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Veröffentlicht am 13.08.2024

Wirkt leider kaum nach

Ich komme nicht zurück
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In ihrem aktuellen Roman "Ich komme nicht zurück" entwirft Rasha Khayat eine Geschichte, die sich um die Freundschaft von drei Personen dreht, die so manche Ähnlichkeit aber auch so manches Trennendes ...

In ihrem aktuellen Roman "Ich komme nicht zurück" entwirft Rasha Khayat eine Geschichte, die sich um die Freundschaft von drei Personen dreht, die so manche Ähnlichkeit aber auch so manches Trennendes ausmacht. Die Ich-Erzählerin Hanna sowie ihre beiden Freund:innen Zeyna und Cem wachsen im äußersten Westen des Ruhrgebiets auf. Einem Hinweis im Buch folgend sollte es sich um Bochum handeln. Das verbindet alle drei. Was sie trennt ist der Umstand, dass Hanna und Zeyna beide ihre Mutter auf tragische Weise verloren haben, Hanna sogar nie ihren Vater kannte, Cems Eltern aber noch leben und ihn unterstützen können. Hanna passt allerdings dahingehend nicht zu Zeyna und Cem, da diese Muslime sind und deren Eltern bzw. bei Zeyna auch sie selbst nicht in Deutschland geboren sind. Der Anschlag in Mölln macht schon deutlich, dass sie mit unterschiedlichen Ängsten zu kämpfen haben. Die Terroranschläge vom 11. September 2001 und die folgende Islamophobie macht den Unterschied zwischen den mittlerweile Jugendlichen noch deutlicher.

Nun setzt die Handlung mit Hanna ein, die nach dem Tod ihrer Großmutter in ihre Heimatstadt zurückgekehrt ist und wieder intensiveren Kontakt zu Cem sucht und versucht nach einigen Jahren überhaupt wieder Kontakt zu Zeyna aufzubauen. Diese ist nicht auffindbar, zumindest möchte sie von Hanna nicht gefunden werden. Was der Auslöser für diesen massiven Bruch trotz intensiver Freundschaft war, werden wir bis kurz vor Ende des Romans nicht erfahren. Darauf läuft die Entwicklung einer sich immer wieder verändernden Freundschaft zu.

Grundsätzlich reizt mich die Thematik des Romans sehr, leider muss ich festhalten, dass mich das Buch im Gesamten nicht überzeugen konnte. Das liegt zum einen an der Geschichte, die sich entwickelt, an sich. In den letzten Jahren habe ich sehr viele Roman ähnlichen Inhalts gelesen und das vorliegende Buch konnte mich leider nicht so mitreißen, wie das anderen gelungen ist. Zum anderen hat mir der Spannungsbogen nicht gefallen. Durch Rückblenden erfahren wir bröckchenweise mehr über die Freundschaft der drei sowie über Hannas aktuelle Lebensumstände. Immer wieder wird "der Grund für den Bruch" angeteasert und man fragt sich, welches großes Geheimnis, welcher Vorfall wohl diese innige Freundschaft hat zerbrechen lassen können. Man denkt sich wer weiß was und dann wird die Geschichte aufgelöst und verpufft irgendwie auf den letzten Seiten. Das hat mich einfach nicht mitgenommen bzw. erreichen können, auch wenn ich einige Einzelszenen im Buch durchaus als intensiv empfand.

Zuletzt und das stört mich am meisten am Roman: der Schreibstil. Hatte ich während der Lektüre der Leseprobe noch gedacht, die Art von Hannas Gedankengängen hänge mit der Einstiegsszene zusammen, musste ich genervt feststellen, dass es sich doch durch den gesamten Roman zieht. Die Autorin lässt ihre Ich-Erzählerin sehr häufig in stichpunktartigen Sätzen denken, denen einfach nur das "Ich" zu Beginn des Satzes fehlt. Zunächst dachte ich noch, es handle sich um ein gezieltes Vorgehen. Dass vielleicht über den gesamten Text hinweg das "Ich" der Erzählerin fehlt. Oder dass erst zum Ende hin das "Ich" wieder zurückkehrt in die Gedanken der Protagonistin und damit auch eine inhaltliche Aussage mit der Form zusammenhängt. Dem ist leider nicht so. Die Autorin wechselt wild zwischen langen Passagen, in denen abgehakte Stichpunkte in Satzform stehen und dann aber doch immer wieder ganz normale Sätze auftauchen. Sodass ich hier keine Strategie dahinter vermuten kann. Zumindest keine, die für mich stimmig ist. So ging mir der gesamte Roman sprachlich wirklich unglaublich auf die Nerven. Zur Verdeutlichung habe ich mal eine beliebige Textstelle von Seite 31 aufgegriffen:

