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Veröffentlicht am 18.05.2024

Faszinierend und düster

Die Fürstin der Raben
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Das Leben der beiden Geschwister Josua und Margarete, die auf einem abgelegenen Hof nahe am Wald mit ihren Eltern und ihrem Großvater leben, wird jäh durch das Auftauchen der geheimnisvollen Sarah mit ...

Das Leben der beiden Geschwister Josua und Margarete, die auf einem abgelegenen Hof nahe am Wald mit ihren Eltern und ihrem Großvater leben, wird jäh durch das Auftauchen der geheimnisvollen Sarah mit ihren beiden Raben verändert.

Die Geschwister freunden sich beide mit ihr an, Josua verliebt sich sogar in sie. Margarete, die hochsensibel ist und deshalb auf viel Spott und Ablehnung stößt, wünscht sich schon lange eine beste Freundin. So teilt sich Sarah ihre Zeit mit den beiden auf und Eifersüchteleien und Unverständnis bleiben nicht aus. Doch es wird nie richtig darüber gesprochen, obwohl sich die Geschwister nahestehen. Auch mit den Eltern haben die beiden Geschwister wenig innigen Kontakt, sind eher auf Abstand. Dass Sarah anders ist als andere Menschen erspüren, die beiden schon von Anfang an - sie treffen sie immer nur im Wald und oft in der Nacht - können diese Andersartigkeit aber nicht recht fassen. Erst als Sarah Margarete sagt, warum sie gekommen ist, wird noch einmal alles anders.
Der Autor schafft mit seinem Schreibstil eine beklemmende Atmosphäre, die noch durch die dunklen Schwarz-Weiß-Zeichnungen der Illustratorin am Anfang jeden Kapitels verstärkt wird. Diese ist teilweise nur schwer auszuhalten, zumal die Dinge im Buch zwischen den Protagonisten oft nicht angesprochen, sondern weggelächelt oder verschwiegen werden. Beim Lesen entsteht eine Ahnung davon, was es mit Sarah auf sich haben könnte. Hierbei wird eine wachsende Spannung durch immer wieder neue Wendungen um ihre Person herum erzeugt, z. B. durch das Auftauchen ihrer Geschwister, die Erwähnungen ihres Vaters, die stets nebulös bleiben, und die Raben. Auch der Wechsel der Geschwister von ihrer „normalen“ Welt, wie sie jeder Teenager kennt (Schule, Freunde, Handy, etc.), in die „märchenhafte“ Welt ihres Zuhauses dort am Wald, in dem sie auch vor Sarahs Besuch alleine umherstreifen, und deren Atmosphäre durch Sarah noch verstärkt wird, erzeugen beim Lesen eine eigene Spannung zu wissen, um was es geht und was geschehen wird.

Die Geschichte wird aus der Ich-Perspektive von Josua aus erzählt, so dass die Lesenden auch hauptsächlich seine Sicht der Abläufe wahrnehmen und Margaretes Gefühle und Gedanken nur erahnen können. Josua liest heimlich in Margaretes Tagebüchern, um zu erfahren, was sie beschäftigt und was sie mit Sarah unternimmt. So erfahren auch die Lesenden mehr von ihr.

Wie schon erwähnt, verstärken und unterstreichen die Zeichnungen der Künstlerin die düstere Stimmung des Buches, das der Autor aus seiner Lebenssituation heraus geschrieben hat (s. Danksagung S. 237). Treffsicher nimmt sie den Kapitelinhalt in ihren teils verwaschenen stets in Schwarz und Weiß gehaltenen Zeichnungen auf. Dabei wirken manche wie Collagen, manche auch, als ob noch andere Materialien (z. B. zerknittertes Papier für den Untergrund) verwendet wurden oder wie Aquarellzeichnungen. Die Kapitelzahlen sind stets von einer anderen kleinen Vignette umrahmt.

Durch die Bilder und die von außen rot gefärbten Seiten wirkt das Werk edel, fast wie ein Künstlerbuch. Man möchte es in die Hand nehmen und lesen. Allerdings fehlt vorne auf der ersten Seite meiner Meinung nach eine Triggerwarnung für psychisch beeinträchtige Menschen.

