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Veröffentlicht am 12.03.2024

Philosophisch interessantes Gedankenspiel, das sein Potential leider nicht ganz ausschöpft

Das andere Tal
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Das Setting von "Das andere Tal" hat mich sofort neugierig gemacht. Ein Tal mit einem See und einer Stadt, eingefasst von einer Gebirgskette im Westen und einer Steppe im Osten, das sich in beiden Himmelsrichtungen ...


Das Setting von "Das andere Tal" hat mich sofort neugierig gemacht. Ein Tal mit einem See und einer Stadt, eingefasst von einer Gebirgskette im Westen und einer Steppe im Osten, das sich in beiden Himmelsrichtungen wiederholt, wobei die Täler in Ostrichtung jeweils 20 Jahre versetzt in der Zukunft liegen, und in Westrichtung entsprechend jeweils 20 Jahre in der Vergangenheit. Besuche in einem Nachbartal sind nur in Trauerfall erlaubt, streng reglementiert und müssen von speziellen Gremien, den sog. Conseils, beider Täler genehmigt werden. Die Besucher dürfen sich u.a. nicht zu erkennen geben, nicht eingreifen und nur aus der Ferne beobachten.

Die Geschichte um die Ich-Erzählerin Odile Ozanne besteht aus zwei Teilen. Im ersten ist Odile 16 Jahre alt und wird zufällig Zeugin eines Besuchs aus dem Osten, in dem sie die Eltern von Edme erkennt, einem Jungen, zu dem sie sich hingezogen fühlt. Aufgrund dieser Beobachtung weiß sie, dass Edme bald sterben muss. Der zweite Teil spielt 20 Jahre später. Mehr möchte ich über den Inhalt nicht verraten.

Der Schreibstil ist flüssig zu lesen, und die Geschichte hat mich von Anfang an gepackt. Allerdings habe ich mich etwas über die Figurenzeichnung gewundert. Odile erschien mir seltsam unbeteiligt und emotional kühl, fast gleichgültig. Angesichts Edmes bevorstehenden Todes und ihrer ersten Verliebtheit hätte ich erwartet, dass sie stärker mit dem Schicksal hadert, Edme beschützen möchte und innere Konflikte um ihr Vorwissen eine größere Rolle spielen. Die anderen Figuren wirkten auf mich eher eindimensional und durchschaubar, es fehlten mir Ambivalenz und persönliche Entwicklungen. Generell empfand ich die Atmosphäre als auffällig kühl und empathiearm, was für einen Roman, in dem emotionale Belastung und starke Trauer angesichts eines Schicksalsschlags mit ausschlaggebend sind für eine Besuchserlaubnis in einem anderen Tal, beinahe paradox wirkt.

In welcher Zeit die Handlung spielt, bleibt unklar. Es gibt bereits Strom und Autos, dennoch wirkt die Welt antiquiert, vieles bleibt vage. Telefone oder andere technische Errungenschaften werden nicht erwähnt, die Grenzbefestigung ist spartanisch, höhere Bildung und Universitäten scheint es nicht zu geben, wie Waren und Rohstoffe importiert werden, die im Tal nicht selbst hergestellt oder gewonnen werden, wird nicht erklärt. Die Täler scheinen sich diesbezüglich zu ähneln, technischer Fortschritt ist nicht erkennbar.

Der promovierte Philosoph Scott Alexander Howard bietet mit seinem Roman ein philosophisch höchst interessantes Gedankenspiel, das bemüht ist, die üblichen Widersprüche in Zeitreiseromanen zu vermeiden. Da mir als Mathematikerin Logik und Stringenz sehr wichtig sind, ist dies für mich ein großer Pluspunkt. Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass Howard hier seiner Leserschaft noch deutlich mehr zutraut. So erfährt man nur oberflächlich von der Arbeit des Conseils und des Archivs, innere Strukturen bleiben unklar, und die Chance einer wirklich tiefgründigen Auseinandersetzung mit den Entscheidungskriterien für oder gegen eine Besuchspetition, der Abwägung von Nutzen und Risiken für den Einzelnen und die Gemeinschaft im Tal, die Ängste der Bevölkerung bei bevorstehenden Besuchen, bleibt ungenutzt. Auch sind die Folgen von Störungen, die durch
Besucher aus einem Nachbartal hervorgerufen werden können (absichtlich oder unabsichtlich), bei genauerem Hinsehen deutlich komplexer, als es im Buch zunächst den Anschein hat. Da ich nicht spoilern möchte, ist es schwierig zu beschreiben, worauf ich hinaus möchte. Nur so viel: Wenn ein Besuch aus dem Osten im Tal eine Störung verursacht, d.h. den Fortgang des Lebens in irgendeiner Weise beeinflusst, hat dies Auswirkungen auf die Existenz der Menschen in diesem und allen östlichen Tälern. Mit Voranschreiten der Zeit wird jedoch auch im ersten Tal westlich 20 Jahre später der Zeitpunkt erreicht, zu dem im Ausgangstal die Störung stattgefunden hat (und entsprechend 40/60/80... Jahre später in den noch weiter westlich gelegenen Tälern). Um Kontingenz zu erreichen, müsste nun ein Besuch aus dem Ausgangstal im Westtal dieselbe Störung hervorrufen. Doch was ist, wenn die damalige Störung im Ausgangstal gerade dazu führt, dass der Grund für den auslösenden Besuch nicht mehr gegeben ist, etwa weil der zugrundeliegende Trauerfall hierdurch vermieden wurde? Dass dies dem Autor natürlich bewusst ist, klingt ansatzweise an, als Odile in Teil 2 Zeugin eines Fluchtversuchs wird und Überlegungen über die Konsequenzen für sich anstellt. Leider arbeitet Howard dies nicht stärker aus. Wendet man diesen Gedanken konsequent im Nachhinein auf das Buch an, erscheint manches in einem anderen Licht.