"Presse meine Lippen aufeinander, schnaufe durch die Nase. Hatte wohl doch gehofft. Stecke das Telefon wieder ein und den Handbesen zurück in die Friedhofstasche, streiche noch einmal über den Stein. 'Bis morgen', flüstere ich, deute ein Winken an und drehe mich um."

Dadurch, dass dann zwischendurch immer wieder ganz normale Sätze auftauchen, konnte sich bei mir nie ein richtiger Lesefluss einstellen. Erst stolperte ich über die Stichpunktsätze, hatte ich mich daran gewöhnt, taucht ein normaler Satz auf, der mich aus dem Rhythmus brachte, nur um dann beim nächsten Stichpunktsatz wieder zu stolpern. Vor allem zu stolpern, wenn durch die Deklination der Verben und die Anwesenheit anderer Personen nicht gleich deutlich wurde, welche Person jetzt eigentlich gemeint ist. Denn im Verlauf des Romans fehlen auch andere Personalpronomen. Aber nur ganz selten. Auch wieder so, dass man sich nicht darauf einstellen kann. Das mag alles Kalkül der Autorin sein. Mich hat es aber eben sehr gestört.

Letztlich läge ich rein inhaltlich bei einer Bewertung von 3,5 Sternen für das Buch. Aufgrund des Schreibstils lande ich dann aber doch nur bei 3 Sternen.

3/5 Sterne

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Veröffentlicht am 21.03.2024

Der Alltag von Söldnern im Hundertjährigen Krieg

Essex Dogs
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Der britische Historiker Dan Jones veröffentlicht mit „Essex Dogs“ seinen ersten historischen Roman und man merkt es diesem Buch an, dass es hier dem Verfasser um historische Genauigkeit ging und nicht ...

Der britische Historiker Dan Jones veröffentlicht mit „Essex Dogs“ seinen ersten historischen Roman und man merkt es diesem Buch an, dass es hier dem Verfasser um historische Genauigkeit ging und nicht um eine glorreiche Darstellung des Krieges und seiner Helden.

„Essex Dogs“ ist in der Anfangszeit des Hundertjährigen Krieges (1337 bis 1453) zwischen England und Frankreich angesiedelt. Nun stehen sich 1346 die Heere vom englischen König Edward III. und seinem französischen Cousin König Philipp gegenüber, nachdem die 15.000 Mann mit mehreren Tausend Schiffen von England über den Ärmelkanal übergesetzt sind. Genau dort setzt die Handlung ein, auf einem kleinen Boot mit den zehn Kämpfern der Gruppe genannt „Essex Dogs“. Schnell wird klar, dass die Heere auf Söldnergruppen bestehen, denen es prinzipiell egal ist, für wen sie wo und gegen wen kämpfen. Es ist ihr Broterwerb, mehr nicht. Im Laufe des Buches verfolgen wir den sogenannten „Edward III. Feldzug (1346/47)“ und begleiten die Essex Dogs auf ihrem Weg durch die Normandie, bis kurz vor Paris und dann wieder nach Norden Richtung Calais.

