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Veröffentlicht am 22.02.2024

Wunderbares Buch

Die verschwindende Hälfte
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„Die verschwindende Hälfte“ von Britt Bennett ist ein sehr außergewöhnliches Buch, dass sich mit den Themen Rassismus und Colorism, Homophobie und Transphobie beschäftigt.



Die Zwillinge Stella und Desiree ...

„Die verschwindende Hälfte“ von Britt Bennett ist ein sehr außergewöhnliches Buch, dass sich mit den Themen Rassismus und Colorism, Homophobie und Transphobie beschäftigt.



Die Zwillinge Stella und Desiree Vignes wachsen in Louisiana im kleinstädtischen Mallard auf. Der Ort ist so klein, dass er auf keiner Landkarte namentlich zu finden ist. Trotzdem ist es ein besonderer Ort, in dem ausschließlich hellhäutige Schwarze leben. Die Einwohner sind stolz darauf, dass sie mit ihrer Hellhäutigkeit sogar als Weiße durchgehen könnten.

Genau das versucht eine der Zwillingsschwestern (Stella) auch mit Erfolg. Sie verlässt ihre Heimat und ihre Familie, bricht jeglichen Kontakt ab und heiratet einen nichts-ahnenden Weißen. Der andere Zwilling Desiree hingegen sucht sich als junge Erwachsene den dunkelsten Schwarzen, den sie finden kann und gründet mit ihm eine Familie.

Als Leser*innen verfolgen wir die Lebenswege der in den 60erJahren geborenen Mädchen, die in ihrer Kindheit so eng verbunden waren und dann von einem Tag auf den anderen keinen Kontakt mehr zueinander haben. Beide leiden unter der Trennung, doch es braucht eine weitere Generation bis ein Wiedersehen möglich wird. Stella zieht ihre Lebenslüge konsequent durch, doch der Preis, den sie zahlt ist hoch. Auch Desiree‘s Lebensweg nimmt eine andere Richtung als geplant, als ihr Mann gewalttätig wird. Sehr spannend fand ich auch die Entwicklung von Stella‘s hellhäutiger Tochter Kennedy, die sich selbstverständlich für eine Weiße hält und ihrer dunkelhäutigen Cousine Jude, die im Heimatdorf ihrer Mutter Diskriminierung erlebt.

Trotz der schweren Themen ist diese Familiengeschichte sehr sensibel und warm erzählt. Ich hatte das Hörbuch vorliegen, wunderbar gelesen von Tessa Mittelstaedt, dass ich nur empfehlen kann. Mir hat die Geschichte wirklich gut gefallen. Die Charaktere waren gut ausgearbeitet und der Roman ist sehr vielschichtig erzählt. Wer anspruchsvolle Familiengeschichten mag, dem kann ich diesen Roman wirklich wärmstens empfehlen.

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Veröffentlicht am 15.02.2024

Berührende Familiengeschichte

Hallo, du Schöne
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„Die ersten sechs Tage seines Lebens war William Waters kein Einzelkind.“



Mit diesem dramatischen Satz beginnt der Familienroman der Autorin Ann Napolitano. William‘s Kindheit ist geprägt von der Trauer ...

„Die ersten sechs Tage seines Lebens war William Waters kein Einzelkind.“



Mit diesem dramatischen Satz beginnt der Familienroman der Autorin Ann Napolitano. William‘s Kindheit ist geprägt von der Trauer in seiner Familie. Mit dem Tod seiner Schwester ist auch die Fröhlichkeit und Liebe in seinem Elternhaus gestorben und für William ist keine Liebe mehr übrig geblieben. Lediglich beim Basketball spielen in der Schule und später am College erfährt der groß gewachsene Junge Bestätigung und Lob.

Als er im College Julia Padavano kennenlernt und mit ihr ihre quirligen Schwestern und deren chaotisches, liebevolles Zuhause, ist er fast ein bisschen überfordert.

Er verliebt sich in Julia, doch William‘s Kindheit wirkt nach und sein Trauma belastet die Beziehung.

Der Familienzusammenhalt der Padavanos steht im krassen Gegensatz zu dem, was William als Familie kennengelernt hat. Auch Julia‘s drei Schwestern habe eine sehr enge und innige Beziehung zueinander. Diese Fürsorge füreinander und die komplikationslose Aufnahme von William in die italo-amerikanische Großfamilie war so toll beschrieben und einfach schön zu lesen. Die Kapitel sind zeitlich überlappend aus verschiedenen Perspektiven geschrieben. Mit dem Erwachsenwerden von William, den Schwestern und dem Versterben des Padavano -Vaters gibt es einen Bruch in der Familie mit teilweise sehr drastischen Lebensentscheidungen.

Der Roman war spannend, hatte einen sehr angenehmen, warmherzigen Sprachstil und war besonders zum Ende hin sehr emotional. Ich habe das Buch einfach unheimlich gerne gelesen und die Padavonos sofort in mein Herz geschlossen.



