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Veröffentlicht am 12.02.2024

Spannende Geschichte einer selbstbewussten Frau

Lil
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Markus Gassers „Lil“ ist ein Roman über Intrigen, Machtspiele und das New Yorker Leben um 1880. Sarah, eine New Yorkerin der Jetzt-Zeit, erzählt die Geschichte ihrer Urahnin Lil. Die Hauptfigur, Lillian ...

Markus Gassers „Lil“ ist ein Roman über Intrigen, Machtspiele und das New Yorker Leben um 1880. Sarah, eine New Yorkerin der Jetzt-Zeit, erzählt die Geschichte ihrer Urahnin Lil. Die Hauptfigur, Lillian Cutting, eine exzentrische Eisenbahn-Millionärin, wird nach dem Tod ihres Mannes durch einen Trick ihres Sohnes Robert gegen ihren Willen in einer Nervenklinik aufgenommen. Doch anstatt sich ihrem Schicksal zu ergeben, kommt sie durch ihre Intelligenz und Freunde, die ihre Hinweise richtig zu deuten wissen, frei und beschließt Rache an ihren mächtigen Feinden zu nehmen. Gasser erzählt die Geschichte mit erstaunlich großer Spannung, unerwarteten Wendungen und cleverer Komik. Einzelheiten um das New York der 1880er sowie die Darstellung der Diagnostik- und Behandlungsmethoden psychischer Krankheiten, insbesondere bei Frauen, sind genau recherchiert und zeichnen ein authentisches Bild der Zeit. Dazu gehört auch immer wieder Gewalt gegen Frauen, sowohl psychisch als auch physisch, hier wird nichts beschönigt oder ausgelassen. Die schonungslose Darstellung hatte ich so aus der Ankündigung allerdings nicht erwartet.

Schon im ersten Kapitel wird deutlich, wie packend der Roman erzählt wird. Obwohl der Plot der ersten beiden Kapitel aus der Ankündigung des Romans bekannt ist, gelingt es Gasser, durch spannende Wendungen die Spannung hochzuhalten. Fast alle Kapitel enden mit Cliffhangern.
Eine weitere positive Überraschung ist die faszinierende Darstellung der New Yorker Upperclass. Gasser zeichnet ein lebendiges Bild dieser Gesellschaftsschicht, das sowohl unterhaltsam als auch zugespitzt ist. Die Darstellung erinnert an andere literarische Werke, die sich mit der New Yorker Upperclass beschäftigen, und zeigt Gassers Talent, sich nahtlos in das Genre einzufügen.

Obwohl im Roman eine Vielzahl an Figuren vorkommen, die entweder Antagonisten von Lil sind oder sie unterstützen, bieten sich oft kleine, genauere Einblicke in die Vorgeschichte der verschiedenen Figuren, die dadurch größtenteils authentisch wirken und nur manchmal klischeehaft erscheinen. Besonders auffällig ist dabei, dass es oft kontrastierende Figuren gibt, deren unterschiedliche Wertvorstellungen und Persönlichkeiten sich plakativ voneinander abheben. Dadurch wird es aber einfacher, die vielen Figuren einordnen zu können. Unklar blieb für mich die Figur der Erzählerin Sarah, deren Schicksal mit einem zunächst nicht behandelten Krebsleiden an die Haupthandlung anknüpft, aber deren Darstellung trotzdem nicht an die schillernden anderen Figuren heranreicht.

Insgesamt ist „Lil“ von Markus Gasser ein fesselnder Roman, der durch seine packende Erzählweise, überraschende Wendungen und facettenreiche Charaktere überzeugt. Ein absolutes Muss für Fans von spannender Literatur und intelligent erzählter Kulturgeschichte.

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Veröffentlicht am 02.02.2024

Einblicke in unterdrückte Gefühlswelten

Krummes Holz
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"Krummes Holz" verwebt eine drückende und melancholische Stimmung, die den Leser emotional mitreißt und in ihren Sog zieht, mit der Geschichte von Jirka, der nach vielen Jahren zurück auf den Bauernhof ...

"Krummes Holz" verwebt eine drückende und melancholische Stimmung, die den Leser emotional mitreißt und in ihren Sog zieht, mit der Geschichte von Jirka, der nach vielen Jahren zurück auf den Bauernhof seiner Familie kommt. Der schwüle Sommer wird nicht nur durch die Hitze der Umgebung spürbar, sondern durchtränkt auch die zwischenmenschlichen Beziehungen mit einer erdrückenden Atmosphäre. Die vernachlässigten Räume des heruntergewirtschafteten Gutshofs spiegeln die zerrütteten Beziehungen der Familie wider, durch Linhofs bildreiche, kraftvolle Sprache bekommt man Einblicke in Jirkas Gefühlswelt.

