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Veröffentlicht am 03.02.2024

Gegen das Vergessen

Als die gelben Blätter fielen
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Als ich das Buch „Als die gelben Blätter fielen“ von Marius Marcinkevičius in die Hand nahm, war ich zunächst von der zarten, ergreifenden und gleichzeitig kindgerechten Erzählweise des Autors beeindruckt. ...

Als ich das Buch „Als die gelben Blätter fielen“ von Marius Marcinkevičius in die Hand nahm, war ich zunächst von der zarten, ergreifenden und gleichzeitig kindgerechten Erzählweise des Autors beeindruckt. Die Geschichte von Alon und Riwka, zwei Kindern, die die Schrecken des Holocausts erleben, berührt auf eine besondere Weise. Durch die Augen dieser Kinder sehen wir das Grauen und die Hoffnung in einer Zeit voller Dunkelheit.

Die Charaktere sind liebevoll gezeichnet und nehmen den Leser mit auf ihre Reise durch das Getto von Vilnius. Alon, der gerne Bagels isst und Geige spielt, und Riwka, seine Freundin, mit der er auf dem Dach ihres Hauses sitzt und über die Stadt schaut, sind lebendig und authentisch dargestellt.
Besonders berührend fand ich die Verwendung des Kieselsteins als Symbol für Stärke und Überleben. Die Art und Weise, wie dieser die Verbindung zwischen Alon und Riwka über Jahrzehnte hinweg aufrechterhält und gleichzeitig einen Teil jüdischer Kultur darstellt, ist sowohl literarisch eindrucksvoll als auch bewegend.

Das Buch eignet sich hervorragend als Einstieg für jüngere Kinder, um einen Zugang zu den Themen Nationalsozialismus und Holocaust zu bekommen und dazu ins Gespräch zu gehen. Die künstlerischen Bilder tragen dazu bei, die Geschichte lebendig werden zu lassen und machen das Buch auch visuell ansprechend.
Allerdings ist es wichtig zu erwähnen, dass das Nachwort für eine historisch angemessene Einordnung unbedingt gelesen oder besprochen werden sollte, insbesondere wenn das Buch mit Kindern gelesen wird. Es ist dabei auch entscheidend, die Darstellung der Nazis im Buch zu problematisieren und den Kindern zu vermitteln, dass es sich nicht um isolierte "böse Männer" handelte, sondern dass ein beträchtlicher Teil der deutschen Bevölkerung den Nationalsozialismus unterstützte.

Insgesamt ist „Als die gelben Blätter fielen“ von Marius Marcinkevičius eine Lektüre für Menschen jeden Alters. Es erinnert uns daran, wie wichtig es ist, sich für Menschenrechte einzusetzen und der Banalität des Bösen keinen Platz in unserem Alltag zu lassen.

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Veröffentlicht am 01.02.2024

Heist-Movie zum Lesen

Mayfair House
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Als begeisterter Fan von Heist-Movies und historischen Romanen war ich gespannt auf Alex Hays "Mayfair House". Die Beschreibung des prächtigen London des Jahres 1905, in dem die Tochter des verstorbenen ...

Als begeisterter Fan von Heist-Movies und historischen Romanen war ich gespannt auf Alex Hays "Mayfair House". Die Beschreibung des prächtigen London des Jahres 1905, in dem die Tochter des verstorbenen Mr. de Vries die luxuriöseste Villa an der Park Lane zusammen mit zahlreichen Angestellten bewohnt, erinnert, wie in der Ankündigung beschrieben, in der Tat sofort an Downtown Abbey. Die opulente Ausstattung des Anwesens, von funkelnden Kronleuchtern bis zu kostbaren Kunstwerken, wird von Hay detailreich dargestellt und lässt die Atmosphäre dieser vergangenen Ära lebendig werden.

