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Veröffentlicht am 24.02.2024

Krankhafte Besessenheit

Mörderfinder – Stimme der Angst
1

Der Fallanalytiker Max Bischoff ermittelt in seinem nunmehr vierten Fall. Bei der Beerdigung des von ihm sehr geschätzten Professors Bormann glaubt Max seinen Augen nicht zu trauen, sieht er doch das Ebenbild ...

Der Fallanalytiker Max Bischoff ermittelt in seinem nunmehr vierten Fall. Bei der Beerdigung des von ihm sehr geschätzten Professors Bormann glaubt Max seinen Augen nicht zu trauen, sieht er doch das Ebenbild seiner einstigen großen Liebe Jenny, die seit nunmehr fünf Jahren tot ist. Nicht nur er starrt diese Frau an, auch sie scheint ihn zu kennen. Dies lässt ihm keine Ruhe und so lädt er sie zum Kaffee ein, sie stellt sich ihm als Dominique Klauber vor.

Jenny ist damals auf grausame Weise ums Leben gekommen, diese Begegnung am Friedhof reißt alte Wunden auf und ist der Anfang einer ganzen Serie von Ungereimtheiten – sein ehemaliger Kollege und alter Freund Böhmer verschwindet ebenso wie Jana, eine junge Kommissarin, die Max auch privat sehr gerne sieht. Auch sorgt er sich um Dominique, deren Freund nicht nur eifersüchtig, sondern auch sehr gewalttätig ist.

Natürlich begegne ich auch hier Marvin Wagner, den grandiosen Psychologen, dem man seine Brillanz auf den ersten Blick nicht ansieht, denn er fällt schon allein optisch aus dem Rahmen. Auch mischt Eslam Keskin mit, die Leiterin des KK11 und noch einige andere – alle sind sie mir mittlerweile wohl vertraut. Max bittet Marvin um Mithilfe, da ihm die Zeit davonläuft und er auch wegen Kriminalrätin Keskin nicht recht vorwärts kommt. Sie torpediert ihn, bremst ihn aus und meint dann lapidar, dass er als Zivilperson nichts zu melden habe. „Man könnte sagen, wir stehen am Fuße von Mount Bullshit“ fasst Marvin all die Merkwürdigkeiten und all die unbeantworteten Fragen zusammen.

Neben der Ermittlungsarbeit lese ich auch von einer vermeintlichen Täterfigur. Die kurzen Abrisse sind in kursiver Schrift dargestellt und auch wenn ich Einblick in die Gedanken dieser unbekannten Figur erhalte, rätsle ich lange um deren Identität.

Max lässt sich auf ein Spiel ein, das für ihn zunehmend bedrohlich wird. Es sieht ganz so aus, als ob er die Marionette ist, deren Fäden andere in Händen halten. Krankhafte Besessenheit und manipulative Charaktere sind am Werk, auch blitzt hier KI durch, ein Stilmittel unserer Zeit.

Arno Strobels vierter Mörderfinder-Band hat schon allein auf den ersten Blick einen Wiedererkennungswert, das Cover passt sich hervorragend den Vorgängerbänden an. Er hat hier zwar nicht sein bestes Werk vorgelegt, trotzdem ist auch dieser Thriller ein spannendes, ein kurzweiliges Lesevergnügen, das ich am Stück konsumiert habe.

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Veröffentlicht am 22.02.2024

Russlands Intelligenzija

Das Philosophenschiff
1

Sein neuestes Buch führt Michael Köhlmeier nach Russland in die zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. In sogenannten Philosophenschiffen werden Russlands kluge Köpfe nach Europa deportiert. Das Regime ...

Sein neuestes Buch führt Michael Köhlmeier nach Russland in die zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. In sogenannten Philosophenschiffen werden Russlands kluge Köpfe nach Europa deportiert. Das Regime gewährt ihnen die Gnade des Exils, sie hätten auch direkt hingerichtet werden können.

