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Veröffentlicht am 28.01.2024

Wenn Glaube sich wandelt und neu wird

Aufwärts fallen
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Priska Lachmann ist von Anfang ihres Lebens an in einer evangelikalen Gemeinde. Obwohl Christen in der DDR benachteiligt werden, ist der Glaube ein entscheidender Bestandteil des Familienlebens in ihrer ...

Priska Lachmann ist von Anfang ihres Lebens an in einer evangelikalen Gemeinde. Obwohl Christen in der DDR benachteiligt werden, ist der Glaube ein entscheidender Bestandteil des Familienlebens in ihrer Kindheit und Jugend. Sie ist begeistert dabei … in der Kinderstunde, auf Jugendfreizeiten, bei Gebetstreffen. Doch manche Predigten und Botschaften machen ihr Angst. Sie fürchtet sich vor der Hölle, sie ist sich unsicher, ob sie in den Himmel kommen wird, und sie versucht es allen rechtzumachen.

Obwohl sie gern Psychologie studieren würde, fühlt sie sich nach einem Berufungserlebnis gedrängt Theologin zu werden. Priska heiratet jung, was in ihren Kreisen keine Seltenheit ist, denn es wird eindringlich vor vorehelichen Geschlechtsverkehr gewarnt. Eine Ehe scheint da die beste Vorsorge zu sein.

Als schon nach kurzer Zeit klar ist, dass die Eheschließung ein Fehler war, zögert Priska dennoch lange sich scheiden zu lassen. Sie weiß, was dieser Schritt ihr auch in beruflicher Hinsicht kosten wird. Doch als es soweit ist, lernt sie nach einer schweren und kummervollen Zeit, ihre neugefundene Freiheit zu genießen. Dazu gesellen sich auch neue Erkenntnisse in Bezug auf ihren Glauben. Sie lernt Gott ganz anders kennen, nicht als strengen Zuchtmeister, sondern als Liebe, unbegrenzte Liebe. Es dauert trotzdem noch lange, bis sie sich von ihren Ängsten freimachen kann.

Dieses Buch ist sehr gut geschrieben und lässt sich schnell lesen. Priska schildert Erfahrungen, die viele werden nachvollziehen können, die in freikirchlichen Gemeinden aufgewachsen sind, vor allem charismatisch geprägte. Es fällt positiv auf, wie ehrlich sie über ihr Leben berichtet, dabei reflektiert sie auch über persönliche Fehler und Irrwege.

Persönlich finde ich jedoch das Ergebnis ihrer Gottessuche besorgniserregend. Nachdem sie sich von der Vorstellung eines strafenden Gottes befreit hat, bleibt ein Gott, der einfach nur gut zu den Wünschen der Menschen passt. Er liebt immer und ohne Bedingungen, und ist mit allem einverstanden, das sich gut anfühlt. Maßstäbe wie Heiligkeit verlieren an Bedeutung.

Ganz sicher ist Gott ein Gott der Liebe, der uns trotz all unserer Schwächen und Fehler maßlos liebt. Aber ich glaube nicht, dass er mit allem einverstanden ist, was sich für uns gut anfühlt. So wie das Kind, das einen ganzen Ballen Zuckerwatte verschlingt, wissen wir manchmal nicht, was wirklich gut für uns ist. Ich denke, wer sich von einem falschen Konstrukt befreit, unter dem er gelitten hat, neigt leicht dazu zu weit in die andere Richtung zu gehen. So empfinde ich dieses Buch, darum kann ich es trotz einem wunderbaren Schreibstil, der Offenheit und vielen anderen Vorzügen, nicht guten Gewissens weiterempfehlen.

Fazit: Der persönliche Lebensbericht einer jungen Frau, die unter einem strengen Gottesbild gelitten hat und von ihrem befreiten Glaubensweg erzählt. Es ist fesselnd und authentisch geschrieben und mit Sicherheit für einige hilfreich. Doch weil mir persönlich der Glaube an einen liebevollen, aber auch gerechten und heiligen Gott so sehr am Herzen liegt, kann ich es leider nicht empfehlen.

Veröffentlicht am 02.05.2023

Und irgendwie muss das Leben weitergehen

Als Großmutter im Regen tanzte
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Juni flüchtet vor ihrem gewalttätigen Ehemann. Es trifft sich gut, dass das Haus ihrer Mutter ausgemistet werden muss, denn es befindet sich auf einer verlassenen norwegischen Insel. Überrascht findet ...