Der Auftakt des Romans mit der Entlassung von Mrs. Kings, der langjährigen Haushälterin, nach dem Tod des Hausherrn, verspricht bereits eine fesselnde Handlung. Die darauffolgende Entwicklung, in der sich Mrs. Kings und ihre bunte Komplizinnengruppe zusammentun, um einen gewagten Raubüberfall während eines prunkvollen Kostümballs zu planen, erinnert an die Spannung und Raffinesse von Filmen wie "Ocean’s 8". Wie auch in diesem Film wird im Verlauf des Romans deutlich, dass jede der insgesamt sieben Diebinnen auch ihre eigene Agenda verfolgt, dass es schließlich aber auf Zusammenhalt und weibliches Empowerment ankommt.

Trotz der Vielzahl von Charakteren konnte ich mich voll und ganz in die Geschichte vertiefen. Jede Figur hatte ihre eigene Geschichte und Motivation, was ihnen Tiefe verlieh und dazu beitrug, die Handlung facettenreich zu gestalten. Die Leerstellen in Bezug auf die Figuren und die Spannungen zwischen ihnen fand ich gerade gut. Für mich macht das auch den Reiz des Romans aus. Über eine Fortsetzung des Romans würde ich mich daher sehr freuen, weil ich den Frauen dann noch einmal begegnen und weitere Teile ihrer Geschichte entdecken könnte. Die detaillierten Pläne des Raubüberfalls und die Handlungen der beteiligten Frauen, die erst nach und nach enthüllt werden, fesselten mich von Anfang bis Ende und ließen keine Langeweile aufkommen.

Alles in allem würde ich "Mayfair House" jedem empfehlen, der eine mitreißende Mischung aus Spannung, historischem Flair und britischem Flair sucht. Auch über eine Verfilmung des Romans würde ich mich definitiv sehr freuen!

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Veröffentlicht am 28.01.2024

Collage des Erwachsenwerdens

Klarkommen
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„Klarkommen“ von Ilona Hartmann thematisiert die ungeschönte Realität des Erwachsenwerdens. Die Protagonisten Mounia, Leon und die Erzählstimme selbst stehen vor der Herausforderung, ihren Platz im Leben ...

„Klarkommen“ von Ilona Hartmann thematisiert die ungeschönte Realität des Erwachsenwerdens. Die Protagonisten Mounia, Leon und die Erzählstimme selbst stehen vor der Herausforderung, ihren Platz im Leben zu finden, während sie mit den Enttäuschungen und Erwartungen des Erwachsenenlebens konfrontiert werden, ohne schon erwachsen zu sein: der ersten Wohnung, der ersten Liebe oder der ersten großen Party. Damit gehen sie unterschiedlich um, sodass man sich immer wieder selbst in den verschiedenen Herangehensweisen erkennen kann.

Hartmanns collagenartiger Erzählstil aus Gedankenschnipseln, Beobachtungen und Anekdoten entwickelte für mich einen unerwarteten Sog und fängt die Ambivalenz des Erwachsenwerdens in der Großstadt auf bemerkenswerte Weise ein. Der Erzählton ist dabei zwar einerseits melancholisch, andererseits gibt es aber immer wieder gut beobachtete humorvolle Kommentare und Wortspiele: „Das schlimmste am Zelten war alles“. Auch die Schilderung, dass man als Kind von zu viel Fernsehen „rammdösig“ werde, kam mir sehr bekannt vor.

„Klarkommen“ ist damit eine Lektüre, die die Spannung zwischen Ziellosigkeit und großen Erwartungen ans Erwachsensein einfängt und zugleich unterhält. Wie schon in ihrem Debütroman schafft es Ilona Hartmann, Beobachtungen des Erwachsenwerdens so zu erzählen, dass man sich darin auf fast jeder Seite wiederfinden kann.

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Veröffentlicht am 27.01.2024

Liebe zur Sprache

Der Wortschatz
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"Der Wortschatz" ist ein bezauberndes Bilderbuch von Rebecca Gugger und Simon Röthlisberger, das nicht nur Kinder, sondern auch Sprachliebhaber jeden Alters anspricht. Die Geschichte handelt von Oscar, ...

