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Veröffentlicht am 13.02.2024

Starker und ergreifender Roman

Demon Copperhead
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Das Cover von „Demon Copperhead“ hat mich gar nicht angesprochen. Es gibt überhaupt keine Bezugnahme auf den Inhalt des Buches und im Laden hätte ich vermutlich nicht danach gegriffen. Umso glücklicher ...

Das Cover von „Demon Copperhead“ hat mich gar nicht angesprochen. Es gibt überhaupt keine Bezugnahme auf den Inhalt des Buches und im Laden hätte ich vermutlich nicht danach gegriffen. Umso glücklicher bin ich, dass das Buch zu mir gekommen ist, denn eines kann ich sagen: Es ist ein sehr ergreifendes und überzeugendes Werk, das noch lange nachwirkt.

Inspiriert von Charles Dickens‘ „David Copperfield“ hat die Autorin eine eindrückliche Gesellschaftskritik für die abgehängten und ungesehenen Kinder der US amerikanischen Appalachen geschrieben. Wir begleiten einen jungen Ich-Erzähler, der in ein Leben gepresst wurde, das es von Anfang an nicht wirklich gut mit ihm gemeint hat, von seiner Geburt bis ins junge Erwachsenenalter.

Dabei schafft die Autorin ein Porträt der Landbevölkerung der Appalachen, der so genannten Hinterwäldler oder „Hillbillys“. Anhand des fiktiven Schicksals von Demon Copperhead erfahren wir viel über das Schicksal und die Lebensumstände einer früheren Bergbauregion und die Minderheit der Melungeon. Dabei werden eine Menge Themen angeschnitten, wie die Bedeutung von Football an amerikanischen Schulen, die Rekrutierung hoffnungsloser Menschen für die Militärmaschinerie, das marode Jugendschutz-System, dass die Schwächsten der Gesellschaft im Stich lässt, Armut und - im Zentrum des Romans - die gravierenden Auswirkungen der großen Opioidkrise seit dem Ende der 1990er Jahre.

Es ist ein Buch, das keine Luftschlösser baut, sondern nah an einer möglichen Realität bleibt. Es ist authentisch, brutal ehrlich und hält einem die ernüchternde Realität stets vor Augen. Dabei zieht es einen schnell in seinen Bann und lässt einen nicht mehr los. Es tut weh, Demon auf seinem Lebensweg zu begleiten und ich habe mich als Leser dabei ertappt, dass ich die Position des Ich-Erzählers so stark eingenommen habe, dass ich selbst das Vertrauen in die handelnden Personen verloren und hinter jeder guten Wendung gleich die nächste Katastrophe erwartet habe.

Sowohl Demon als auch die weiteren Charaktere in dem Buch sind sehr gut ausgearbeitet. Jede Figur hat ihre ganz individuellen Abgründe und Methoden damit umzugehen. Die Interaktion der Personen untereinander hat eine hohe Dynamik. Sie sind es, welche die Geschichte so vielseitig und so spannend machen, die den Leser aufrütteln und teils erschüttert, teils hoffnungsvoll zurück lassen.

Also ja, es gibt sie, die leisen Hoffnungsschimmer, die „Guten“, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten tun, was möglich ist. Aber es ist vor allem der Protagonist, der einen staunen lässt. Er macht Unerhörtes durch und besitzt dennoch eine innere Stärke und eine Resilienz, die ihn durch die Geschichte tragen.

Das Buch macht was mit einem, es berührt, es fesselt, es erschreckt. Mein erstes großes Highlight in diesem Jahr - absolute Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 09.02.2024

Düsterer Auftakt einer Trilogie

Die Bürde-Reihe / Die Bürde der Zukunft
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„Die Bürde der Zukunft“ bildet den Auftakt einer Trilogie. Nach der Verbreitung eines gefährlichen Bakteriums sind fast alle Erwachsenen auf der Erde tot und die Kinder und Jugendlichen sind auf sich alleine ...

