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Veröffentlicht am 24.08.2021

Keiner durfte ein nagelneuer Mensch werden

Shuggie Bain
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Glasgow in den 80er Jahren.
Der fünfjährige Shuggie lebt zusammen mit seiner Mutter Agnes und seinem Vater Hugh "Shug" Bain bei seinen Großeltern mütterlicherseits in Sighthill.
Auch sein Halbbruder Leek ...

Glasgow in den 80er Jahren.
Der fünfjährige Shuggie lebt zusammen mit seiner Mutter Agnes und seinem Vater Hugh "Shug" Bain bei seinen Großeltern mütterlicherseits in Sighthill.
Auch sein Halbbruder Leek und seine Halbschwester Catherine leben bei ihnen.
Shuggies Vater ist Taxifahrer, hat Affären mit anderen Frauen und ist größtenteils abwesend. Agnes ist unglücklich mit ihrer Beziehung, trinkt gerne und zieht nach einem Streit mit ihren Eltern und auf Shugs Drängen hin mit ihrer Familie nach Pithead. Agnes wünscht sich ein besseres Leben, aber die Armut und die Tristesse in der Arbeitersiedlung treiben sie immer mehr in die Alkoholsucht.
Catherine heiratet jung und verschwindet mit ihrem Mann nach Südafrika um ihrem Umfeld zu entfliehen. Shuggie wird von seinen Mitschülern und Nachbarn gehänselt, da er feminin wirkt und nicht zu ihnen passt. Auch nachdem Agnes einen neuen Mann kennen lernt, einen Job findet und ein Jahr lang trocken ist, fällt sie nach einiger Zeit wieder zurück in ihre Sucht.
Immer mehr Menschen wenden sich von ihr ab, das Verhältnis zu ihren Kindern wird mit den Jahren nur noch angespannter, bis auch Leek seinen eigenen Weg geht.
Shuggie und Agnes ziehen in eine neue Nachbarschaft in der Hoffnung ein neues Leben zu beginnen, scheitern aber schließlich daran.

Dem Autor gelingt es problemlos das Leben in der Arbeiterklasse der Thatcher-Ära im postindustriellen Glasgow zu beschreiben. Im Laufe der Geschichte sehen wir, wie die einzelnen Protagonisten sich von Agnes Sucht mehr und mehr in den Abgrund ziehen lassen und wie hoffnungslos und grau sich ihre Zukunft gestaltet. Als Leser wünscht man sich einfach nur, dass sich am Ende alles zum Guten wendet und sowohl Agnes als auch ihre Kinder aus dem Teufelskreis ausbrechen können und erkennen, dass sie nur sich selbst retten können.

Mir haben die vielschichtigen Charaktere und glaubhaften Beschreibungen der damaligen Zeit besonders gefallen. Da das Buch autobiographische Bezüge aufweist, war es umso spannender und herzzerreißender zu lesen. Auch der flüssige Schreibstil und der eingebaute Glasgower Stahlarbeitderdialekt, machen das Lesen zu einem besonderen Erlebnis.
Den Booker Prize hat der Autor zurecht für dieses Erstlingswerk erhalten.

"Shuggie Bain" ist ein Muss für alle, die sich nicht von gewagten, ehrlichen und erschreckenden Beschreibungen vergraulen lassen und nicht auf Happy Ends hoffen.

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Veröffentlicht am 08.11.2024

Mörderische Weihnachten

Agatha Christie Classics: Hercule Poirots Weihnachten
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Das betagte, reiche Familienoberhaupt Simeon Lee plant seine große Familie zu einem gemeinsamen Weihnachtsessen zu sich nach Hause einzuladen. Nacheinander treffen alle dort ein, doch statt eines freudigen ...

Das betagte, reiche Familienoberhaupt Simeon Lee plant seine große Familie zu einem gemeinsamen Weihnachtsessen zu sich nach Hause einzuladen. Nacheinander treffen alle dort ein, doch statt eines freudigen Wiedersehens gibt es unter den einzelnen Mitgliedern Zwietracht und Streit. Als dann auch noch der Vater grausam ermordet wird, ist das Desaster komplett. Zum Glück sind Inspektor Sugden und Hercule Poirot zur Stelle, um den Fall zu lösen und den Mörder zu finden.

Wie für Agatha Christie typisch, ist auch dieser Graphic Novel gefällt mit Spannung und tiefgründigen, interessanten Charaktern. Die Zeichnungen sind wunderschön gestaltet, sodass man der Handlung ohne Probleme folgen und sogar selbst mitraten kann. Am meisten haben mich die verschiedenen Plot-Twist überzeugt und ich bin mir sicher, dass jeder (True) Crime Fan und Hobbydetektiv Gefallen an diesem Buch finden wird.

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Veröffentlicht am 07.02.2024

Wahre Freundschaft

The Fort
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"The Fort" von Gordon Korman ist vor allem eins - ein Buch über Freundschaft - und diese Thematik wird durchgehend authentisch, emotional und glaubwürdig umgesetzt.

Am Morgen nach einem Hurrican machen ...

"The Fort" von Gordon Korman ist vor allem eins - ein Buch über Freundschaft - und diese Thematik wird durchgehend authentisch, emotional und glaubwürdig umgesetzt.