Juni flüchtet vor ihrem gewalttätigen Ehemann. Es trifft sich gut, dass das Haus ihrer Mutter ausgemistet werden muss, denn es befindet sich auf einer verlassenen norwegischen Insel. Überrascht findet Juni ein Foto, das ihre Großmutter mit einem deutschen Soldaten zeigt. Zeitlich passt dieses Bild zur Geburt ihrer Mutter. Sie spürt, dass es einige Familiengeheimnisse geben muss, sie selbst hat auch ihren Vater nie kennengelernt.

Junis Großmutter Tekla verliebt sich gegen Ende des Zweiten Weltkriegs in einen deutschen Soldaten. Als er zurückgeht nach Deutschland, begleitet sie ihn als seine Ehefrau. Doch in Deutschland ist nichts so, wie es vor dem Krieg war. Tekla muss Schreckliches durchmachen, bis sie schließlich nach vielen Schicksalsschlägen nach Norwegen zurückkehren kann.

Die Geschichte um Tekla wird abwechselnd in zwei Zeitebenen erzählt. Auf der einen Seite erforscht Juni gemeinsam mit einem Freund die Familiengeschichte und findet vieles heraus, das bisher verborgen war. Dazwischen liegen immer mehrere Kapitel, die unmittelbar erzählen, was Tekla erlebt; das Kennenlernen des Soldaten, die Verachtung, die ihr in Norwegen wegen dieser Freundschaft entgegengebracht wird, die schwierige Reise in die Heimat ihres Ehemannes, das Leid in Ostdeutschland, die Nachkriegsjahre in Berlin, und schließlich der Neuanfang in Norwegen.

Diese Erzählweise sorgt dafür, dass das Buch spannend bleibt und es schwer fällt es wegzulegen. Teklas Geschichte ist tragisch, beruht aber auf Tatsachen. Die leidvollen Nachkriegsjahre in Deutschland werden gut und anschaulich dargestellt.

Junis Geschichte in der Gegenwart ist hingegen enttäuschend. Der Leser erfährt wenig über ihr Leben, sie bleibt bis zum Ende der Geschichte unglaubhaft und blass. Dazu kommt eine merkwürdige Romanze, die nicht überzeugt und eher von den wichtigen Aspekten der Geschichte ablenkt.

Fazit: Ein spannender historischer Roman über die Ehe eines deutschen Soldaten mit einer norwegischen Frau, der einen guten Einblick in das Nachkriegsdeutschland bietet und betroffen macht. Der zweite Erzählstrang enttäuscht, trotzdem ist das Buch insgesamt empfehlenswert.

Veröffentlicht am 01.05.2023

Wenn man auf den Täter angewiesen ist

Einvernehmlich
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Donna wächst in einer behüteten katholischen Umgebung auf. Schon in der Schulzeit, zeichnet sie sich durch ihre Intelligenz aus. Die Tochter von Einwandern soll einmal ein besseres Leben haben, meinen ...

Donna wächst in einer behüteten katholischen Umgebung auf. Schon in der Schulzeit, zeichnet sie sich durch ihre Intelligenz aus. Die Tochter von Einwandern soll einmal ein besseres Leben haben, meinen ihre Eltern. Sie sind zwar zuerst nicht mit der Wahl ihres Studienfachs einverstanden, doch sie sind sehr stolz auf ihre intelligente Tochter.

Voller Begeisterung ergreift sie die Chance ihren Doktor an einer renommierten Universität zu machen. Wie es ihre Gewohnheit ist, sucht sie oft nach dem Unterricht ihre Lehrer auf, um weiter mit ihnen zu diskutieren. Einer ihrer Professoren genießt das Zusammensein sehr. Der Priester lädt sie eines Abends zu einer Theatervorstellung ein. Ab diesem Zeitpunkt drängt er sich immer mehr in Donnas Leben ein. Er ruft täglich an, schreibt unzählige Briefe, und er beobachtet sie – in der Universität, auf dem Parkplatz und selbst durch die Fenster ihrer Wohnung.

Donnas „nein“ ist zuerst zögerlich, denn ihre Karriere hängt vom Wohlwollen dieses Professors ab. Doch mit zunehmender Dringlichkeit seines Werbens, ist ihr das egal. Ihr „nein“ ist deutlich, doch nichts ändert sich. Schließlich leitet sie rechtliche Schritte ein, um Ruhe vor ihrem Stalker zu haben.

In diesem Buch berichtet Donna ausführlich über ihre Erlebnisse. Sie erzählt kurz von ihrer Kindheit, um dann alle Schritte des erlebten Missbrauchs aufzuzeigen. Sie macht deutlich, wie harmlos die Freundschaft am Anfang war, und wie auch sie das Zusammensein genoss, bis ihr die erhöhte Aufmerksamkeit unheimlich wurde.

