Ein gelungener Roman
Im Schatten zweier SommerVor 130 Jahren, am 2. September 1894, wurde Joseph Roth im galizisch-österreichischen Brody in der heutigen Ukraine geboren. Mit Romanen wie „Radetzkymarsch“ und „Die Kapuzinergruft“ schrieb er Literaturgeschichte. ...
Vor 130 Jahren, am 2. September 1894, wurde Joseph Roth im galizisch-österreichischen Brody in der heutigen Ukraine geboren. Mit Romanen wie „Radetzkymarsch“ und „Die Kapuzinergruft“ schrieb er Literaturgeschichte. Der deutsche Autor Jan Koneffke hat nun den Jugendjahren Roths einen Roman gewidmet. Zufall oder nicht? Ausgerechnet in jenem Haus, in der Rembrandtstraße 35, in der Wiener Leopoldstadt, in dem Joseph Roth in Untermiete bei der Familie Fischler lebte, hat auch der Autor (s)eine Wohnung gefunden.
Jan Koneffke erzählt die fiktive Liebesgeschichte zwischen Franziska „Fanny“ Fischler und Joseph Roth, die nur zwei Sommer lang dauern wird. Der erste Sommer ist jener im Jahr 1914, kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges und der zweite im Jahr 1938 in beider Exil in Paris.
Während der Wochen des ersten Liebessommers in Wien scheint Joseph Roth ein liebenswürdiger, jedoch ein wenig hilflos wirkender junger Mann zu sein, der aus der bitterarmen Ecke des Habsburgerreiches, Galizien, kommt. Zunächst in der Millionenstadt Wien ein wenig verloren wirkend, entwickelt er nicht allzu sympathische Charakterzüge. Ständig in Geldnot erzählt er unterschiedliche Unwahrheiten, anstatt einer bezahlten Beschäftigung nachzugehen. Die Trennung nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs ist unvermeidbar.
Als sich die beiden in Jahr 1938 in Paris zufällig in einem Büro für Emigranten wiedertreffen, erleben sie einige wenige Wochen voller Leidenschaft. Roth ist inzwischen ein gefeierter Literat. Alkoholmissbrauch und Depressionen haben den Schriftsteller zu einem eifersüchtigen Wrack werden lassen. Seine aktuelle Geliebte, Irmgard Keun, hat soeben die Flucht vor Roth ergriffen, als Fanny wieder in sein Leben tritt. Fanny leidet unter Roths extremen Gefühlsschwankungen und cholerischen Anfällen.
Diesmal ergreift sie die Initiative und trennt sich von Joseph Roth. Sie emigriert, nach dem die Situation in Paris für die Exilanten immer schwieriger wird, mit dem Arzt Maximilian Sasse in die USA. Joseph Roth stirbt am 27. Mai 1939 in Paris.
Meine Meinung:
Jan Koneffke ist hier ein interessanter historischer Roman gelungen. Geschickt verwebt er historisch Verbürgtes mit Fiktion zu dieser Liebesgeschichte.
Erzählt wird die Geschichte aus Sicht von Fannys Neffen in drei Teilen. Zunächst erleben wir Fanny als alte Dame, die aus ihrem Leben berichtet und ihm ihr altes Tagebuch sowie zehn besprochene Audiokassetten überlässt. Verwundert lauscht der Neffe der Liebesgeschichte mit Jospeh Roth. Im zweiten Teil dürfen wir die Tagebücher der Fanny zwischen Februar und August 1914 lesen. Im dritten und letzten Teil dürfen wir die Neuauflage der Liebesgeschichte zwischen Fanny und Joseph erleben. Beide haben sich in den mehr als zwanzig Jahren seit 1914 entwickelt.
Die Tagebücher der Fanny zwischen Februar und August 1914 sind „geschrieben wie gesprochen“ in einer Mischung aus dem Wienerischen und dem Jiddischen verfasst. Als Wienerin, die jahrelang im zweiten Bezirk, der Leopoldstadt, dem ehemaligen Judenviertel, gewohnt und gearbeitet hat, kenne ich natürlich die Örtlichkeiten recht genau.
Fazit:
Gern gebe ich diesem interessanten Roman rund um die fiktive Liebesgeschichte zwischen Fanny Fischler und Joseph Roth, die zweimal nur jeweils einen Sommer gedauert hat, 4 Sterne.