Am Morgen nach einem Hurrican machen sich die vier besten Freunde Evan, Mitchell, Jason und C.J. mit dem neuen Schüler Ricky auf den Weg zu ihrem Fort im Wald. Ricky gehört eigentlich nicht zu ihrer Gruppe, aber durch einen blöden Zufall haben sie ihn jetzt an der Backe. Durch den Sturm ist ihr provisorisches Fort aus alten Duschvorhängen allerdings dem Erdboden gleichgemacht worden und gerade als sie schon enttäuscht den Rückweg antreten wollen, findet ausgerechnet Ricky eine Luke im Waldboden, die zu einem verlassenen Atomschutzbunker führt, der kene Wünsche offen lässt.
Nach und nach wird er für die Jungen eine Zuflucht, bis ihr Geheimnis aufzufliegen droht.

Fasziniert haben mich hier die sehr unterschiedlichen Sichtweisen und Persönlichkeiten der Hauptcharaktere. Die Handlung wird abwechselnd aus der Perspektive der fünf Freunde erzählt und macht es so sehr einfach sich in jeden davon perfekt hineinzuversetzen und deren Aktionen besser nachzuvollziehen.
Die Tatsache, dass die Zuflucht, die das Fort bietet für jeden der Jungen etwas anderes bedeutet, da jeder mit seinen eigenen Dämonen zu kämpfen hat, hat mich wirklich sehr berührt.
Da gibt es zum einen den gewalttätigen Stiefvater, die überarbeitete Mutter, die drogensüchtigen Eltern, das Scheidungskind oder die lärmende Schwester. Jeder "flieht" vor etwas anderem in dieses kleine Paradies unter Tage. Bald müssen sie sich aber die Frage stellen, wie weit man gehen kann um ein Geheimnis um jeden Preis zu bewahren und ab wann ein Problem zu groß wird, um es alleine zu bewältigen. Die verschiedenen Gefahren, denen sie sich hierdurch ausgesetzt sehen, bauen zusätzlich Spannung auf. Daher ist es definitv ein Buch, dass sowohl von Jugendlichen als auch Erwachsenen gelesen werden kann und zum Denken anregt.

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Veröffentlicht am 11.09.2023

Ad nos respiciamus

Brynmor University – Geheimnisse
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Eigentlich wollte Samuel sich diesen Sommer nicht verlieben. Er ist nur nach England zur renommierten Brynmor Universität gereist, um mehr über den Unfall seines Bruders Philipp herauszufinden, der sich ...

Eigentlich wollte Samuel sich diesen Sommer nicht verlieben. Er ist nur nach England zur renommierten Brynmor Universität gereist, um mehr über den Unfall seines Bruders Philipp herauszufinden, der sich hier vor 10 Monaten zugetragen hat und ihn in ein Wachkoma versetzt haben. Doch dann kommt alles ganz anders als erwartet und Sam sieht sich mit Problemen und gleichzeitig Chancen konfrontiert, mit denen er beim besten Willen nicht gerechnet hat.

Was für ein wunderschöner queerer Liebesroman in einem atemberaubend schönen Dark-Academia-Setting. Die Charaktere sind durchweg unglaublich sympathisch und tiefgründig und der ungezwungene Schreibstil und überaus gelungene Spannungsaufbau lässt einen nur so durch die Seiten fliegen. Es war wirklich schwer dieses Buch aus der Hand zu legen, weil mich Sam und Connor von Anfang an gefesselt haben. Besonders gut gefallen hat mir die Tatsache, dass die Freunde getreu des Mottos der Schule "ad nos respciamus" wirklich gut aufeinander aufgepasst haben. Nur Philipp hat mir wirklich leid getan und da hätte ich mir vielleicht ein anderes Ende gewünscht oder wenigstens eine etwas weniger schmerzliche Wendung. Alles in allem kann ich das Buch aber nur jedem wärmstens empfehlen und ich freue mich wahnsinnig auf Band 2 und 3.

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Veröffentlicht am 20.07.2023

Jedes Leben ist wertvoll

Die Erinnerungsfotografen
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"Die Erinnerungsfotografen" der japanischen Autorin Sanaka Hiiragi ist ein ruhiger und melancholischer Roman über die Schönheit und Vergänglichkeit des Lebens.

Herr Hirasaka, der in einem Fotostudio ...

"Die Erinnerungsfotografen" der japanischen Autorin Sanaka Hiiragi ist ein ruhiger und melancholischer Roman über die Schönheit und Vergänglichkeit des Lebens.

Herr Hirasaka, der in einem Fotostudio arbeitet, hat die bedeutende Aufgabe die Seelen von Verstorbenen ins Jenseits zu schicken. Bevor dies aber geschehen kann, muss jeder der Toten eine Drehlaterne mit Fotos aus seinem Leben bestücken - ein Foto für jedes Lebensjahr - um so sein Leben nochmal Revue passieren zu lassen.

In kurzen, aber tiefgründigen Episoden begleiten wir Hirasakas "Kunden" auf ihrer letzten Reise und lernen so über ihre Vergangenheit. Was blieb ihnen in besonderer Erinnerung? Was bereuen sie? Was hätten sie gerne noch erledigt?
Und jede dieser individuellen und ergreifenden Geschichten lehrt uns, dass das Leben kostbar ist, auch wenn nicht jeder Tag nach unseren Vorstellungen läuft.

Mir persönlich hat dieses Buch überaus gut gefallen und ich hab es in einem Zug verschlungen. Wie man es von japanischer Literatur gewohnt ist, ist der Ton auch hier eher unaufgeregt und nostalgisch, aber keinesfalls langweilig. Das Ende hat mich zu Tränen gerührt und wird mir hoffentlich lange in Erinnerung bleiben.

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