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Veröffentlicht am 11.02.2024

Geheimnis um Baby Mia

Trust Me – Ein Kind. Eine unmögliche Entscheidung. Wem traust du?
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Es ist eine Zufallsbegegnung, die das Leben der ehemaligenn Navy-Offizierin Ellen in T.M. Logans Thriller "Trust me" auf den Kopf stellt. Eine unbekannte junge Frau bittet sie, kurz auf ihr Baby, die drei ...

Es ist eine Zufallsbegegnung, die das Leben der ehemaligenn Navy-Offizierin Ellen in T.M. Logans Thriller "Trust me" auf den Kopf stellt. Eine unbekannte junge Frau bittet sie, kurz auf ihr Baby, die drei Monate alte Mia, aufzupassen, während sie ein Telefongespräch führen muss. Für Ellen, die gerade in einer Fruchtbarkeitsklinik erfahren hat, dass sich ihr eigener Kinderwunsch nicht erfüllen lässt, eine bittersüße Aufgabe. Doch dann sieht sie, dass die junge Mutter bei einem Halt auf dem Bahnsteig steht und verschwindet. Im Rucksack der Frau findet Ellen Babysachen und ein kurzes Schreiben mit der Bitte, sich um die Kleine zu kümmern und niemandem zu trauen, auch nicht der Polizei.

Ellen ist verunsichert - wer ist die Kleine, und warum könnte sie in Gefahr stecken? Warum hat ein Mitreisender ein Foto mit seinem Handy gemacht und scheint sie beim Ausstieg in London zu verfolgen? Schon allein dieses Verhalten scheint Ellen so merkwürdig, dass sie das kleine Mädchen zum nächsten Polizeirevier bringen will, doch ehe sie dazu kommt, lauert ihr ein bewaffneter Fremder auf....

Ellen gerät nicht nur vorübergehend in Verdacht, Mia entführt zu haben, sondern fühlt sich mit dem kleinen Mädchen, um das sie sich einige Stunden gekümmert hat, tief verbunden. Wo ist Mia jetzt, und ist sie womöglich in Gefahr? Wer sind die gefährlich wirkenden Männer, die so ein Interesse an der Kleinen zu haben scheinen? Und was hatte die Warnung vor der Polizei zu bedeuten?

Ellen stellt eigene Nachforschungen an und muss feststellen, dass plötzlich auch ihre eigene Sicherheit in Gefahr zu sein scheint. Ist Mia der Schlüssel zur Aufklärung eines Verbrechens ? Mit Hilfe ihrer besten Freundin, einer Journalistin in Elternzeit, versucht Ellen mehr heraus zu finden und sicher zu stellen, dass Mia keine Gefahr droht. Doch bald weiß sie nicht, wem sie noch vertrauen kann....

"Trust me" ist ein Suspense Thriller, der ein bißchen an die Thriller von Alfred Hitchcock erinnert - eine ganz normale Bürgerin, die aus ihrem Alltag heraus in eine Situation gerät, in der es plötzlich um Leben und Tod gehen könnte. Ellen ist eine glaubwürdige Protagonistin, keine Superfrau, sondern eine Frau in mittleren Jahren, deren Leben gerade durch Umstände aus der Bahn geworfen wurde, die sie nicht zu verantworten hat und die in einer schwierigen Situation über sich hinauswächst. Gleichzeitig präsentiert der Autor gleich mehrere glaubwürdige Verdächtige und lässt die Spannung bis zu einem dramatischen Countdown anwachsen. Ein Buch für Freunde des klassischen Kriminalthrillers.

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Veröffentlicht am 10.02.2024

Psychothriller an der Küste von Cornwell

You Let Me In
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Cornwall, das kann der Hintergrund zu romantischer Unterhaltung a la Rosemary Pilcher sein. Wenn die Autorin Lucy Clarke heißt, dann lässt sich allerdings erwarten, dass sich leises Grauen in die wildzerklüftete ...

Cornwall, das kann der Hintergrund zu romantischer Unterhaltung a la Rosemary Pilcher sein. Wenn die Autorin Lucy Clarke heißt, dann lässt sich allerdings erwarten, dass sich leises Grauen in die wildzerklüftete Landschaft ausbreitet - und im Fall von "You let me in" werden diese Erwartungen nicht enttäuscht. Schriftstellerin Elle hat sich ihr Traumhaus an der Küste von Cornwall geschaffen - einsam gelegen, hoch auf den Felsen mit Blick über das Meer.