Als Jirka ankommt, ist sein Vater nicht da, seine Schwester lebt an ihm vorbei und seine Oma aufgrund von Demenz in ihrer eigenen Welt, die Mutter ist schon vor langer Zeit verstorben. Dies alles hinterlässt eine Leere, die Jirka nicht füllen kann und die sich durch das gesamte Werk zieht. Die Wand des Schweigens, die von der dementen Großmutter und der unversöhnlichen Schwester aufgebaut wird, verstärkt das Gefühl der Isolation und Verlassenheit. Jirkas Rückkehr in diese beklemmende Umgebung lässt die Erinnerungen an eine gewalttätige Kindheit und eine depressive Mutter aufleben. Dann ist da aber noch Leander, der Sohn des alten Gutsverwalters.

Die unterdrückte Liebe zu Leander und die damit verbundene Komplexität der Beziehungen vertiefen die Melancholie des Romans. Die Enttäuschungen und gebrochenen Hoffnungen werden nicht nur erzählt, sondern förmlich durch die Seiten getragen, sodass der Leser mit jedem Wort tiefer in den emotionalen Strudel gezogen wird. "Krummes Holz" ist somit nicht nur ein Buch, sondern eine intensive Gefühlserfahrung, die den Leser mitnimmt und auf die man emotional vorbereitet sein sollte.

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Veröffentlicht am 23.01.2024

Poetisch und traurig

Himmelwärts
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"Himmelwärts" von Karen Köhler und Bea Davies entwirft eine anrührende Geschichte über Freundschaft, Verlust und die unendlichen Weiten des Universums. Bea Davies hat das Buch mit Illustrationen gestaltet, ...

"Himmelwärts" von Karen Köhler und Bea Davies entwirft eine anrührende Geschichte über Freundschaft, Verlust und die unendlichen Weiten des Universums. Bea Davies hat das Buch mit Illustrationen gestaltet, die eine einzigartige Atmosphäre schaffen und die Leser in die Welt der beiden Mädchen eintauchen lassen. Was die Illustratorin mit Bildern macht, macht Köhler mit Sprache: Poetisch und bildreich werden Toni und YumYum, zwei neugierige 10-jährige Mädchen dargestellt. Sie funken in einer klaren Sommernacht ins All, in der Hoffnung, eine Verbindung zu Tonis verstorbener Mutter herzustellen.
Einfühlsam wird nicht nur die Sehnsucht nach der verlorenen Mutter vermittelt, sondern auch eine tiefgehende Auseinandersetzung mit dem Dasein und den Wundern des Lebens auf der Erde. Denn per Funk begegnen Toni und YumYum unerwartet Astronautin Zanna auf der Raumstation. Dies führt zu philosophischen Gesprächen über das Leben.
Die Gestaltung des Buches, abwechslungsreich und künstlerisch, trägt dazu bei, die Handlung visuell ansprechend zu präsentieren. Allerdings könnte die Altersangabe der Protagonisten zu einer gewissen Diskrepanz führen, denn Wissensstand, Sprachstil und einige kulturelle Verweise auf die 1980er Jahre sind eher für ältere Kinder verständlich, die aber erfahrungsgemäß ungern Bücher über jüngere Kinder lesen, die noch zur Grundschule gehen. Das sollte man im Blick haben, wenn man den Roman z.B. verschenken will. Ebenso wichtig ist, zu wissen, dass Tonis Mutter erst kürzlich an Krebs gestorben ist, weshalb das Buch sehr traurig ist. Ich fände es wichtig, das auch auf dem Klappentext deutlicher zu erwähnen, damit man weiß, worauf man sich einlässt.
Insgesamt ist "Himmelwärts" deshalb vor allem ein wunderbares Kinderbuch für Erwachsene und leseerfahrene Kinder, die Freude an der poetischen sprachlichen und bildlichen Gestaltung haben.

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Veröffentlicht am 22.01.2024

Kunterbunt

Wir sind (die) Weltklasse
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„Wir sind (die) Weltklasse“ von Tanja Lieske und Sybille Hein entführt junge Leser ab 8 Jahren in die Welt der Kölner Straße im Ruhrgebiet. Hier hat Adam Opa sein polnisches Spezialitätengeschäft. Adam ...