Mich hat dieses Buch noch mehrere Tage, nachdem ich es beendet hatte, sehr beschäftigt, insbesondere hinsichtlich der komplexen Zusammenhänge, die sich erst bei gründlichem Durchdenken offenbaren. Bezüglich der Bewertung bin ich hin- und hergerissen. Einerseits haben mich die Idee des Buches und insbesondere die Handlung im zweiten Teil wirklich begeistert, dennoch bleibt das Gefühl zurück, dass hier das philosophische Potenzial des Gedankenexperiments nicht weit genug ausgeschöpft wurde.

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Veröffentlicht am 06.03.2024

erfrischend und fernab von Rollenklischees

Das Gras auf unserer Seite
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Da ich im selben Alter wie die drei Protagonistinnen bin, ging ich mit bestimmten Erwartungen an diesen Roman heran und war nach den ersten Seiten etwas überrascht, dass ich mich mit keiner von ihnen identifizieren ...

Da ich im selben Alter wie die drei Protagonistinnen bin, ging ich mit bestimmten Erwartungen an diesen Roman heran und war nach den ersten Seiten etwas überrascht, dass ich mich mit keiner von ihnen identifizieren konnte. Weder teile ich ihre Zuneigung zu Hunden, die im Buch sehr großen Raum einnimmt, noch kann ich mich in der typischen Berliner Lebensart wiederfinden, die jede der drei Frauen auf ihre eigene Weise verkörpert. Zudem ist Charlys teils vulgäre Ausdrucksweise zunächst gewöhnungsbedürftig. Dank des sehr lebendigen und lockeren Schreibstils, der auch immer wieder Passagen in Form von Chatverläufen enthält, fand ich allerdings schnell Gefallen daran, mich in die Welt der drei Freundinnen hineinzuversetzen und ihren Alltag und ihre Lebenseinstellung kennenzulernen. Gerade weil sich ihre Lebensentwürfe deutlich von meinem unterscheiden, war dies spannend und bereichernd. Die Autorin nimmt kein Blatt vor den Mund und stellt sich radikal der Frau-findet-nur-Erfüllung-mit-Kind-Sicht entgegen, was ich als sehr befreiend empfand, da dieses Denken nach wie vor in der Gesellschaft und auch der Literatur zumindest latent weit verbreitet ist. Fazit: Ein leichter, erfrischender, moderner, sehr lebendiger und unverblümter Roman jenseits aller Rollenklischees.

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Veröffentlicht am 22.02.2024

Komplex erzählter, eindrücklicher Roman

Lichtungen
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Dieser Roman - mein erster von Iris Wolff - lässt mich zwiegespalten zurück. Einerseits mochte ich den Schreibstil sehr, die Sprachbilder, die einfühlsame und behutsame Erzählweise, die mir einen Eindruck ...

Dieser Roman - mein erster von Iris Wolff - lässt mich zwiegespalten zurück. Einerseits mochte ich den Schreibstil sehr, die Sprachbilder, die einfühlsame und behutsame Erzählweise, die mir einen Eindruck von Levs Gefühlswelt und der Stimmung in Rumänien zur Zeit Ceausescus und auch nach dem Zusammenbruch des Regimes gibt. Auch das Hin- und Hergerissensein bzw. die Identitätssuche als Deutsch-Rumäne in Siebenbürgen ist sehr eindrücklich beschrieben. Auf der anderen Seite hatte ich meine Schwierigkeiten mit der besonderen Erzählweise, welche die Geschichte zeitlich rückwärts entwickelt, mit dem Wiedersehen von Lev und Kato nach Jahren beginnt und schrittweise in die Kindheit zurückgeht, wobei selbst innerhalb einzelner Kapitel zusätzliche Zeitsprünge in Rückblenden oder Erinnerungen eingebaut sind. Dies beeinträchtigt den Lesefluss, da ständig Personen vorkommen, deren Verhältnis zu Lev man erst im Laufe der Geschichte einordnen kann und die zunächst "in der Luft hängen". Auch den emotionalen Zugang zu den Figuren erschwerte es mir erheblich und führte dazu, dass ich ständig zurückblättern und Passagen nochmal lesen musste, um mir ein vollständiges Bild machen zu können.