Es ist der hundertste Geburtstag von Frau Professor Anouk Perleman-Jacob, zu dem der Schriftsteller auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin eingeladen wird. Am nächsten Tag um drei am Nachmittag erwarte sie ihn in ihrem Haus in Hietzing, das sagt sie ihm nach dem Dessert. „Ich habe mich über Sie erkundigt. Sie haben einen guten Ruf als Schriftsteller, aber auch einen etwas windigen…“ Und genau deshalb habe sie ihn ausgesucht. Es gefalle ihr, dass er Dinge erfindet und diese dann als wahr hinstelle, er seine Leser damit hinters Licht führe.

Und Anouk beginnt zu erzählen, sie geht ins Jahr 1922 zurück, da war sie vierzehn Jahre alt. Sie berichtet von ihrer neuen Wohnung in Sankt Petersburg, aus der alten wurden sie ausquartiert. Es war Bürgerkrieg, ein Krieg der Armen und Ungebildeten. Ihre Eltern gehörten zur Intelligenzija und gehörten zu denen, die auf das letzte Philosophenschiff verbracht wurden. Sie hatten sich an genaue Vorgaben zu halten, an die Liste dessen, was sie mitnehmen durften und selbst dann konnten sie sich nicht sicher sein, ob sie nicht doch an die Wand gestellt und einfach erschossen würden. Zwölf Passagiere waren es, die es auf diesen Dampfer geschafft hatten. Dieses Häufchen wurde auf diesem riesigen Schiff in der dritten Klasse untergebracht. Sie waren schweigsam, jeder in sich gekehrt, keiner wusste den Grund ihrer Reise, keiner kannte das Ziel.

Von diesen Philosophenschiffen, die missliebige Intellektuelle außer Landes brachten, hatte ich vorher noch nie gehört. Es hat mehrere dieser Schiffe gegeben, „unseres“ ist frei erfunden, auch Anouks Geschichte ist fiktiv und doch erzählt Michael Köhlmeier von den Verhältnissen in der damaligen Sowjetunion. Er hat seinen ganz eigenen Stil, Geschichte in Geschichten lebendig werden zu lassen. Seine hundertjährige Protagonistin ist zwar schon alt, im Kopf jedoch ist sie klar, auch wenn sie sich zuweilen verschmitzt und ein wenig erschöpft gibt. Sie erzählt nicht chronologisch und doch kommt sie gut vorwärts. So erfahre ich nicht nur von dieser Fahrt ins Ungewisse, auch wird mir das Russland dieser Jahre anschaulich und gut lesbar nähergebracht. Der Autor geht so weit, dass er Lenin auf diesem Schiff erscheinen lässt. Hier ist er nicht der machtbesessene Revolutionär, nein. Köhlmeier lässt ihn als kranken Mann im Rollstuhl auftreten. Dieses Bild eines gebrechlichen Lenin gefällt mir sehr gut, auch wenn mich so manche Episode ein wenig ratlos zurücklässt. Er flicht etwa eine Story um die RAF mit ein, die später dann im Sande verläuft. Solcher Nebenschauplätze hätte es in meinen Augen nicht unbedingt bedurft, Lenin und der Bolschewismus hätten vollauf genügt.

„Das Philosophenschiff“ bietet einen Einblick in die russische Geschichte um 1922. Gründlich recherchiert, wie es sich für einen wie Köhlmeier gehört. Dabei lässt er seine Protagonistin zurückblicken und vermengt ihre fiktiven Erinnerungen mit dem Historischen und es bleibt nicht aus, Parallelen zu heute zu ziehen. Das Buch regt zum Nachdenken an, ich habe es nach anfänglicher Skepsis dann doch gerne gelesen.

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Veröffentlicht am 21.02.2024

Griechische Mythologie – spannend aufbereitet

Elyssa, Königin von Karthago
1

Vergil hat zehn Jahre an Aeneis gearbeitet, einem Epos, das den troyanischen Helden Aeneas direkt nach Karthago führt und dort auf Elyssa trifft. Die beiden verlieben sich, die Götter lenken ihre Entscheidungen. ...