Ein sehr schönes Jugendbuch mit einer interessanten, mal ganz anderen Geschichte, für das die Leser*innen aber in guter Stimmung sein müssen.


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Veröffentlicht am 05.04.2024

Nicht verbiegen

Yuna und die Sache mit dem Mögen
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Yuna ist ein kleiner Hund, fast noch ein Welpe, und alle mögen sie, (denn wer findet Welpen nicht niedlich?). Aber mögen sie wirklich alle?
Yuna tollt durch ihre kleine Welt und ist glücklich, denn alle ...

Yuna ist ein kleiner Hund, fast noch ein Welpe, und alle mögen sie, (denn wer findet Welpen nicht niedlich?). Aber mögen sie wirklich alle?
Yuna tollt durch ihre kleine Welt und ist glücklich, denn alle Menschen und Tiere mögen sie. Nur ihr einer Nachbar und seine Katze scheinen Yuna nicht ausstehen zu können. Dabei hat der Nachbar so schön Querflöte gespielt. Diese Musik möchte Yuna zu gerne noch einmal hören.
Da Yuna es nicht gewohnt ist, dass sie jemand nicht mag, holt sie sich Rat bei ihren Hundefreunden und versucht vieles, damit ihr Nachbar sie mag, aber es geht alles schief. Erst als Yuna durch den Rat der Gartenvögel erkennt, dass sie sich nicht verbiegen sollte, um jemandem zu gefallen, kann sie sich auch mit dem Nachbarn und seiner Katze annähern.
Die Autorin und Illustratorin hat hier ein Bilderbuch mit einer klaren Botschaft und kindgerechten, drolligen Bildern geschaffen, die dem/der kleinen Leser*in sagen: Nicht jeder muss dich mögen, sei einfach du selbst und verbieg dich nicht.
Natürlich lässt sich hier im Bilderbuch dann auch der Nachbar von Yunas Fröhlichkeit anstecken, was im realen Leben ja leider nicht immer geschieht, aber die Persönlichkeit des Kindes wird durch die Geschichte gestärkt.
Vielleicht ist es für manche Kinder auch leichter die Problematik durch die Augen eines herzigen, kleinen Hundes zu verstehen. Jedoch zeigt die Autorin und Illustratorin durch ihre Bilder auch die Verschiedenartigkeit: einmal durch die heterogenen Hunderassen von Yunas Freunden, den sehr verschiedenartigen Gartenvögeln (schön zu sehen auf den Klappeninnenseiten), aber vor allem durch die Menschenfamilie, bei der Yuna lebt. Hier werden ganz klar ein älteres Mädchen mit Rock und Dutt und ein kleiner Junge gezeigt, aber das „Mittelkind“ könnte sowohl ein Junge als auch ein Mädchen sein. Es hat halblange, dunkle Haare und ist ganz in schwarz gekleidet. Also auch hier: Sei einfach du selbst, sei, wie du bist! Die Mutter der Kinder wird in blauer Latzhose mit Bleistift hinterm Ohr und Säge in der Hand auf der ersten Seite gezeigt – sie hat wohl die neue Hundehütte gebaut. Ein Vater taucht nicht auf.
Die klaren Bilder nehmen stets mehr Raum ein als der Text, sind mal klein, mal über die ganze Seite oder auch Doppelseite gezeichnet und immer in kräftigen, bunten Farben gehalten. Der Text ist in kindgerechter Sprache in meist kurzen Sätzen verfasst.
Wer sein Kind in seinem ihm eigenen Wesen bestärken möchte, kann dieses Bilderbuch gut einsetzen.

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Veröffentlicht am 03.03.2024

Rasant und mitreißend

Der Lärm des Lebens
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Jörg Hartmann schreibt so, wie er spielt: Rasant, mitreißend, voll in der Geschichte drin! Schon der Prolog, die Beschreibung wie er und sein Freund eine bekannte Regisseurin belauern und schließlich auf ...