„Die Bürde der Zukunft“ bildet den Auftakt einer Trilogie. Nach der Verbreitung eines gefährlichen Bakteriums sind fast alle Erwachsenen auf der Erde tot und die Kinder und Jugendlichen sind auf sich alleine gestellt. In einer Welt der Gewalt und Gesetzlosigkeit, kämpfen Livia und ihre Familie ums Überleben. Dann erkrankt Livias geliebte Schwester und sie machen sich auf den Weg nach Irland, auf die gefährliche Such nach einem Heilmittel.

Das Buch beschreibt eine düstere Welt voller Gewalt und Brutalität. Der stetige Kampf ums Überleben hat die Charaktere hart gemacht. Mir hat das Zusammenspiel der verschiedenen Handelnden sehr gut gefallen. Die Charaktere sind sehr vielschichtig und verschieden, so dass man sich gut zurecht findet und das weitere Geschehen auch immer etwas unvorhersehbar bleibt. Brutales agieren ist im Kontext nachvollziehbar und doch schimmert auch immer wieder Menschlichkeit durch. Und wenn ich jetzt auch nicht unbedingt bei allen Personen von Sympathie sprechen kann, so interessiert mich ihre Geschichte und ihre weitere Entwicklung doch sehr.

Die Handlung selbst ist sehr spannend und es werden schon genug Hinweise gesät, dass es auch für die nächsten Teile einiges an spannendem Konfliktpotential geben wird.

Die Geschichte nimmt einen sehr schnell gefangen - eine spannende und düstere Dystopie, schöner, flüssiger Schreibstil und ein stimmiger Abschluss - Empfehlung von mir für alle, die mit Endzeitstimmung und Brutalität umgehen können. Ich freue mich jedenfalls auf die Fortsetzung.

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Veröffentlicht am 30.01.2024

Gelungenes Zeitzeugnis

Nachbarn
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Mit seinem Titel in grellem Neongrün schreit das Buch geradezu nach Aufmerksamkeit - und die hat es auch verdient! Das Bild auf dem Cover katapultiert uns gleich in das Setting der Sammlung fiktiver Kurzgeschichten.

Die ...

Mit seinem Titel in grellem Neongrün schreit das Buch geradezu nach Aufmerksamkeit - und die hat es auch verdient! Das Bild auf dem Cover katapultiert uns gleich in das Setting der Sammlung fiktiver Kurzgeschichten.

Die viel zu jung verstorbene, schwarze Autorin verarbeitet darin Erfahrungen ihrer eigenen Kindheit und Jugend. Sie ist zur Zeit der Bürgerrechtsbewegung der 50er und 60er Jahre im Süden der USA aufgewachsenen und zeigt anhand verschiedener fiktiver Schicksale, wie sehr Rassisimus und Ungleichheit an der Tagesordnung waren.

Ob Freiheitskämpfer, Liebende, Dienstmädchen oder einziges schwarzes Kind in einer Schule der Weißen - in jeder ihrer Kurzgeschichten stellt die Autorin den Menschen, das Individuum in seiner einzigartigen Lebenssituation in den Mittelpunkt. Und dennoch gelingt es ihr, anhand der Vielzahl der Geschichten das Bild einer Gesellschaft zu zeichnen, in der Gleichberechtigung noch lange nicht angekommen ist.

Geschrieben wurden die Texte in den 1960er Jahren. Damit hat die Autorin ein beeindruckendes Zeitzeugnis geschaffen, das bis heute nichts an Aktualität verloren hat. Denken wir nur daran, dass Bewegungen wie „Black lives matter“ auch heute noch nötig sind, um auf Missstände aufmerksam zu machen und für Recht und Gerechtigkeit zu streiten.

Ein wichtiges Buch, das aufrüttelt, berührt und einen nachdenklich zurück lässt.

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Veröffentlicht am 25.01.2024

Spannend bis zum Schluss

Aphrodite
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Aphrodite ist bereits der dritte Thriller der Autorin, bei dem man die beiden sympathischen Kommissare Rubina „Ruby“ Hiller und Simon „Spike“ Peick bei der Täterjagd begleiten darf. Für mich selbst war ...