Vergil hat zehn Jahre an Aeneis gearbeitet, einem Epos, das den troyanischen Helden Aeneas direkt nach Karthago führt und dort auf Elyssa trifft. Die beiden verlieben sich, die Götter lenken ihre Entscheidungen.

Irene Vallejo hat sich dieser Mythologie angenommen, sie erzählt von Aeneas Ankunft, von Eros, der sie zusammenbringt und auch von den Intrigen gegen ihre Verbindung. Neben den beiden Liebenden erzählen Anna, Eros und Vergil. Eingebettet in die bekannte Mythologie entspinnt sich diese schicksalhafte Geschichte, jeder erzählt aus seiner ganz persönlichen Sicht, Anna etwa freundet sich mit Aeneas Sohn Julus an.

All dies beginnt mit Elyssas Flucht vor ihrem Bruder, dem wahnsinnigen König, der ihren Gatten töten ließ. Sie geht in einer Bucht an Land, es ist dieselbe Bucht, vor der später dann Aeneas Schiffbruch erleidet. Iarbas, der dort ortsansässige König, verspricht ihr bei ihrer Ankunft so viel Land, wie sie mit einer Ochsenhaut umspannen kann. Elyssa ist gewitzt genug, diese Tierhaut in dünne Streifen zu schneiden, um damit das spätere Karthago zu markieren. So Karthagos Gründungsmythos.

Die griechische Mythologie ist mir zwar nicht fremd, sie gehört aber nicht unbedingt zu meiner bevorzugten Lektüre und doch hat die Autorin es geschafft, mich ihm Rahmen dieser bekannten Geschichte mit ihrer einnehmenden Erzählweise zu fesseln. Die Idee, sie alle davon berichten zu lassen, gefällt mir gut. Auch bindet sie Vergil geschickt mit ein und selbst Eros hat seine durchaus amüsanten Auftritte. „Elyssa, Königin von Karthago“ – ein unterhaltsamer Lesegenuss.

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Veröffentlicht am 08.02.2024

Wendungsreich

Die Insel des Zorns
1

Nein, diese Geschichte habe ich wirklich noch nicht gehört. Da muss ich ihm, dem Erzähler, recht geben. „Um Mitternacht fielen in der Ruine drei Schüsse….“ Selbst diese Aussage verleitet mich dazu, zu ...

Nein, diese Geschichte habe ich wirklich noch nicht gehört. Da muss ich ihm, dem Erzähler, recht geben. „Um Mitternacht fielen in der Ruine drei Schüsse….“ Selbst diese Aussage verleitet mich dazu, zu behaupten, dass es sich hier um keinen Kriminalfall handelt, zumindest nicht vordergründig. Und ja, es ist eher eine Charakterstudie der etwas anderen Art.

Aber fassen wir zusammen. Der Schauplatz ist neben Zwischenstationen in London eine griechische Insel – Aura. Genannt nach der griechischen Göttin der Morgenröte. Dramatisches hat sich hier abgespielt, denn Lana Farrar, die ihre Hollywood-Karriere an den Nagel gehängt hat, hat eine kleine, exklusive Gesellschaft eingeladen. Sieben Freunde sollten mit ihr über Ostern auf ihrer Privatinsel Sonne tanken.

Der Erzähler, es war übrigens Elliot Chase, hat mich bestens eingeführt. Er hat sie mir alle vorgestellt, nicht der Reihe nach, eher zufällig. Wobei nichts dem Zufall überlassen wurde, zumindest meine ich dies. Neben Jason, Lanas Ehemann, ist auch Leo, ihr Sohn aus erster Ehe, angereist und auch Kate, ihre gute Freundin, Elliot sowieso. Denn wie sonst könnte er darüber berichten. Wären noch Agathie und Nikos, letzterer lebt ganzjährig auf dieser Insel und Agathie, die gute Seele, die Lana stets unterstützend zur Seite steht, vervollständigt diesen Personenkreis. Gut, kommen wir zurück auf die Insel. Sie ist klein, die nächstgelegene bewohnte Insel – es ist Mykonos – zwanzig Minuten mit dem Boot entfernt.