Die scheinbar perfekte Welt hat allerdings auch ein paar Schattenseiten: Elles Ehe ist zerbrochen, das Haus ist nicht abbezahlt, die Mahnungen häufen sich. Und obendrein leidet sie unter einer Schreibblockade, obwohl sie bald ihren zweiten Roman abliefern muss. Nur dann kann sie hoffen, ihrer finanziellen Misere zu entkommen.

Doch seit Elle von einem Autorenworkshop in Frankreich zurück ist, ist die Arbeit am Roman noch schwieriger geworden. Sie hat ihr Haus in dieser Zeit als Airbnb vermietet - doch plötzlich hat sie das Gefühl, dass eine fremde Präsenz in ihr Haus eingedrungen ist. Merkwürdige Vorkommnisse häufen sich, für die es scheinbar harmlose Erklärungen gibt, doch Elle ist sicher - jemand ist in ihr Haus eingedrungen, jemand beobachtet sie, ist immer noch da. Oder bildet sie sich das alles nur ein, wie ihr Umfeld zu glauben scheint?

Clarke baut geschickt Suspense-Momente auf, lässt die Leser*innen mit Elle zweifeln und hinterfragen. Dass Elle zudem ganz in einer Social Media-Welt lebt, in der sie wie unter Zwang ihren Alltag und ihr Leben mit ihren Followern teilt, hinterfragt sie viel zu lange nicht. Wie viele Informationen hat sie geteilt, die für einen Stalker Gold wert sind?

Neben der Haupthandlung gibt es Rückblenden in Elles Vergangenheit als Studentin, in der es ein traumatisches Vorkommnis gab. Hat die Vergangenheit sie eingeholt? Und wer ist der oder die Unbekannte, deren Perspektive in weiteren eingeschobenen Kapiteln zu lesen ist, jemand, der nun mit Elles Ängsten spielt wie eine Katze mit einer gefangenen Maus?

Dieser Psychothriller kommt ohne Gewalt aus, es ist vielmehr das leise Grauen einer Frau, die sich fragen muss, ob sie sich etwas einbildet oder tatsächlich jemanden in ihrem Haus hat. Die Atmosphäre von Angst und Paranoia verdichtet sich und sorgt für reichlich Spannung. Dabei hält die Autorin die eine oder andere Überraschung parat.

Für spannende Unterhaltung ist Lucy Clarke mal wieder eine Garantie. Das Konzept ist auch in diesem Psychothriller wieder aufgegangen.

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Veröffentlicht am 02.02.2024

Weiterleben nach dem Anschlag

43 Kugeln und 9 Rosen
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Es gibt Daten, die brennen sich ins Gedächtnis ein - der 11. September, der Tag des Mauerfalls. Aber eben auch der 19. Februar, der Tag des Terroranschlags von Hanau. Vielleicht nicht so global, aber für ...

Es gibt Daten, die brennen sich ins Gedächtnis ein - der 11. September, der Tag des Mauerfalls. Aber eben auch der 19. Februar, der Tag des Terroranschlags von Hanau. Vielleicht nicht so global, aber für die Menschen im Rhein-Main-Gebiet war es ein Tag, der das Gefühl von Sicherheit in der multikulturellen Gesellschaft der Region nachhaltig erschüttert hat. Das gilt um so mehr für Menschen wie Said Etris Haschemi: Er überlebte den Anschlag in der Arena-Bar schwerverletzt, sein jüngerer Bruder Nesar wurde getötet, ebenso wie acht andere junge Menschen an den beiden Tatorten. Sein Buch "Der Tag, an dem ich sterben sollte", ist eine Auseinandersetzung mit dem Anschlag und seinen Folgen, mit den Fragen der Angehörigen und Freunde, die im Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags nicht zu ihrer Zufriedenheit beantwortet wurden.