Aphrodite ist bereits der dritte Thriller der Autorin, bei dem man die beiden sympathischen Kommissare Rubina „Ruby“ Hiller und Simon „Spike“ Peick bei der Täterjagd begleiten darf. Für mich selbst war es das erste Buch der Reihe, aber der Fall ist in sich abgeschlossen und lässt sich auch so wunderbar lesen.

In dem Buch kommt es zu teils brutalen Überfällen auf mehrere Männer. Schnell wird klar, dass diese sich alle aus Schulzeiten kennen und dass das Tatmotiv in der Vergangenheit zu suchen ist. Doch der Fall stellt sich als kompliziert heraus und so folgen wir Ruby und Spike durch einige Irrungen und Wirrungen und bekommen bis zum Schluss viel Futter für eigene Spekulationen.

Mir hat das Buch ausgesprochen gut gefallen. Der Schreibstil ist wirklich sehr schön und die Autorin flicht auch immer wieder schöne, seltene Wörter sowie bildhafte Beschreibungen ein, die sprachlich einfach Spaß machen.

Die Kommissare sind sehr sympathisch, haben aber auch beide ihre kleinen Geheimnisse und Päckchen zu tragen, die sie einfach unglaublich menschlich machen. Besonders hat mir gefallen, dass die beiden Ermittler - anders als in vielen Krimis und Thrillern beschrieben - durchaus ein schönes Familienleben haben, dass ihnen auch am Herzen liegt. Wir treffen hier also keine verbitterten, einsamen Wölfe, die nur für die Arbeit leben. Sondern ein eingespieltes Team, Freunde, Eltern, einfach ganz normale Menschen.

Ein spannender und fesselnder Thriller, der mir auf jeden Fall Lust gemacht hat, die weiteren Teile der Serie zu lesen.

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Veröffentlicht am 21.01.2024

Schneller Thriller, spannend bis zum Schluss

Franzi
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Wie begleiten die Protagonistin Caroline auf zwei Zeitebenen und lernen sie als Frau, Lebenspartnerin und Thriller-Autorin kennen. Besonderes Thema des Buches ist die Einschränkung der Protagonistin, denn ...

Wie begleiten die Protagonistin Caroline auf zwei Zeitebenen und lernen sie als Frau, Lebenspartnerin und Thriller-Autorin kennen. Besonderes Thema des Buches ist die Einschränkung der Protagonistin, denn sie leidet unter Prosopagnosie - Gesichtsblindheit.

Dieses Thema in einen Thriller mit einfließen zu lassen ist tatsächlich außergewöhnlich und bietet auf jeden Fall eine Menge Elemente für die Gestaltung des Charakters aber auch eine Spielwiese für einen gelungenen Thriller. Wer ist es, der mir da gegenüber steht? Kenne ich die Person oder habe ich sie noch nie gesehen? Freund oder Feind? Täuschen mich meine Eindrücke und Beobachtungen?

Die Autorin erzählt auf zwei Zeitebenen - in der Vergangenheit und im Heute - und baut darüber eine unfassbare Spannung auf. Das Buch entwickelt sehr schnell einen richtigen Sog und man kann gar nicht aufhören, weil die vielen kleinen Zeitwechsel einen immer wieder animieren weiter zu lesen.

Dabei nimmt das Buch sich viel Zeit für die Charakterentwicklung, was mir ausgesprochen gut gefällt. Man erfährt viel über Prosopagnosie und was das im Alltag für die Menschen bedeutet. Darüber hinaus erhält man aber auch viele Einblicke in das Leben eines Autors, was wirklich sehr interessant ist.

Nach und nach spitzt sich die Situation zu, die Zeitebenen nähern sich an und es ist dem Leser überlassen, sich für eines von zwei alternativen Enden zu entscheiden. Wie geht die Geschichte aus? Entscheidet selbst.

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