Das Buch nimmt mehrfach Bezug auf den Klassiker „ Little Women“ von Louisa May Alcott, den ich jedoch nicht gelesen habe bisher. Möglicherweise ist die Geschichte für Kenner dieses Werkes etwas vorhersehbar.

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Veröffentlicht am 05.02.2024

Toxische Freundschaften

Dunkelgrün fast schwarz
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Dieses Debüt der österreichischen Autorin Mareike Fallwickl lag schon viel zu lange ungelesen im Regal, und ich bin froh es jetzt endlich gelesen zu haben.

Es handelt sich grob gesagt um eine toxische ...


Dieses Debüt der österreichischen Autorin Mareike Fallwickl lag schon viel zu lange ungelesen im Regal, und ich bin froh es jetzt endlich gelesen zu haben.

Es handelt sich grob gesagt um eine toxische Freundschaftsgeschichte. Moritz und Raffael lernen sich schon mit drei Jahren kennen, als sich ihre Mütter zufällig auf dem Spielplatz des Dorfes begegnen. Charakterlich könnten die beiden Jungen unterschiedlicher nicht sein, aber das ist es wahrscheinlich auch, was sie vom Beginn ihrer Freundschaft an zueinander zieht. Moritz ist der liebe, freundliche und schüchterne Junge, der sich von dem eher draufgängerischen Raffael , der gerne bestimmt, was gemacht wird, mitziehen lässt. Als im Teenageralter Johanna noch dazustößt , sind weitere Konflikte vorprogrammiert.

Die Geschichte wird aus drei Perspektiven erzählt, der von Moritz, der von Johanna und zusätzlich noch aus der Sicht von Marie, der Mutter von Moritz.

Der Roman beginnt im Jahr 2017, in dem Moritz kurz davor ist selber Vater zu werden und sein Kindheitsfreund ,zu dem er seit 16 Jahren keinen Kontakt mehr hat, plötzlich und unerwartet auf der Matte steht. Moritz‘s Frau ist nur mäßig begeistert und regelrecht sauer, als Raffael gar nicht wieder gehen will.

Stück für Stück dröselt Mareike Fallwickl ein kompliziertes Beziehungsgeflecht aus Manipulation und Machtspielchen auseinander, dem Moritz schon als kleiner Junge nicht entkommen konnte. Wir springen zwischen den Jahren und den Protagonisten hin und her und nach und nach wird das Bild wie ein Puzzle vervollständigt.

Das macht die Autorin wirklich toll. Sie benutzt eine sehr bildhafte, flüssige Sprache. Manchmal wird es auch etwas derb, was an den Stellen aber auch passt. Die Spannung hält sie konstant hoch.

Moritz ist ein sehr feinfühliger und sensibler Mensch, der eine außergewöhnliche Begabung hat. Er kann nicht nur wunderbar zeichnen und mit wenigen Pinselstrichen die Gefühle von Menschen auf das Papier bringen, er erfasst sein Gegenüber auch in Farbtönen. Diese Idee der Autorin fand ich klasse und diese farbliche Wahrnehmung fließt dann auch immer bei dem Erzählstrang von Moritz mit ein. Das erklärt im Übrigen auch den Buchtitel.

Das Buch lässt die eigenen Gefühle hochkochen. Ich war empört und wütend, traurig und fassungslos. Ich konnte als Mutter so gut Marie‘s Ohnmacht nachfühlen, die merkt, dass diese Freundschaft nicht gut ist für ihren Sohn und doch machtlos dagegen ist.

Mich konnte das Buch wirklich begeistern. Ich fand es spannend, sehr emotional und die Figuren absolut authentisch. Es war ein literarischer Pageturner mit Psychthrillerflair ohne ein Thriller zu sein. Ganz toll! Ich habe es supergern gelesen und frage mich, warum ich solange damit gewartet habe.

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Veröffentlicht am 28.01.2024

Mochte es so gerne

Kein guter Mann
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Walter scheint auf den ersten Blick ein desillusionierter, griesgrämiger Zeitgenosse zu sein. Er ist nicht besonders beliebt, weil er sagt, was er denkt und in seinem Alter auch nicht mehr gewillt ist ...

Walter scheint auf den ersten Blick ein desillusionierter, griesgrämiger Zeitgenosse zu sein. Er ist nicht besonders beliebt, weil er sagt, was er denkt und in seinem Alter auch nicht mehr gewillt ist es jedem recht zu machen. Sein Standardspruch wenn man ihm etwas vorwerfen möchte ist „ Nicht meine Schuld“, was seine Beliebtheitswerte nicht gerade nach oben treibt.

Walter lebt alleine ein recht einsames Leben, nachdem er sich mit seiner Familie entzweit hat. Alleine zu seiner Tochter Sandra hat er noch hin und wieder Kontakt. Da er aber ihren Freund Uwe absolut nicht billigt, ist auch dieses Verhältnis schwierig.

Als Briefträger arbeitet er zuverlässig und korrekt aber wenn man ihn ärgert und das passiert gleich zu Beginn des Buches, dann wehrt er sich auch, was wieder neuen Ärger heraufbeschwört.