Hashemi hat mit der Initiative 19. Februar zusammengearbeitet, und das merkt man dem Buch teilweise an - immer dann, wenn Aktivist*innensprech und -dialektik die Erzählung überlagert. Viel eindringlicher sind die Teile des Buches, in denen er seine Erinnerungen an den Anschlag, die Zeit im Krankenhaus, die Trauer und das Trauma im Hanauer Stadtteil Kesselstadt schildert, in dem die Opfer lebten, in dem der Täter lebt und wo der Vater des Täters noch immer mit seinem aggressiven und feindseligem Verhalten Angehörige der Familien bedrängt. Das macht klar - Überleben heißt nicht einfach weiterleben, das ist unmöglich.

Hashemi zeigt die Verletzungen der Familien, die nicht nur Kinder, Geschwister, Freunde verloren haben, sondern sich auch von der Polizei und den Behörden im Stich gelassen fühlten. Ob das nun an rassistischen Grundhaltungen lag, wie die Initiative gerne unterstreicht, oder an schlichter Überforderung in einer Situation, wie sie auch die Polizisten und Rettungsdienste vor Ort noch nicht erlebt haben, macht für die Betroffenen vermutlich keinen Unterschied. Im Umgang mit den Familien ließen es die Behörden in der Tatnacht und den Tagen danach wohl an Sensibilität fehlen. Und manche Clashs waren vermutlich unüberwindbar - hier die Staatsanwaltschaft, die die Leichen für Obduktionen beschlagnahmte, da religiöse Vorschriften des Islam, dass Tote eigentlich innerhalb von 24 Stunden beigesetzt werden müssen.

Und immer wieder geht es auch um den Untersuchungsausschuss, im dem Hashemi und viele Angehörige Dauerbesucher waren, wo sie sich dem Narrativ von einem psychisch kranken Einzeltäter entgegenstellten, wo sie Versäumnisse wie den nicht besetzten Notruf und den verschlossenen Notausgang in der Arena-Bar anprangerten. Dass zumindest ein Teil der Toten unter anderen Umständen Flucht- und Überlebenschancen gehabt hätte, muss gerade für die betroffenen Familien extrem bitter sein.

Mit seinem Buch gibt Hashemi einen Eindruck vom davor und danach in seinem Leben, aber auch dem vieler migrantischer Menschen in Hanau und Region. Ein wenig geht es auch um migrantische Biografien, Ausgrenzungserfahrungen und Selbstbehauptung. Das Buch erscheint nur wenige Wochen vor dem vierten Jahrestag des Anschlags, an dem es nicht nur in Hanau heißen wird: Say their names.

Veröffentlicht am 29.01.2024

Liebe, Magie, Besessenheit

Love Will Tear Us Apart
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Es geistert wieder dämonisch in Manchester: Mit "Love will tear us apart" hat C.K. McDonnell den dritten Teil seiner Urban Fantasy Saga über die exzentrischen Macher der Zeitung "The Stranger Times" geschrieben ...

Es geistert wieder dämonisch in Manchester: Mit "Love will tear us apart" hat C.K. McDonnell den dritten Teil seiner Urban Fantasy Saga über die exzentrischen Macher der Zeitung "The Stranger Times" geschrieben - und er wird den Erwartungen seiner Fans erneut gerecht. Es hilft sehr, die Vorgängerbände gelesen zu haben und sowohl den Mitarbeiterstab wie auch die Abenteuer der "Stranger Times"-Belegschaft mit übernatürlichen Wesen zu kennen. Ist das nicht der Fall, könnte manches etwas verwirrend sein. Wobei: Verwirrung gehört für die Protagonisten doch eigentlich zum Alltag, haben sie es doch regelmäßig teils mit Spinnern, teils mit Wesen zu tun, die nicht ganz von dieser Welt sind. Mal ganz abgesehen von Mitarbeitern, die nur noch als Geister in der Redaktion herumspuken!

Diesmal ist die Redaktion, wenn schon nicht kopf- , dann vor allem führungslos. Hanna, die stellvertretende Chefredakteurin und bislang Garantin für eine gewisse Stabilität, hat kurzfristig gekündigt. Vincent, der reizbare, cholerische Chefredakteur, ist noch launischer als sonst, wobei ständiger Schlafmangel noch dazu beiträgt. Vor allem aber ist er regelrecht besessen von der Vorstellung, dass seine tote Frau gar nicht tot ist und er sie aus einer schlimmen Lage befreien muss. Wie weit würde er dafür gehen? Und was geht in einem Selbstoptimierungs-Retreat vor sich, in dem Hanna zu Gast ist, um vielleicht ihrem Ex-Mann doch noch eine Chance zu geben?