Jörg Hartmann schreibt so, wie er spielt: Rasant, mitreißend, voll in der Geschichte drin! Schon der Prolog, die Beschreibung wie er und sein Freund eine bekannte Regisseurin belauern und schließlich auf sie zugehen, um ein Engagement an ihrem Theater, der Schaubühne in Berlin zu bekommen, ist in einem atemberaubenden Tempo geschrieben und ich habe mitgefiebert und mich gefreut, dass sie es geschafft haben.
Sehr offen und ehrlich schreibt der Autor über seine Gefühle und Gedanken zu wichtigen Stationen seines Lebens: über seinen demenzkranken, sterbenden Vater, seine Kinder, seine Ehen und natürlich die Schauspielerei. Dabei erzählt er nicht stringent von seiner Geburt bis zu seinem Tod, sondern verbindet in Rückblenden und Zeitspiralen, was erlebt und erlebt hat. Dazu bezieht er auch das Leben seiner Eltern und Großeltern, die ihn alle geprägt haben, mit ein, so dass das Buch von den Zeiten des zweiten Weltkriegs über die Wirtschaftswunderjahre, die Wende und den Angriff auf die Twintowers bis in unsere Gegenwart mit Maske und Corona reicht. So umreißt er mit der sehr persönlichen Erzählung seines Lebens auch die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
Dabei „hält Hartmann immer die Balance zwischen Tragik und Komik“ (Klappentext des Buches) mit seinem ganz eigenen Humor. Oft hinterfragt er sich, sein Leben und seine Gedanken dazu. „Es geht ihm darum, den Kreislauf des (seines) Lebens zu fassen“ (Klappentext) und die Leser*innen dabei mitzunehmen in den „Lärm des Lebens“.
Das Cover mit dem hochgeworfenen Jungen, der fröhlich juchzt, sieht eher nach „der Leichtigkeit des Lebens“ aus, ist aber wohl nur ein Sinnbild für das, was es auch im „Lärm des Lebens“ gibt: Freude, Spaß, Liebe und Miteinander.
Eine lesenswerte „Biographie“!

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Veröffentlicht am 09.02.2024

Traumhaft!

Die Traumspinnerin
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Jedes Kind möchte irgendwann wissen, was nachts geschieht, wenn es selber schläft. So auch Luca und so geht Papa mit ihm/ihr los, um die Welt nachts zu erkunden. Da auch Lucas Mama nachts arbeitet, entdecken ...

Jedes Kind möchte irgendwann wissen, was nachts geschieht, wenn es selber schläft. So auch Luca und so geht Papa mit ihm/ihr los, um die Welt nachts zu erkunden. Da auch Lucas Mama nachts arbeitet, entdecken sie ihre traumhafte Aufgabe gleich mit.
Die Erzählung beginnt mit einer Doppelseite, die in kleinen Bildern von Lucas Tag erzählt, der mit schönen Erlebnissen - wie eine Holzbude bauen, Naturdinge sammeln, Rinder streicheln, die Nachbarin besuchen und sich Wolkennamen ausdenken - ausgefüllt war.
Auf der nächsten Doppelseite ist Lucas Zimmer zu sehen, denn Mama und Papa bringen sie/ihn ins Bett. (Die Figur ist mit Absicht zur Idenfikation für jedes Kind geschlechtsneutral gehalten.) Das Zimmer ist von der Illustratorin sehr fantasievoll eingerichtet gemalt worden als ein Zimmer unterm Spitzdach mit großem Fenster – ein traumhaftes Kinderzimmer. Es ist auch nicht perfekt aufgeräumt, aber auch nicht komplett unordentlich. So erzählt die Zeichnerin eine eigene Geschichte über den Text hinaus.
Auf der folgenden Doppelseite ist die Mutter, wie die Leser*in aus dem Text entnehmen kann, zur Arbeit gegangen und Luca löchert Papa mit Fragen, was denn alles nachts geschieht. Hierbei wird der Text in bunten Denkblasen über Lucas Kopf miterzählt.
Papa geht mit Luca los in die Nacht, um zu entdecken, was zu dieser Zeit geschieht. Die Illustrationen dazu sind sehr ansprechend in gedämpften Tönen gehalten, traumhaft schön! So entdeckt Luca mit Papa was die Rinder, die Blumen, der Fuchs, die Igel, die Schwäne und einige Menschen nachts tun. Immer fragt Luca: „Macht Mama das auch?“ „Ja“, antwortet Papa jedes Mal.
Auf einmal kommen die beiden zu einer kleinen Backsteinfabrik inmitten einer Blumenwiese. Aus dem Schornstein steigt bunter Rauch in Form von verschiedenen Tieren und Blumen auf. Als sie hineingehen, entdeckt Luca, was seine Mama nachts macht: Sie spinnt Träume und schickt sie in die Welt.
„Eine poetische Geschichte und bezaubernde Bilder nehmen uns mit auf eine traumhafte Reise und geben uns eine überraschende Antwort auf die Frage, woher unsere Träume stammen.“ (Zitat aus dem Beschreibungstext des Verlages.)
Schon die beiden Coverinnendoppelseiten vorne und hinten erzeugen durch die Violett- und Rosatöne eine traumhafte Kulisse für die Geschichte.

