Schöne und peinliche Momente!
Eine lange Reise geht zu ende. Ein bisschen traurig bin ich jetzt schon, aber die Autorin hat es tatsächlich geschafft, das große Hin und Her der Liebesgeschichte zu einem zufriedenstellenden Ende zu bringen. ...
Eine lange Reise geht zu ende. Ein bisschen traurig bin ich jetzt schon, aber die Autorin hat es tatsächlich geschafft, das große Hin und Her der Liebesgeschichte zu einem zufriedenstellenden Ende zu bringen. Anders hätte ich es mir nicht wünschen können. Im Grunde genommen war es am Ende auch für mich als Leserin anstrengend durch die Höhen und vor allem die Tiefen der toxischen Beziehung der beiden zu gehen. Ich konnte sehr gut nachempfinden, wie Tessa sich fühlt. Aber aus Beziehungsproblemen eine vierbändige Reihe aufzubauen ist schon eine Nummer. Viele Wendungen hätte es meiner Meinung nach nicht gebraucht, andererseits fühlte es sich am Anfang jedes weiteren Teils so an, als würde ich wieder alte Freunde besuchen.
Anders als in den anderen Teilen wird in diesem der toxische Charakter der Beziehung groß thematisiert. Das ist auch dringend nötig. Aus dieser Perspektive betrachtet hat Anna Todd die Sache sehr gut gemacht, denn so dramatisch die vielen Streits der Protagonistin auch wirken, so realistisch sind sie dennoch. Es wurden zwar viele Klischees verbraten, aber weil wir das Paar so lange begleiten und zusammen mit ihnen viele unschöne Szenen erleben, verlieren sie an Perfektion und Glanz. Ich würde nicht mit Tessa tauschen wollen. So attraktiv Hardin auch wirkt, so anstrengend und dominant wie er ist, könnte er mir gestohlen bleiben. Aber in der Konstellation mit Tessa passt das. Auch wenn ich mich immer wieder gefragt habe, warum Tessa sich das eigentlich gefallen lässt, habe ich genug Beispiele in meinem eigenen Bekanntenkreis gefunden, die mir zeigen, dass das leider viel zu oft vorkommt.
Würde ich nun wollen, dass meine hypothetische Teenager-Tochter diese Reihe liest? Nun, es gibt viele erotische Szenen, die ein idealisiertes und falsches Bild vermitteln oder Jugendliche unter Druck setzen könnten. Davon abgesehen, wird die Beziehung zwar kritisch durchleuchtet, bietet aber dennoch viele fragwürdige Momente. Es könnte passieren, dass junge Leserinnen das Gefühl, geliebt und begehrt zu werden, mit wahrer Liebe verwechseln. Klar ist es schön, wieviel Aufmerksamkeit Hardin Tessa entgegenbringt, aber ist es das wert? Mir hat sich jedes Mal der Magen umgedreht, wenn Hardin besitzergreifend und väterlich mit Tessa umgegangen ist. Leider begegnet einem in heutigen Romanen viel zu oft der Typ "Daddy-Guy". In einer idealen Welt haben die 15-jährigen Mädchen, denen dieses Buch in die Hände fällt, bereits gelernt, wie man kritisch mit Texten umgeht. Da die Beziehung hier von der Autorin selbst kritisch behandelt wird, finde ich es sogar in gewisser Weise lehrreich, diese Reise zu durchleben, WENN es wenigstens noch aufklärerisches Nachwort der Autorin gegeben hätte. Doch das fehlt, was sehr schade ist. Denn das Ende macht leider wieder einen ziemlich unkritischen Eindruck. Gerade in diesem Genre muss man sehr sensibel schreiben, da sie junge Leser*innen stark beeinflussen können. Ständig vergleicht man sich, ob man will oder nicht, mit der Protagonistin.
Was mich wiedermal genervt hat, ist, dass Hardin und vor allem Tessa den Mittelpunkt der Menschen um sie herum darzustellen scheinen. Beinahe die ganze Romanwelt ist stets damit beschäftigt, deren Probleme zu lösen. Der arme Landon tut mir total leid!
Und auch die ständigen überempfindsamen, selbstaufopfernden inneren Dialoge der beiden Turteltauben haben hier und da meine Geduld herausgefordert, genauso wie mich einige Dialoge, die romantisch wirken sollten, lachen ließen. Aber dazu muss ich sagen, dass der Punkt bei mir auch sehr schnell erreicht ist.
Allgemein mag ich den Schreibstil der Autorin sehr gerne und finde, dass sie es schafft, Emotionen zu übertragen oder sogar zu erzeugen. Ich kann nachempfinden, welches (Hoch-)Gefühl sie beim Schreiben mancher poetischer Passagen hatte und welche Bedeutungen sie in bestimmte Wörter gesteckt hat, damit der Leser sie später auspackt und mit seinen eigenen Erfahrungen mischen kann. Aber hier und da hat mir das Fundament oder Witz gefehlt. Sieh selbst in den aufgeführten Zitaten.
Sehr gut an der gesamten Reihe hat mir die wechselnde Erzählperspektive gefallen.