„Wir sind (die) Weltklasse“ von Tanja Lieske und Sybille Hein entführt junge Leser ab 8 Jahren in die Welt der Kölner Straße im Ruhrgebiet. Hier hat Adam Opa sein polnisches Spezialitätengeschäft. Adam und seine Eltern sind nun ebenfalls von Polen nach Deutschland gekommen. Die Autoren präsentieren eine herzerwärmende Geschichte über Freundschaft, Zusammenhalt und die Herausforderungen, die das Eingewöhnen an einer neuen Schule mit sich bringen kann.
Die Erzählung beginnt mit Adams Ankunft in der neuen Klasse, wo er zum Glück schnell Anschluss findet. Die Lehrerin, Frau Meister, unterstreicht die Vielfalt der Schüler und betont, dass man mit dieser Klasse die Welt erkunden könne, ohne die Tür zu verlassen. Diese positive Grundstimmung zieht sich durch das gesamte Buch.
Die Handlung ist geprägt von verschiedenen Abenteuern, darunter ein turbulenter Museumsausflug, ein Schulfest mit Mäusealarm und eine gruselige Übernachtungsparty. Das ergibt Mischung aus humorvollen und lehrreichen Momenten, wobei mir teilweise der pädagogische Zeigefinger zu offensichtlich war.
Ein kritischer Blick auf das Buch offenbart zudem eine möglicherweise etwas überzeichnete Harmonie im Verhalten der Erwachsenen. Diese erscheinen stets kinderfreundlich und reagieren ideal auf die Bedürfnisse der Kinder. Diese überaus positive Darstellung könnte in der Realität als unrealistisch empfunden werden, aber andererseits vermittelt das Buch eine liebevolle Utopie über ein friedliches Zusammenleben.
Die äußere Gestaltung des Buches fällt positiv auf. Die hochwertige Papierqualität und die farbige Ausgestaltung der Seiten tragen dazu bei, dass das Buch nicht nur inhaltlich, sondern auch optisch ansprechend ist.
Insgesamt bietet „Wir sind (die) Weltklasse“ eine gelungene Mischung aus Unterhaltung und pädagogischem Wert. Es ist eine Empfehlung für Eltern und Lehrkräfte, die ihren Kindern positive Werte auf eine unterhaltsame Weise vermitteln möchten. Durch die episodische Struktur ist es auch gut zum Vorlesen geeignet.

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Veröffentlicht am 15.09.2024

Hafenstraße und Letzte Generation

Tage mit Milena
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„Tage mit Milena“ ist ein Roman, der eine Brücke zwischen der rebellischen Hausbesetzerszene der 1980er-Jahre und den heutigen Klimaaktivisten schlagen möchte. Im Mittelpunkt steht Annika, die ein ruhiges ...

„Tage mit Milena“ ist ein Roman, der eine Brücke zwischen der rebellischen Hausbesetzerszene der 1980er-Jahre und den heutigen Klimaaktivisten schlagen möchte. Im Mittelpunkt steht Annika, die ein ruhiges Leben in Lübeck führt, bis die Aktivistin Luzie plötzlich alte Wunden aufreißt und Annika mit ihrer Vergangenheit in der Hamburger Hafenstraße konfrontiert. Besonders gelungen finde ich den Versuch des Romans, den Aktivismus der Letzten Generation mit dem politischen Engagement der Achtzigerjahre in Verbindung zu setzen und so einen historischen Kontext für die aktuellen Protestbewegungen zu schaffen. Dieser Vergleich lädt die Leser*innen dazu ein, über die Entwicklung von politischem Widerstand und dessen verschiedene Formen nachzudenken.

Zu Beginn der Geschichte wirkten dabei auf mich leider einige Details etwas zu bemüht. Wenn Annika etwa ihren Mann als Teil der „slowflower Bewegung“ beschreibt und von ihren Einkäufen im Biosupermarkt spricht, wirken diese Anspielungen auf den modernen, ökologisch bewussten Lebensstil fast wie eine zu offensichtliche Konstruktion, um die Gegenwart zu beschreiben. Je tiefer die Geschichte jedoch in Annikas Vergangenheit und die Hausbesetzerzeit eintaucht, desto organischer und authentischer wirken die Charaktere. Die emotionale Tiefe der Figuren wird greifbar, besonders dann, wenn Annikas alte Freundschaften und ihre Beziehung zu Milena in den Fokus rücken.

Dennoch gibt es auch später im Roman Momente, in denen einige Handlungen der Charaktere zu sehr nach literarischem Kalkül anmuten. Manche Entscheidungen und Wendungen erscheinen etwas konstruiert. Dennoch ist „Tage mit Milena“ ein lesenswerter Roman, der nicht nur eine persönliche Geschichte über Freundschaft, Liebe und Verlust erzählt, sondern auch ein gelungenes Porträt zweier Generationen des Widerstands zeichnet. Insbesondere Hamburger:innen dürfte der Einblick in die Geschichte der Hafenstraße gefallen.

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