Es scheint, dass dieses Buch ein Versuch ist, dieses traumatischen Erlebnis zu verarbeiten. Das ist gut, das Lesen fällt allerdings streckenweise schwer. So berichtet sie sehr eingehend über kleinste Erlebnisse, prüft dabei gedanklich ihre und seine Motive. Ihre große Enttäuschung wird deutlich. Nie hört sie eine Entschuldigung, weder vom Institut noch von ihrem Professor. Innerlich hat sie mit diesem ganzen Thema nicht abgeschlossen. Ihre Wut und ihr Hass sind beim Lesen deutlich zu spüren. Das legt den Schluss nahe, dass es vielleicht zu früh war darüber zu schreiben.

Und doch ist dieses Buch lesenswert, da es die Gedanken und Gefühle einer gestalkten Frau aufzeigt. Besonders interessant sind Donnas Überlegungen über die Schwierigkeit etwas zu unternehmen, wenn ein Ungleichgewicht zwischen Täter und Opfer besteht, weil das Opfer auf den Täter angewiesen ist.

Fazit: Ein lesenswertes Buch über das Erleben eines seelischen Missbrauchs durch einen katholischen Priester. An einigen Stellen zu ausführlich und mit recht vielen Wiederholungen, ist dieses Buch trotzdem gut geschrieben und aufschlussreich. Empfehlenswert!

Veröffentlicht am 04.05.2020

Eine Mutter versucht ihre Töchter zu retten

Die verlorene Tochter der Sternbergs
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Die achtzigjährige Elise Duval erhält einen überraschenden Besucher, der ihre eine Schachtel voller Briefe überreicht. Dieser kostbarer Schatz ist der Schlüssel zur Identität der alten Frau. Dabei liegen ...

Die achtzigjährige Elise Duval erhält einen überraschenden Besucher, der ihre eine Schachtel voller Briefe überreicht. Dieser kostbarer Schatz ist der Schlüssel zur Identität der alten Frau. Dabei liegen die wichtigsten Ereignisse ihres Lebens so weit zurück.

Die Geschichte, die hinter diesen Briefen steckt, beginnt in den Vorkriegsjahren. Amanda Sternberg betrauert den Verlust ihrer geliebten Bücher. Ihr ganzer Buchladen wird leergeräumt, und alle Bücher verbrannt. Ihr Mann Julius, ein Herzspezialist, tröstet sie über diesen großen Verlust hinweg. In den nächsten Jahren bekommt die Familie zwei innig geliebte Töchter. Doch in Deutschland sieht die Zukunft für die kleine jüdische Familie immer düsterer aus.

Julius wird festgenommen und stirbt bald in der Haft. Amanda erfährt, dass er die Rettung seiner Familie schon vorbereitet hat. Amanda soll bei einer Familienfreundin in Frankreich unterkommen und die beiden Mädchen sollen zu ihrem Onkel nach Kuba, denn es war nur möglich für zwei Personen eine Einreiseerlaubnis zu bekommen. Kurzentschlossen schickt Amanda nur das älteste Kind auf die Reise, doch es ist bald aussichtslos ihre kleinere Tochter in Europa zu beschützen.

Abgesehen vom kurzen Prolog und einem ebenso kurzen Epilog, geht es in diesem Buch um den Zweiten Weltkrieg. Der Hauptteil beginnt mit der Bücherverbrennung im Jahr 1933 und endet mit den Jahren nach dem Krieg.

Die Schauplätze sind Berlin, ein kleines französisches Dorf und ein Gefangenenlager. Einige Ereignisse beruhen auf wahre Begebenheiten, erschreckend ist dabei vor allem das Massaker in Oradour-sur-Glane kurz vor Kriegsende.

Dieses Buch wirft wichtige Fragen auf, beispielsweise über Identität, Opfer und Mutter-Tochter Beziehungen. Beim Lesen verwirrt der häufige Perspektivenwechsel manchmal. Die Beschreibungen der Charaktere sind am Anfang des Buchs noch etwas schwach, wodurch es schwerer fällt sich mit ihnen zu identifizieren.

Die grausamen Geschehnisse werden sehr anschaulich beschrieben. Es ist nicht leicht darüber zu lesen, doch es gelingt dem Autor die Entsetzlichkeit dieser Verbrechen zu schildern. Es ist schade, dass der Leser wenig über den Verbleib der älteren Tochter erfährt. Auch die Erfahrungen der jüngeren Tochter enden abrupt.

