Die Gefahr der Wahrnehmung
| © Janna von www.KeJas-BlogBuch.de |
Ein (Spannungs)Roman der leisen Töne. Ein ruhiger Erzählstil mit einer Vielzahl an Charakteren, welche alle eine Stimme erhalten. Insgesamt sind es elf Perspektiven, ...
| © Janna von www.KeJas-BlogBuch.de |
Ein (Spannungs)Roman der leisen Töne. Ein ruhiger Erzählstil mit einer Vielzahl an Charakteren, welche alle eine Stimme erhalten. Insgesamt sind es elf Perspektiven, sowie Rückblicke, was sich am ‚Drowning Pool‘ zugetragen hat.
Dies mag zunächst (vielleicht) für den ein oder anderen unter Euch nach einer Unübersichtlichkeit des Verlaufes klingen, aber dem ist absolut nicht so. Ineinander stimmig ergänzen sich die Sichtweisen. Ganz minimal werden Ereignisse wiederholt, dies jedoch dient der Verdeutlichung wie unterschiedlich die Wahrnehmung einer gleichen Situation ist.
Der Drowning Pool – Ein Fluss mit Geheimnissen, einer starken Anziehungskraft und erschütternden Geschichten.
Die Geschichte des Flusses, das Wasser selbst, zog Nel magisch an. Bis zu jenem Tag, an eben dieser Fluss sie nicht mehr gehen ließ.
Jahrelang hatten Nel und ihre kleine Schwester Jules keinen Kontakt, nun muss Jules zurückkehren, denn Nel hinterlässt eine Tochter für die Jules ab sofort die Verantwortung tragen muss. Wobei das letzte Wort des vorherigen Satzes mehr als zutrifft. Jules hatte mit ihrer Schwester gebrochen, hat Nels Tochter Lena zuvor nie gesehen. Und auch Lena ist alles andere als erfreut, ihre unbekannte Tante im Haus zu haben.
Wie Katz und Maus schleichen sie umeinander herum, doch wessen Wahrheit trifft zu? Durch den Wechsel der Perspektiven werden die unterschiedlichen Sichtweisen deutlich, ohne jedoch in seiner Wahrheit greifbar zu sein. Dies ist ein Merkmal des gesamten Buches. Es handelt nicht von Lügen welche aufgedeckt werden wollen, es zeigt auf wie verschiedene Situationen ganz individuell wahrgenommen werden. Genau solche Geschichten faszinieren mich!
"Wie soll man bei all den Leichen hier den Überblick behalten?"
– Erin, S. 165 –
Eine Vielzahl an Todesfällen findet sich in diesem Buch, ein Fluss mit Geschichte. Und genau diese Geschichten zogen Nel magisch an. Sie recherchierte seine Geschichte, doch nicht alle Schicksale sind alt und so stößt sie in ihrem Heimatort auf eine Mauer des Schweigens und Grolls. Ihre Tochter ist davon überzeugt das sich Nel dem Fluss hingegeben hat, Jules jedoch zweifelt und so beginnt sie zu hinterfragen, stößt auf Nels Notizen.
Aufgrund ihrer Recherchen trauern nicht alle Protagonisten um Nel. Auch sie kommen zu Wort, erzählen ihre Geschichte – ihre Wahrheit. Unausgesprochene Vorwürfe, miteinander verwobene Schicksale. Die Autorin verknüpft gekonnt die Fiktion eines Buches mit nachvollziehbarer Realität – die individuelle Wahrnehmung, sowie dem Glauben sein Gegenüber zu kennen.
Verschiedene Puzzleteile die nach und nach ein Gesamtbild entstehen lassen. Ein ruhiger Erzählstil welcher Fragen aufwirft und mich in seinen Bann zog. Es ist ein Spannungsroman mit leisen Tönen und vielen Stimmen. Die Geschichte der Frauen des ‚Drowning Pool‘. Jules versuch mit dem Verlust ihrer Schwester zu Recht zu kommen, sowie die Rückblicke in ihre Kindheit. Auch Nels Tochter und insgesamt neun weitere Protagonisten erzählen über ihre Trauer, ihren Verlust. Die Vielzahl an Protagonisten machte für mich den Reiz aus und ist absolut stimmig im Buch. Das Spiel mit Wahrheit und Wahrnehmung.
"[…] die Geschichten, die du erzähltest, waren nie die Wahrheit, sie waren deine
Wahrheit […]."
– Jules, S. 291 –
Auch Jules Zwiegespräche mit ihrer toten Schwester sprachen mich als Leserin sofort an! Jules redet direkt an Nel gewandt. Sie kämpft mit unbeantworteten Fragen, mit ihrer gemeinsamen Vergangenheit, mit ihrer neuen Rolle als Zieh-Mutter und ich wäre dem gesamten Buch auch nur mit dieser Erzählperspektive verfallen gewesen.
Was mich nicht direkt störte und ich doch schade fand, war der Wechsel des Erzählstils aus der Ich-Perspektive und der dritten Person. Für mich persönlich wäre das Buch ein Stück intensiver gewesen, hätten alle Protagonisten aus der Ich-Person heraus ihre Geschichte erzählt.
Das Buch hat ebenso wie sein gesamter Verlauf kein temporeiches Finale was mir sehr zusagt, da ich keine zwanghaft spannungsgeladenen Szenen beim Lesen brauche. Aber ebenso wenig gefallen mir in die Länge gezogene Enden. Die letzten 50 Seiten hätten definitiv kürzer gefasst werden dürfen, denn es war deutlich abzusehen was mich erwarten wird.
Dies jedoch sind nur kleine Kritikpunkte und somit zog das Debüt der Autorin („Girl on the train“) sowie dessen Verfilmung bereits bei mir ein.