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Veröffentlicht am 29.01.2024

Bedenke, Mensch, die Folgen deines Handelns!

Der Stich
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Thilo Winter schreibt mit der „Stich“ einen realitätsnahen Thriller, in dem es zuerst um genmanipulierte Mücken geht, die von einem skrupellosen Konzern ausgesetzt wurden. Durch aus der Umwelt als Larve ...

Thilo Winter schreibt mit der „Stich“ einen realitätsnahen Thriller, in dem es zuerst um genmanipulierte Mücken geht, die von einem skrupellosen Konzern ausgesetzt wurden. Durch aus der Umwelt als Larve aufgenommene bestimmte Antibiotika verbreiten sie nun tödliche Bakterien. Nebenbei behandelt der Autor noch das Thema (illegale) Migration aus Kuba in die USA.
Die Rasanz der Beschreibungen von Inez Flucht aus Kuba, der Flucht vor der Polizei und des Geschehens im Gerichtsgebäude hat mich sofort in die Geschichte hineingezogen. Was für ein Auftakt! Zwischendurch verliert die Geschichte etwas an Fahrt, dafür wird die Bedrohung durch veränderte Mücken sehr detailgetreu beschrieben, so dass man sie förmlich spüren kann (Jucken!).
Der Autor führt sehr viele verschiedene Personen in seinem Roman ein, so dass die Leserin sehr am Ball bleiben muss, um alle Handlungsstränge exakt verfolgen zu können. So kann sie aber auch verschiedene Sichtweisen auf das Geschehen kennenlernen.
Seine Hauptpersonen bleiben aber immer die gleichen. Ines, eine Migrantin aus Kuba, ist eine toughe Frau, aber auch Quito, ein Biologiestudent, weiß, was er tut und versucht Schlimmeres abzuwehren. Zusammen mit Quitos Familie, dessen Vater stellvertretender Leiter der örtlichen Polizeidirektion ist und seinem Sohn erst nicht glauben kann, wie dramatisch die Lage schon ist, verhindern sie ein weiteres Ausbreiten der Mücken. Leider kommen vorher noch sehr viele Menschen um.
Die präsentierte Lösung ist zum Glück sehr umweltfreundlich und -schonend, nachdem vorher schon andere, schnellere, aber auch viel schädlichere Möglichkeiten beschrieben wurden. Es ist gut, dass der Autor hiermit darauf hinweist, dass nicht alles, was kurzfristig hilft, auch nachhaltig ist.
Der Autor hat seinen Thriller fest in der Wirklichkeit verankert, was das sehr informative Nachwort noch einmal nachdrücklich darlegt. Das Cover in seiner Schlichtheit passt somit auch sehr gut zum Titel und zur Geschichte.
Insgesamt ein spannender Thriller mit leichten Schwächen, der uns vor Augen stellt, was es bedeuten kann, wenn der Mensch „einfach mal wieder so“ in die Natur eingreift.

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