Fazit: Eine gute historische Erzählung mit einigen Mängeln. Die unmöglichen Entscheidungen, die Menschen während des Kriegs treffen mussten, werden eindrücklich beschrieben. Empfehlenswert für Menschen, die gern historische Romane lesen.

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  • Erzählstil
Veröffentlicht am 28.11.2019

Ein alternder Entertainer wünscht sich ewige Jugend

Herbstbunt
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Wie schön waren früher die Samstagabende vor dem Fernseher. Die beliebte Sendung „Wetten dass“ bot Unterhaltung für jedes Alter. Familienfreundlich, und vor allem durch die gewinnende Persönlichkeit des ...

Wie schön waren früher die Samstagabende vor dem Fernseher. Die beliebte Sendung „Wetten dass“ bot Unterhaltung für jedes Alter. Familienfreundlich, und vor allem durch die gewinnende Persönlichkeit des Moderators amüsant. Die Zeiten haben sich geändert. Es gibt inzwischen eine unüberschaubare Anzahl von Unterhaltungsangeboten. Und der allseits beliebte Entertainer wurde von anderen Mediengrößen ersetzt.

Dieses Buch enthält ganz unterschiedliche Überlegungen und Gedanken von Thomas Gottschalk. Der gemeinsame Nenner ist, wie der Untertitel verrät, das Alter. Die Kapitelüberschriften sind englishce Songtitel, und der Inhalt passt mal mehr, mal weniger gut zum Titel.

Ein paar Beispiele: In „Everbody hurts“, geht es um einen Sturz Gottschalks. Die Verletzung führt ihm vor Augen, dass er nicht mehr der Jüngste ist. „Knockin‘ on Heaven’s Door“ ist ein merkwürdiger Traum von dem „Wetten dass“ Sofa im Jenseits, natürlich mit dem Moderator und seinen Gästen. Im Kapitel „Everlasting Love“ finden sich ausschweifende Betrachtungen über zwei verschiedene Liebesarten, die beide nicht ideal sind. Die vielen Worte leiten über zu dem Bekenntnis des Autors, dass er sich unerwartet noch einmal verliebt hat, was das Scheitern seiner 46jährigen Ehe zur Folge hatte.

Neben vielen besorgten Blicken in den Spiegel, mit der Trauer über die wachsenden Zeichen des Alters, erzählt Gottschalk, wie er gelernt hat umzudenken, was Ernährung und Sport betrifft. Weniger Goldbären und stattdessen Intervallfasten. An mehreren Stellen betont er, dass er zwar lange leben möchte, aber nicht alt werden. Sehr ausführlich wird das besondere Anwesen in Malibu betrauert, das den Flammen Kaliforniens zum Opfer fiel.

Ob teure Uhren, die schmerzhafte Erfahrung der Kinder im Flugzeug einmal Economyklasse fliegen zu müssen, oder dem kostbaren Inhalt seines Anwesens; der Autor hat Sorgen, von denen die meisten nur träumen können. Damit kann sich der Leser, der sich vielleicht fragt, wie er beispielsweise die Reparaturkosten seines Autos bezahlen soll, nicht identifizieren.

Aber trotzdem ist dieses Buch gut geschrieben und lesenswert. Die Überlegungen über die neuen Medien aus der Sicht eines Menschen, der eine große Rolle in den herkömmlichen Medien spielte, sind interessant. So schreibt Gottschalk über seinen zwiespältigen Umgang mit Twitter, oder den Problemen mit der Reparatur seines Telefons.

An manchen Stellen macht sich Gottschalk mit seiner Offenheit angreifbar und verletzlich. Positiv ist auch, dass sein Humor immer mal wieder durchblitzt. Es ist auch interessant zu lesen, was hinter den Kulissen einer Show geschieht. Wenn auch manches wie Angeberei klingt, zum Beispiel, mit wem er in Hollywood befreundet ist, so erfährt der interessierte Leser ein paar Wissenshappen über verschiedene Prominente.

Fazit: Melancholische Gedanken über das Älterwerden, gemischt mit ein paar Anregungen zu einem bewussten Leben im Alter, machen dieses Buch lesenswert. Trotzdem bleibt das Gefühl zurück, dass der Autor sich nicht damit abfinden kann alt zu werden und gar auf dem Abstellgleis zu landen. Vielleicht wäre es einfacher für ihn mit einer Prise weniger Selbstverliebtheit und ein wenig Verzicht auf ein luxuriöses Leben, denn die Erfahrung zeigt: Wer sich für andere einsetzt, ist auch im Alter glücklicher und mit seinem Leben zufriedener.