Ich lese sehr gerne komplexe Romane (etwa von Jonathan Lee) und bin gerne bereit, mich auf neue Erzählweisen einzulassen. Insofern empfand ich "Lichtungen" durchaus als bereichernd. Dennoch blieb das Lesevergnügen etwas auf der Strecke. "Lichtungen" ist für mich ein Roman, den man am besten zweimal lesen sollte, da man dann nach dem ersten Durchgang bereits die Figurenkonstellation und den Handlungsrahmen kennt und beim zweiten Mal sicher einen besseren Blick für die Details haben wird.

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Veröffentlicht am 09.02.2024

Lecker!

Brotzeit geht immer!
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"Brotzeit geht immer!" - das ist auch mein Motto, und ich liebe Brote und Brotaufstriche aller Art. Daher war ich sofort neugierig auf Tanja Dusys Buch. Dieses startet mit kreativen Brotrezepten als Grundlage, ...

"Brotzeit geht immer!" - das ist auch mein Motto, und ich liebe Brote und Brotaufstriche aller Art. Daher war ich sofort neugierig auf Tanja Dusys Buch. Dieses startet mit kreativen Brotrezepten als Grundlage, etwa dem Crazy Monkey Bread, einem orientalischen Fladenbrot oder einem Sauerteig-Walnussbrot. Im nächsten Kapitel dreht sich alles ums Bestreichen und Dippen. Hier habe ich bereits die sehr pikante Paprika-Mandel-Creme und die Forellencreme zubereitet, und beides hat sehr gut geschmeckt. Anschließend folgt das Kapitel "Brotzeit mit Freunden", in dem verschiedene Kombinationen aus Brot und Aufstrich vorgestellt werden, etwa bunte Brotspieße oder türkische Fladenbrotpizza. Hier hätte ich mir noch ein paar Ideen mit mehr Pfiff erwartet, einige Rezepte sind doch recht simpel. Zum Schluss folgt noch eine kurze Einführung in das Prinzip der Brotzeit, eine kleine Brotkunde und Grundlegendes zum Brotbacken. Dass diese Informationen am Ende des Buches stehen, hat mich etwas überrascht, da ich das eher in der Einführung erwartet hätte.

Besonders gut gefällt mir, dass die meisten Rezepte mit einfachen Zutaten auskommen, die man überall bekommen kann, und relativ schnell zubereitet werden können. Das ist mir besonders bei einer Brotzeit wichtig, da wir diese immer wochentags am Abend essen, und da ist ein flottes, aber abwechslungsreiches und familientaugliches Rezept ideal. Hier bietet das Buch viele Anregungen für bodenständige und zugleich leckere Variationen.


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Veröffentlicht am 05.02.2024

Gewohnt scharfzüngig, aber wenig Krimianteil

Achtsam morden durch bewusste Ernährung
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Seit dem ersten Band von "Achtsam morden" bin ich ein großer Fan der Reihe, auch wenn Band 4 nach meinem Empfinden etwas schwächer war. Nun folgt mit "Achtsam morden durch bewusste Ernährung" Band 5. Björn ...

Seit dem ersten Band von "Achtsam morden" bin ich ein großer Fan der Reihe, auch wenn Band 4 nach meinem Empfinden etwas schwächer war. Nun folgt mit "Achtsam morden durch bewusste Ernährung" Band 5. Björn hat dank Joschka Breitners Hilfe inzwischen sein inneres Gleichgewicht gefunden. Auch beruflich läuft alles wie am Schnürchen. Doch das geruhsame Leben wirkt sich nachteilig auf seine Fitness aus. Das zeigt sich, als seine Tochter beinahe Opfer einer Entführung wird und Björn diese aufgrund beachtlichen Übergewichts erst im letzten Moment verhindern kann. Ihm wird klar: Der Speck muss weg. Hier kommt nun wieder sein Achtsamkeitscoach Joschka Breitner ins Spiel, der ihn in die Geheimnisse von bewusster Ernährung und Heilfasten einweiht.

Der Ernährungsteil nimmt einen sehr großen Raum im Buch ein, und das ein odere andere Detail von Björns Darmreinigung hätte ich nicht unbedingt wissen müssen. Stellenweise wirkt das Buch eher wie ein Ernährungsratgeber als ein Krimi, da dem Verbrechen deutlich weniger Gewicht zukommt als in den vorigen Bänden.

Dennoch habe ich mich wieder hervorragend amüsiert, und das liegt vor allem an dem herrlichen Schreibstil von Karsten Dusse. Er nimmt den aktuellen Zeitgeist und seine teils kuriosen Auswüchse gekonnt scharfzüngig aufs Korn und schreibt so wortgewandt und pointiert, dass es einfach ein Genuß ist.

Fazit: Reine Krimifans werden hier eher nicht fündig. Wer Dusses Erzählweise schätzt, Björn Breitner und Joschka Diemel inzwischen ins Herz geschlossen hat und sich für gesunde Ernährung und Fastentechniken interessiert, wird viel Freude mit diesem Buch haben.

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