Ein verschwundener Verschwörungstheoretiker, ein Wellness-Tempel mit Gehirnwäsche und Sehnsüchte nach Unsterblichkeit sind nur einige Herausforderungen, denen sich das Team der "Stranger Times" diesmal stellen muss. Stella, jüngstes Mitglied der Redaktion, steht dabei vor ganz besonderen Herausforderungen wie auch Einsichten über sich selbst. Werden alle Geheimnisse gelüftet? Da ein vierter Band in Aussicht steht, hat McDonnell wohl noch einige Ideen in petto. So viel darf verraten werden: Langweilig wird es mit dem schrägen Personal und britischem Humor der Romanreihe auch diesmal nicht.

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Veröffentlicht am 26.01.2024

Mord in der Algonquin Bay

Kanadische Wälder
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Die Inuit mögen eine große Zahl von Wörtern über Schnee, Eis und Winter haben, aber Giles Blunt schafft es auch ohne das indigene Vokabular, in seinem Kriminalroman die Bilder einer eisigen kanadischen ...

Die Inuit mögen eine große Zahl von Wörtern über Schnee, Eis und Winter haben, aber Giles Blunt schafft es auch ohne das indigene Vokabular, in seinem Kriminalroman die Bilder einer eisigen kanadischen Winterlandschaft an den großen Seen Ontarios erstehen zu lassen. Sein Buch "Kanadische Wälder" ist von Nebel, Eisregen und einem harschen Winter in Algonquin Bay geprägt. Der Polizist John Cardinal muss sich hier nicht nur mit den Missetaten des "dümmsten Gauners aller Zeiten" herumschlagen, sondern auch mit der Sorge um einen herzkranken Vater, der sich als ziemlich beratungsresistent gegenüber medizinischen Ratschlägen erweist, und der Sorge um seine psychisch kranke Ehefrau, der er Belastungen ersparen will.

Das überschaubare Kleinstadtleben erfährt aber nicht nur durch den Wintereinbruch eine Wende, sondern auch durch die angefressenen Leichenteile, die in den Wäldern gefunden wurden. Hungrige Bären haben sich offenbar aus dem Winterschlaf aufgerappelt, doch bei dem Toten handelt es sich nicht um einen verlorenen Wanderer oder Jäger, sondern offenbar um ein Mordopfer.

Die Ermittlungen bringen Cardinal nicht nur in Kontakt zur ungeliebten Konkurrenz der Mounties, als sich herauskristallisiert, dass der Tote Amerikaner ist. Auch der kanadische Geheimdienst mischt plötzlich mit und scheint die Ermittlungen der örtlichen Polizei vor allem zu behindern. Cardinals Kollegin ermittelt unterdessen in einem Vermisstenfall und plötzlich steht die Frage im Raum, ob die beiden Fälle womöglich in Verbindung zueinander stehen.

Einziger Hinweis auf ein mögliches Tatmotiv beim Fall des Amerikaners ist ein Negativ aus den 1970-er Jahren, das zur Separatistenbewegung in der Provinz Quebec in jener Zeit, führt, zu Terrorzellen und Entführungen. Doch warum wird das 30 Jahre später wieder wichtig?

"Kanadische Wälder" ist mehr als nur ein Krimi, das Buch erklärt auch viel über Kanada, den alten Widerstreit zwischen Anglo- und Francophonen, die Gegensätze zwischen Provinz und Großstadt, zwischen Kanadiern und US-Amerikanern. Cardinal ist ein komplexer Charakter, ein eigentlich anständiger Mann, der aber auch einen schweren Fehler gemacht hat und noch immer mit den Folgen hadert. Hinzu kommt die Beschreibung des Eissturms, der Algonquin Bay in Dunkelheit und Kälte legt, und in dem Cardinals Heim zur Zufluchtsstätte von Nachbarn ohne Strom und Heizung wird, die sich um den Holzofen der Cardinals scharen. Das trägt zu einer ganz besonderen Atmosphäre dieses Buchs bei. Es handelt sich um den zweiten Band einer Reihe, doch auch mit Rückgriffen auf die Vergangenheit lässt es sich als Standalone gut lesen.

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