Jones macht in seinem Roman deutlich, dass der Kampf im Heer eines mittelalterlichen Königs keinesfalls ein glanzvoller Job war. Von tagelangen Fußmärschen, Hunger, wenn die Nahrung ausgeht, über verschlissenes Schuhwerk und Rivalitäten innerhalb des Heeres, lässt er nichts aus. Genauso wenig wie das Brandschatzen, den Mord, die Plünderungen. Das liest sich insgesamt sehr aufschlussreich und hält auch die nicht sonderlich bekannte Erkenntnis bereit, dass es damals z.B. schon ein Opiatpulver gab, von dem Kämpfer abhängig werden konnten. Wir sind also ganz nah am Arbeitsalltag dieser Söldner dran. Das liest sich recht unterhaltsam, wirkt über die 470 Seiten hinweg manchmal aber auch etwas ermüdend, da sich natürlich einiges auch wiederholt. Den Schlachtszenen konnte ich mit imaginierten Bildern nicht immer folgen, da das Ganze nun einmal auch tatsächlich damals ein ganz schönes Gewusel war. Die Figuren entsprechend schon den Standardcharakteren, die man in so einem Trupp vermuten würde. Ab und an blickt man etwas tiefer in ihre Köpfe (besonders in den des Anführers „Loveday“), da hätte ich mir aber definitiv mehr gewünscht. Manche Verhaltensweisen blieben mir auch nicht nachvollziehbar. Auffällig ist, dass diese kleine Gruppe von Söldnern irgendwie über den gesamten Feldzug hinweg immer wieder mit den Top-Rittern der Truppe zusammenarbeiten und dadurch natürlich immer ganz vorn bei den interessanten Kämpfen mit dabei sind. Soll heißen: Der Roman schwankt zwischen der unglaublich Genauigkeit, mit der der Alltag dieser Männer beschrieben wird, und gleichzeitig habe ich mich häufiger gefragt, wie wahrscheinlich es gewesen sein mag, dass dieses verranzte, zusammengewürfelte Grüppchen tatsächlich mit den höchsten des Stabs zu tun gehabt hätte. Hier sollte sicherlich ein Szenario geschaffen werden, welches die Action eines Blockbusters über die 470 Seiten hinweg aufrechterhalten sollte.

Zuletzt muss ich sagen, dass mich zwei Dinge sehr gestört haben, die auch miteinander zusammenhängen. Es taucht ziemlich zu Beginn eine Frauenfigur auf, die dann immer mal wieder in merkwürdigen Szenen kurz erscheint, etwas nicht Nachvollziehbares tut und dann wieder verschwindet. Das ist im Roman vollkommen unzusammenhängend und wird auch nicht nachvollziehbar aufgelöst. Und das hängt sicherlich damit zusammen, dass es sich hierbei um den ersten Band einer Trilogie handelt. Hier stört mich, dass dies nirgends auf dem Buch ersichtlich ist. Allein in den biografischen Angaben zum Autor ist von der „Essex-Dogs-Trilogie“ die Rede. So könnte man sich vorstellen, dass diese mysteriöse Frauenfigur später noch einmal eine Rolle spielen wird und es auch Erklärungen für ihr Verhalten geben wird. Darauf muss man sich meines Erachtens aber auch einstellen können. Soll heißen: Mir wäre es wichtig gewesen, dass es einen deutlicheren Hinweis vom Verlag gibt, der aufzeigt, dass man sich gerade den ersten Band einer Reihe gekauft hat. So lässt man sich doch ganz anders auf die Geschichte ein.

Abschließend muss ich sagen, dass ich gut unterhalten wurde und auch das ein oder andere zum damaligen Leben als Söldner erfahren habe. Das Buch habe ich nicht ungern gelesen, merke aber, dass ich die folgenden beiden Teile, welche sicherlich bald auch im Deutschen erscheinen werden, nicht zwingend lesen muss.

3/5 Sterne

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Veröffentlicht am 29.01.2024

Solide, aber nicht überwältigend

Heimkehr
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Dies ist nun mein erstes Toni Morrison-Buch. Gespannt war ich auf diese vielgeehrte Literatur Nopbelpreisträgerin. Leider konnte mich "Heimkehr" trotzder hochinteressanten und wenig beleuchteten Thematik ...

Dies ist nun mein erstes Toni Morrison-Buch. Gespannt war ich auf diese vielgeehrte Literatur Nopbelpreisträgerin. Leider konnte mich "Heimkehr" trotzder hochinteressanten und wenig beleuchteten Thematik nicht überzeugen.