Alex Michaelides hat eine ganz eigene Art, seine Geschichten darzustellen. Es hat lange gedauert, bis er mit der Einführung fertig war, es ist nichts Großartiges passiert und doch hat er mich sofort abgeholt. Ja, seine subtile Erzählweise nimmt einen sofort mit, er sagt viel und hört dann auf, wenn man mehr wissen möchte, schildert etwa das Martyrium eines Mobbingopfers, das man meint, zuordnen zu können und doch nicht weiß, ob dies stimmen kann.

Man sollte sich auf „Die Insel des Zorns“ schon einlassen, aber dann wird einen ein wendungsreiches, feinsinnig und durchaus ein wenig spitzbübisch dargebotenes psychologisches Stück serviert, das bis zuletzt seinen wahren Kern nicht verrät, das durchgehend spannend ist, das gut unterhält.

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Veröffentlicht am 29.01.2024

„Wenn aus einem kleinen harmlosen Insekt eine tödliche Bedrohung wird…“

Der Stich
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…dann ist es höchste Zeit, darüber mehr zu wissen. Thilo Winter hat sich der Thematik angenommen und daraus einen spannenden Thriller gemacht. Als Wissenschaftsjournalist ist er mit der Materie bestens ...

…dann ist es höchste Zeit, darüber mehr zu wissen. Thilo Winter hat sich der Thematik angenommen und daraus einen spannenden Thriller gemacht. Als Wissenschaftsjournalist ist er mit der Materie bestens vertraut, denn Experimente mit gentechnisch veränderten Lebewesen sind durchaus im Bereich des Machbaren. „Der Stich“ bietet harte Fakten, vermengt mit Fiktion. Das Resultat ist eine Mückenplage der gefährlichsten Art, der Schauplatz sind die Florida Keys.

Inéz gelingt mit sieben weiteren Kubanern die Flucht mit einem nicht sehr vertrauenerweckenden Boot, sie landen vor Key West. Ihre einzige Chance, hier zu bleiben, macht die Einwanderungsbehörde zunichte, kurzentschlossen läuft sie los und stößt dabei unsanft gegen Quito, der kurz vorher vor Gericht um sein Stipendium gekämpft hat. Sein Antrag wurde abgelehnt, da er den Versuch mit genmanipulierten Mücken boykottiert hat. „DNArtists ist im Begriff, die Natur unserer Heimat zu zerstören.“ Im Gerichtssaal spielen sich dramatische Szenen ab, sein Anwalt liegt am Boden, der Richterin wird der Arm abgebunden, beide haben sie gut sichtbare Beulen, nicht nur Quito rennt schnellstens nach draußen.

Rasant geht es los und wie schon erwähnt, trägt DNArtists dazu bei, mit ihren Versuchen die Umwelt zu zerstören. Denn ihre genmanipulierten Mücken bleiben nicht auf dieser einen Insel, sie drängen vorwärts. DNArtists mit der Firmenchefin Madeleine und so einige, noch unbekannte Mitstreiter, auf der einen Seite gegen Quito und Inéz, die dank Quitos Vater auch die Cops an ihrer Seite wissen, geht es dramatisch, zuweilen zu drastisch, zur Sache. Und es melden sich auch Helden der eher eigentümlichen Art, die ihre absonderlichen Methoden für das Nonplusultra halten. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit und nicht nur die gefährlichen Mücken müssen aufgehalten werden.

Thilo Winter hat mich nach seinem Antarktis-Thriller „Der Riss“ wiederum gut unterhalten und nicht nur das, er hat mir nicht zuletzt in seinem sehr lesenswerten Nachwort zu „Der Stich“ viel Wissenswertes über die Mücken vermittelt, die ich so nicht für möglich gehalten hätte, hat wissenschaftliche Fakten in diesem kurzweiligen Thriller mit actionreichen Szenen vermengt. Rund um die Mückenstiche ist Thilo Winter ein rasanter Thriller gelungen, der übertreibt, überspitzt so manches Szenario darstellt, das schon zu denken gibt.

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