Seine Chefin möchte ihn nur zu gerne in den Vorruhestand schicken. Doch das kann Walter sich nicht leisten und so findet man einen halbherzigen Kompromiss. Walter wird in die Christkindfiliale der Post nach Engelskirchen versetzt und soll dort die Post der Kinder, die dort zur Weihnachtszeit gleich waschkörbeweise eintrifft empathisch und freundlich beantworten. Wenn es für diesen Job eine Fehlbesetzung gibt , dann ist es Walter, aber zum Glück gibt es ja auch Vordrucke. Daran hält sich der strafversetzte Postler auch, bis ihm der Brief von Ben erreicht, der ihn anrührt , weil er erstens an Gott persönlich gerichtet ist und zweitens keine ellenlange Einkaufsliste enthält. Ben wünscht sich, dass bei ihm zu Hause mal ein Klempner vorbeischaut. An dieser Stelle widersetzt sich Walter seiner Dienstanweisung und beginnt mit dem kleinen Ben eine Korrespondenz, die auch ihn verändert.



Dieses Buch wollte ich eigentlich in der Weihnachtszeit gelesen haben und da passt es auch wunderbar. Jetzt im Januar habe ich es geschafft und in Rekordzeit weggelesen. Was für eine tolle Geschichte! Am Ende gab es sogar ein paar Tränchen. Damit hatte ich nicht gerechnet.



Natürlich erfährt man nach und nach, wie Walter zu dem Menschen geworden ist, der er heute ist. Das ist sehr erschütternd und keineswegs kitschig, wie man glauben könnte. Walter’s Schicksal hat mich ganz schön mitgenommen, weil er natürlich gar kein so übler Typ ist, ganz im Gegenteil. Man schließt ihn als Leser*in schnell in sein Herz.

Der Schreibstil des Autors hat mir ausgesprochen gut gefallen. Die Geschichte ist sehr feinfühlig geschrieben und Immer fließt auch ein kleines bisschen schwarzer Humor mit ein.



Große Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 25.01.2024

Unterwerfung

Die ungeduldigen Frauen
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Djaïli Amadou Amal verarbeitet in ihrem Roman „Die ungeduldigen Frauen“ teils Selbsterlebtes aus ihrem Heimatvolk der Fulbe im Norden Kameruns.

Bei den Fulbe gibt es große Familienclans, ein ausgeprägtes ...

Djaïli Amadou Amal verarbeitet in ihrem Roman „Die ungeduldigen Frauen“ teils Selbsterlebtes aus ihrem Heimatvolk der Fulbe im Norden Kameruns.

Bei den Fulbe gibt es große Familienclans, ein ausgeprägtes Patriarchat, in dem die Frauen gnadenlos unterdrückt werden. Wie dieses perfide System funktionieren kann, ohne dass sich die Frauen solidarisieren, zeigt dieses Buch an Hand des Schicksals dreier Frauen auf, die in dem Roman jeweils eine eigene Stimme bekommen haben.

Ramla ist zunächst glücklich, weil sie zu den wenigen Mädchen gehört, die die Schule beenden darf, bevor der Vater sie verheiratet. Sie träumt davon Apothekerin werden zu können und den Mann zu heiraten, den sie liebt. Diesem Mann ist Ramla schon versprochen, als ein Onkel sich einmischt und ihren Vater überzeugt seine Tochter einem wesentlich älteren Geschäftspartner als Zweitfrau zu überlassen. Ihr Vater stimmt zu und Ramla hat sich zu fügen.

Von Kindesbeinen an hören die Mädchen von ihren Müttern und männlichen Verwandten, dass sie sich den Männern unterwerfen müssen, die sie versorgen und beschützen. Fügen sich die Mädchen nicht in ihr Schicksal und sind ungehorsam werden nicht nur die Mädchen bestraft sondern auch ihre Mütter, die sie nicht ordentlich erzogen haben.

Das Buch weckt vielerlei Emotionen und macht vor allem wütend.

Neben der Geschichte von Ramla erfahren wir noch von dem Leidensweg ihrer Schwester Hindou, die mit ihrem gewalttätigen Cousin verheiratet wird. Die Hoffnung der Großfamilie, dass sich der nichtsnutzige zum Drogenkonsum neigende Schläger in der Ehe bessert, erfüllt sich natürlich nicht.

Die dritte Frau, die porträtiert wird ist die Hauptfrau von Ramla‘s Ehemann, die ihre Rivalin missgünstig beobachtet und sie so schnell wie möglich wieder aus dem Haus jagen möchte.



Das Buch hat nur 172 Seiten , die es wirklich in sich haben. Der recht sachliche und manchmal auch poetische Schreibstil der Autorin hat mir gut gefallen. Der Roman ist keine leichte Kost und gibt den Frauen Kameruns, deren Schicksal sonst ungehört bliebe endlich eine Stimme.

Er ist bewegend, erschütternd und macht wütend.

Das Buch hat völlig zu Recht den Prix Goncourt des Lycéens 2020 gewonnen und war 2023 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert.

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