Frank ist Schwarz und entscheidetet sich nach einer Kindheit auf der Flucht vor Weißen in den Südstaaten, mit desinteressierten Eltern und einer grausamen Großmutter als junger Mann zur Army zu gehen. Er wird nach Korea geschickt und kommt als gebrochener Mann - wie so viele andere dieses fast vergessenen Krieges - zurück in die USA. Seine kleine Schwester Cee indes muss sich als Jugendliche allein durchschlagen. Aus kurzen 155 Seiten begleiten wirs sie nun beim Wiedertreffen unter dramatischen Umständen und der Heimkehr in mehrfachem Sinne.

Sprachlich, strukturell und bezüglich des Plotinhaltes finde ich dieses Buch zwar durchaus solide, es konnte mich nur leider überhaupt nicht berühren und erst recht nicht vom Hocker hauen. So scheint mir hier ein eher mittelmäßiger Roman der Autorin vorzuliegen, dem meines Erachtens etwas mehr Umfang und Ausführlichkeit gut getan hätte.

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Veröffentlicht am 29.01.2024

Zu stakkatohaft erzählt, um mitreißen zu können

Wir Gotteskinder
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Wenn man die biografischen Angaben zur Auroin Nana Oforiatta Ayim auf dem Buchumschlag sowie im Internet mit der erzählten Lebensgeschichte der Ich-Erzählerin Maya vergleicht, wird deutlich, dass es sich ...

Wenn man die biografischen Angaben zur Auroin Nana Oforiatta Ayim auf dem Buchumschlag sowie im Internet mit der erzählten Lebensgeschichte der Ich-Erzählerin Maya vergleicht, wird deutlich, dass es sich bei diesem Roman mehr oder weniger um die eigene Geschichte der Autorin handeln muss. Denn Maya ist die Enkelin des verstorbenen Königs der ghanaischen Region Akeym Abuakwa, in Deutschland aufgewachsen, in Großbritannien studiert und später als Kuratorin tätig, nun wieder in Ghana lebend. Wie gesagt, stimmt für Maya wie für Nana.

Nun erzählt uns Ayim ihre Geschichte aus der Ich-Perspektive und vergisst meinem Gefühl nach ein wenig die Leser*innen ihres Werkes. Sie springt unvermittelt von einem Lebensabschnitt zum nächsten und von einer Anekdote zur nächsten. Leider ergibt sich dadurch ein wenig zusammenhängendes Bild einer Frau dieser Generation, deren Mutter nach Europa geschickt wurde, um mit ausgebildeten Kindern nach Ghana zurückkommen zu können und das Land voranzubringen. Als für Maya sehr wichtige Bezugsperson wird der Cousin Kojo eingeführt, welcher als Vollwaise von Mayas Mutter aufgenommen und wie ihr eigenes Kind aufgezogen wird. Kojo sei ein "Gotteskind", wie es nur selten in eine Familie geboren werde, dazu berufen, die alten Geschichten in die neue Generation zu tragen. Er ist damit die heimliche Hauptfigur des Romans, bleibt jedoch ungewöhnlich flach, ebenso wie fast alle anderen Figuren inklusive der Ich-Erzählerin. Der Roman heißt übrigens im englischen Original "The God Child", was in der Einzahl auch besser passt, als der Titel in der deutschen Übersetzung.

