"Ich würde lieber sterben, als ein überflüssiges Leben zu führen."
"Die Altruisten" ist einer dieser Romane, die geradezu entspannend auf mich wirken, obwohl doch einiges erzählt wird. Aber die Sprache und Herangehensweise ist so entspannt und ruhig, dass selbst eine permanent unruhige Person wie ich plötzlich so etwas wie Entspanntheit erlebt. Mir hat dieser Roman auch deshalb sehr gefallen.
Sprachlich ist "Die Altruisten", das Debüt von Andrew Ridker, eine Wucht. Ridker nutzt eine tendenziell bildhafte Sprache, bleibt dabei aber stets präzise und passt seine Wortwahl den jeweiligen Charakteren an und schreckt dabei nicht davor zurück, Wortgebilde zu nutzen, um Beschreibungen zu verkürzen.
Herausgekommen ist dabei ein Werk, das einerseits eine sehr akademische, andererseits eine stark ironisierte Sprache verwendet, die mir einen Riesenspaß bereitet hat.
Die Geschichte selbst lässt sich kurz zusammenfassen mit: Arthur, ein Narzisst vor dem Herrn, steht kurz davor, das Haus zu verlieren, in dem er viele Jahre mit seiner Frau und seinen beiden Kindern verlebt hat. Die Frau - Francine - starb vor zwei Jahren, die Kinder - Maggie und Ethan - sind nach New York gezogen. Per Brief lädt er für ein Wochenende zu sich ein... und setzt alles daran, seine Kinder emotional an sich zu binden, damit sie ihm das Geld, das sie von Francine geerbt haben, überlassen.
Ridker geht es inhaltlich langsam an. Immer wieder gibt es Rückblenden, in denen wir nach und nach die Hintergründe zu Francine, Arthur, Maggie und Ethan erfahren. Das Puzzle, wie alle Personen durch ihr Umfeld geprägt wurden, was es aus ihnen machte, setzt sich nach und nach zusammen. Mir hat das sehr gefallen, auch wenn es die Geduld der Leser*innen teilweise stark fordert - so sehr übrigens, dass ich mir zwischendurch die Frage stellte, worauf Ridker eigentlich hinaus will. Und doch ergibt alles Sinn.
Psychologen dürften ihre Freude mit dem Buch haben, zumal nicht nur mit Francine eine Figur des Romans Psychologin ist bzw. war, sondern Ridker Ahnung von der Sache hat und die Charaktere Sinn ergeben.
Leider ist ausgerechnet das Ende die Schwäche des Romans, der in drei Teilen untergliedert wurde. Schon das Ende des 2. Teils - das Finale - war mir ansatzweise zu viel und einen Tick zu unrealistisch in Bezug auf Ulrikes Erscheinen. Und doch musste ich so sehr lachen. Es war so absurd, so herrlich, dass ich trotz zwischenzeitlichen Augenbrauen-Zuckens meinen Spaß hatte. Hätte Ridker hier den Roman beendet, hätte er echten Mut bewiesen.
Aber leider fügt er noch einen dritten Teil an. Und der war mir endgültig zu viel. Es sind 25 Seiten, die besser weggelassen oder - wenn er schon nicht darauf verzichten kann - besser auf 5 Seiten gekürzt hätte. Es ist so schade, weil es so furchtbar langweilig und vor allem nutzlos ist, dass es den dritten Teil gibt. Schade.
Trotzdem ist das Buch alles in allem gut und lesenswert - gerade dann, wenn man sich für Sprache und ein bisschen Psychologie interessiert. Die Familiengeschichte ist interessant, die Entwicklungen der Personen ergaben für mich Sinn, die Rückblenden peppen alles ein bisschen auf, die Sprache ist grandios. Mir hat es im Großen und Ganzen Spaß gemacht, "Die Altruisten" zu lesen.