träumte von einer Bestie“ zur Lektüre, ich habe das E-Book gerne gelesen.

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Veröffentlicht am 12.10.2023

"We will meet again."

Elizabeth II. und die Lieben ihres Lebens
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Biographische Fiktion mit Herz

„Elizabeth tat einen Atemzug und seufzte, schloss die Augen und ließ die Welt und die Menschen, die ihr mehr bedeuteten, als sie jemals in Worte fassen konnte, hinter sich.“

Mit ...

Biographische Fiktion mit Herz

„Elizabeth tat einen Atemzug und seufzte, schloss die Augen und ließ die Welt und die Menschen, die ihr mehr bedeuteten, als sie jemals in Worte fassen konnte, hinter sich.“

Mit „Elizabeth II. und die Lieben ihres Lebens“ hat Gabriele Diechler eine Romanbiographie vorgelegt, in welcher das Leben der britischen Königin von der Wiege bis zum Sterbebett porträtiert wird. Die Autorin stützt sich dabei auf diverse Sekundärquellen, die sie zu einem kohärenten Ganzen verarbeitet. Biographische Fiktion ist nicht unbedingt mein bevorzugtes Genre, da real existierenden (oder historischen) Persönlichkeiten nicht selten Worte in den Mund gelegt werden. Diechlers Roman hebt sich jedoch angenehm von anderen Vertretern des Genres ab, da hier eine Geschichte mit wahrem Kern unglaublich leichtfüßig und in fast liebevollem Ton erzählt wird, ohne zur langatmigen Nacherzählung zu werden. Auch ist das Ganze keine reine Fleißarbeit, dies wird mit jeder lesenswerten Seite deutlich.
Man kann auch wissenschaftliche Biographien von Historikern oder Anglisten lesen. Mit „Elizabeth die II. und die Lieben ihres Lebens“ werden jedoch Berührungsängste abgebaut, da die Publikation eben nicht nur für eine rein akademische Leserschaft verfasst worden ist. Diechler nähert sich dem Sujet dennoch mit wissenschaftlicher Redlichkeit, neben Quellen – und Literaturangaben findet man im Buch auch einen Stammbaum, manche Dialoge sind aber sicherlich fiktiv, man sollte also nicht alles für bare Münze nehmen, obwohl hier sauber recherchiert wurde. Die Beerdigung von Prinz Philip dient als Exposition, dann wird die Lebensgeschichte der Queen, die sich der „Zwei Körper des Königs“ zeitlebens bewusst war, chronologisch aufgefächert, und es gibt eine metatextuelle Ebene, da die Protagonistin ihre Tagebücher zur Hand nimmt. Besonders gut gefielen mir die aussagekräftigen Zitate, die die Quintessenz mancher Kapitel darstellen. Bei der Lektüre des Buches wird man stellenweise unweigerlich an die Netflixserie “The Crown“ erinnert, da es thematische Überschneidungen gibt. Und wirkt nicht das Leben der Windsors stellenweise wie eine Seifenoper? Gabriele Diechler gelingt es, die Menschlichkeit einer Monarchin sichtbar zu machen, Geschichte lebendig werden zu lassen & mit ihrem Buch ‚zum Weiterlesen‘ zu animieren.

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