Leider schafft es der Roman trotz ein paar einzelner, aufschlussreicher Sequenzen für mich nicht, im Gesamten zu funktionieren. Er wirkt nie richtig rund, bruchstückhaft und lieblos erzählt. Manchmal konnte ich der Handlung gar nicht mehr richtig folgen, konnte nicht einschätzen, warum das Geschilderte jetzt wichtig sein soll. Mit einem großen Fragezeichen im Kopf lässt mich der Auszug aus "Das Buch der Geschichten", welcher am Ende des Buches abgedruckt ist, zurück. Dieses Buch wird im Roman häufiger erwähnt und scheint - wenn ich das überhaupt richtig verstanden habe - eine Aufzeichnung von Kojos Vater, also Mayas Onkel aus dessen Leben zu sein. Wenn so prominent ein Text angestellt ist, würde ich einen starken Erkenntnisgewinn daraus erwarten, einen Inhalt, der das zuvor Gelesene in neuem Licht erscheinen lässt. Leider ist dieses neue Licht für mich nicht aufgeleuchtet, vielleicht weil ich den gesamten Roman nicht in dem Maße verstanden habe, wie es dafür notwendig gewesen wäre. Meine Vermutung ist die, dass Ayim den Roman in einer speziellen Form, welche in Ghana traditionell typisch ist, angelegt hat, um eine Art des Geschichtenerzählens zu konservieren, die im Land immer mehr verloren geht. Dieser Art des Erzählens funktioniert aber leider nicht für mein europäisches Hirn. Auf Grundlage dieser Vermutung, dass hier mehr dahinter stecken könnte, bekommt das Buch von mir doch drei Sterne. "Verführerisch, poetisch, beispiellos", wie der Roman auf dem Cover beworben wird, war er für mich jedoch leider nicht.

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Veröffentlicht am 29.01.2024

Eine literarische Zombie-(Post-)Apokalypse - geht das?

Zone One
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Ja, das geht durchaus. Und das bei Colson Whitehead auch gar nicht mal schlecht. Aber leider eben auch nicht so richtig gut, wie von ihm gewohnt.

Dieser 2011 erstveröffentlichte Roman begleitet den Zivilisten ...

Ja, das geht durchaus. Und das bei Colson Whitehead auch gar nicht mal schlecht. Aber leider eben auch nicht so richtig gut, wie von ihm gewohnt.

Dieser 2011 erstveröffentlichte Roman begleitet den Zivilisten "Mark Spitz" über drei Tage hinweg auf seinem vom Militär organisierten Feldzug einer sogenannten Sweeper-Gruppe, die versucht die restlichen Zombies, welche nach einer klassischen Infektionswelle noch übrig sind, aus New York zu tilgen. Die drei Tage machen die drei Teile des Romans aus und erschöpfen sich jedoch nicht in einer platten Splatter-Geschichte, sondern nähren sich von vielen ausführlichen Rückblicken in die Welt vor, während und kurz nach dem Ausbruch.

Es wäre fatal bei Colson Whitehead von einen wenig tiefgründigen Zombie-Roman auszugehen. Er verwebt (natürlich!) das Thema race auch in diesen Roman, wenn auch nicht so präsent wie in seinen aktuelleren Werken. Wichtig sind hierbei die Selbstbeschreibungen und Zuschreibungen, die den Hauptcharakter betreffen. "Mark Spitz" ist nämlich nur der Spitzname des Protagonisten. Seinen wahren Namen erfahren wir nie. Wie er zu dem Spitznamen gekommen ist, verrät jedoch viel über eingebrannte Vorurteile, die in den USA immer noch gegenüber Schwarzen Menschen existieren. Auch beschreibt sich der Protagonist selbst als durchweg mittelmäßig, in allem was er je getan und erreicht hat in der Gesellschaft. Dies lässt Schlüsse auf das Zurechtfinden eines Schwarzen in der Welt der Weißen durchscheinen.

Leider hat das Buch durch die vielen - mitunter essayistisch wirkenden - Rückblicke seine Längen. Sprachlich brilliert Whitehead nicht so stark, wie man dies aus seinen späteren Werken gewöhnt ist. Merkwürdig erscheint, dass die Übersetzung an manchen Stellen wirklich schwach ist. Merkwürdig deswegen, da Nikolaus Stingl auch für spätere Übersetzungen verantwortlich zeichnet. Meine Vermutung: Spätere Werke spielen größtenteils in der Vergangenheit und hantieren daher eher mit älterem Vokabular. Dieses Werk spielt in der nahen Zukunft und verwendet moderne Formulierungen, die sehr holprig übersetzt wurden.

Somit kann ich dem "mittelmäßigen" Protagonisten in und mit diesem Roman leider auch nur eine mittelmäßige Bewertung geben. Es handelt sich um einen grundsätzlich sehr guten - vor allem unter der Prämisse einer Zombie-Apokalypse - Roman, der jedoch durch die Übersetzung an Schwung verliert und holprig wird. Solide, mehr aber leider nicht.

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