"Der Wortschatz" ist ein bezauberndes Bilderbuch von Rebecca Gugger und Simon Röthlisberger, das nicht nur Kinder, sondern auch Sprachliebhaber jeden Alters anspricht. Die Geschichte handelt von Oscar, der eine Schatztruhe findet, jedoch enttäuscht ist, als er feststellt, dass sie nur mit alten Wörtern gefüllt ist. Doch als er das Wort "quietschgelb" achtlos wegwirft, geschieht etwas Magisches: Ein gelber Igel taucht auf. Oscar erkennt daraufhin die Kraft der Wörter und lernt, sie bewusst und einfallsreich einzusetzen. Als die Wörter aus seiner Truhe aufgebraucht sind, hilft ihm die Sprachkünstlerin Louise seine eigenen Wörter zu bilden.

Rebecca Gugger und Simon Röthlisberger vermitteln auf einfühlsame Weise die Bedeutung und den spielerischen Umgang mit Sprache. Jede Seite des Buches ist eine visuelle und literarische Freude, die durch raffinierte Illustrationen, Grafiken und Texte geprägt ist. Die Auswahl der Wörter ist poetisch und einfallsreich, und die Geschichte regt zum Nachdenken über den Wert von Sprache an.

Ich persönlich war restlos von "Der Wortschatz" überzeugt. Es ist ein Buch, das nicht nur unterhält, sondern auch Bildung vermittelt. Es eignet sich sowohl für den Einsatz in Schulen zur Sprachbildung als auch für gemütliche Lesestunden zu Hause. Rebecca Guggers und Simon Röthlisbergers Werk ist eine gelungene Kombination aus Spaß, Poesie und Lehrreichem, das sowohl Kinder als auch Erwachsene gleichermaßen begeistern wird. Ein wohlfühlwörteriges Buch!

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Veröffentlicht am 13.08.2024

Intensive Sprache

Ich komme nicht zurück
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Mir hat an diesem Roman vor allem die Sprache gefallen: Man merkt auf jeder Seite eine unheimliche Freude, mit Intensität und Dichte zu spielen und Atmosphäre sowie Beziehungen darzustellen.
Die Geschichte ...

Mir hat an diesem Roman vor allem die Sprache gefallen: Man merkt auf jeder Seite eine unheimliche Freude, mit Intensität und Dichte zu spielen und Atmosphäre sowie Beziehungen darzustellen.
Die Geschichte wird aus der Perspektive von Hanna erzählt, die auf ihre Kindheit in den 80er Jahren zurückblickt, als sie zusammen mit Zeyna und Cem in einer Arbeitersiedlung im Ruhrgebiet aufwuchs. Infolge des 11. Septembers 2001 treten dann die Unterschiede zwischen Hanna sowie Zeyna und Cem als von Rassismus Betroffene aber immer deutlicher hervor. Die Freundschaft der drei kommt dagegen nicht an. Schließlich verschwindet Zeyna aus Hannas Leben. Dieser Teil der Geschichte hat mich sehr berührt und beschäftigt.

Jahre später kehrt Hanna, inzwischen einsam und allein ohne Familie, in ihre alte Heimat zurück und will Zeyna wiederfinden. Die Beschreibung von Hannas Depression, die sie dazu zwingt, in ihrem Leben zu erstarren und sich nur noch durch die Vergangenheit zu bewegen, fand ich sehr gut beschrieben. Das Ende des Romans kam für mich dann einerseits etwas unvermittelt, andererseits war es dadurch auch überraschend und ohne Klischees.

Es gibt allerdings noch einen Kritikpunkt, der mich wahrscheinlich wie eine Oberlehrerin aussehen lässt: Die Darstellung von Hannas Leben als Lehrerin während der Pandemie wirkt nicht ausreichend recherchiert. Dass sie ihre Wochenenden als freie Zeit wahrnimmt und davon ausgeht, in ihren Fächern müsse man nie aktuelles Material erstellen, mag ihrer Depression und Erstarrung geschuldet sein. Aber die Darstellung von Schulschließungen im Herbst, die es nie gab, und die Vorstellung, dass eine Lehrerin einfach in eine andere Stadt ziehen oder spontan Tage frei nehmen könnte, passen nicht zur Realität des Lehrberufs.

Insgesamt ist „Ich komme nicht zurück“ für mich jedoch wegen der intensiven Sprache und der Darstellung von Freundschaft ein lesenswerter Roman.

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