Es macht mich sprachlos. Ich möchte schreien.
Es hat schon in der Antike begonnen. Mary Beard beleuchtet das kulturelle Stummhalten der weiblichen Stimme, das bereits in Zeiten begann, als Cicero, Arestoteles & Co. brillierten, als man eine Frau nur ...
Es hat schon in der Antike begonnen. Mary Beard beleuchtet das kulturelle Stummhalten der weiblichen Stimme, das bereits in Zeiten begann, als Cicero, Arestoteles & Co. brillierten, als man eine Frau nur dann schätzte, wenn sie den Mund hielt. Das Recht, öffentlich zu sprechen, dies war den Männern vorbehalten. Frauen durften höchstens ihre eigenen Belange öffentlich kommunizieren und verkünden wie schwach sie seien, aber dass sie für die Gemeinheit sprachen (also Männer einbeziehend) war eine Anmaßung. Anhand von Drama und Prosa der Antike sowie Gemälden, die im Laufe der Jahrhunderte entstanden sind, zeigt sie auf wie systematisch Frauen untersagt wird ihr Wort in der Gesellschaft zu erheben.
Dieselben rhetorischen Mittel, die in der Antike ihren Ursprung fanden, werden heute noch verwendet, und mit der Überlieferung dieser Mittel geht auch weiterhin das systematische Stummhalten der Frau einher. Frauen, die ein öffentliches Rederecht beanspruchen, gelten selbst heute noch zu oft als verrückte Mannsweiber, die ihren Platz im Leben scheinbar nicht kennen.
Ganz so krass und offensichtlich, wie z.B. zu Zeiten vor dem Wahlrecht der Frau, läuft es heutzutage nicht mehr ab, Frauen öffentlich den Mund zu verbieten, und doch werden auch in unserer vermeintlich modernen Zeit Frauen nach wie vor derart diffamiert, dass ihren Worten jegliche Autorität und Kraft abgesprochen wird und das, was sie zu sagen haben, somit trivialisiert. Eine aktive Partizipation in höheren Positionen zu bekleiden wie Unternehmensvorständen, Politik und Männerdomänen wie Sport müssen Frauen noch immer zu hart erkämpfen. Dies zeigt sich insbesondere dann, wenn Frauen in "männliche" Territorien vordringen wie Claudia Neumann, Deutschlands erste Fußballkommentatorin (nahegelegt sei hier ihr Buch "Hat die überhaupt ne Erlaubnis, sich außerhalb der Küche aufzuhalten?"), denen keine Meinungsverschiedenheit sondern Dummheit attestiert wird, sobald eine andere Ansicht als die eigene männliche geäußert wird.
Es gibt kulturelle Muster, die Frauen von Machtpositionen fernhalten wollen, und wir befinden uns noch auf einer Stufe, auf der Frauen nicht für das akzeptiert werden, was sie sind, sondern sie sich einen Hosenanzug anziehen müssen, um in der Politik ernstgenommen zu werden.
Diese Zusammenfassung der mündlichen Vorträge von Mary Beard sind als eine harte kulturelle Wahrheit zunächst heftig zu lesen, wenn jedoch die geschilderten Machtstrukturen ins Bewusstsein dringen, ist es noch heftiger zu begreifen, dass unsere Gesellschaft ganz offensichtlich noch heute an bewussten wie unbewussten patriarchalen Strukturen festhält.
Da ich in letzter Zeit vermehrt feministische Bücher lese, ist es unglaublich erstaunlich wie sehr sich die einzelne und voneinander unabhängige Literatur zahnradgleich ineinander fügt und ein Bildnis der Gesellschaft aufzeigt, die es dringend zu optimieren gilt. Außerordentlich interessant ist dabei für mich der Aspekt, dass ein erheblicher Teil davon offensichtlich unbewusst schon seit Jahrhunderten in der Sozialisation der nächsten Generation weitergegeben wird – denn kaum jemand erzieht seine Söhne misogyn, und doch treiben wir weiterhin in diesem Strom, der Frauen ihre Stimme und Teilhabe versagt.