Julius Roberts lädt ein auf seinen Hof und an seinen Tisch.
Nach einem knappen Jahr im Londoner Restaurant Noble Rot wusste er, dass dieses Leben nichts für ihn ist; er will zurück aufs Land – und genau das tut er. Sein Hof befindet sich im Südwesten Englands.
Auf dem Cover befindet sich Julius Roberts, mit einem Gemüse-Gericht vor sich. Auch hinten auf dem Buch finden sich Fotos von vegetarischen Rezepten, und der Klappentext spricht von Anbau und Ernte, Gemüsebeet, knackfrischen Salatvariationen, aromatischen Herbstfrüchten … und eben nicht von Fleisch- und Fischgerichten etc.
Das Buch wird also durchaus vielleicht sogar als vegetarisch, jedenfalls aber als gemüselastig beworben. Äußerlich ist nicht zu erkennen, dass sich in diesem Buch viele Fleisch- und Fischrezepte befinden.
Auch sagt Julius Roberts in Interviews, dass er sich hauptsächlich vegetarisch ernährt. -Dies spiegelt sich für mich nicht im Buch wider. Wenn sich ein Autor hauptsächlich vegetarisch ernährt und das öffentlich sagt, muss man meiner Meinung nach nicht mit solch einem hohen Anteil an Fleisch- und Fischrezepten rechnen.
Man hätte das Buch also evtl. etwas anders bewerben können, damit dies für Vegetarier irgendwie erkennbar gewesen wäre.
Julius Roberts hält es für schwer, jemanden dazu zu bewegen, kein Fleisch mehr zu essen. Er will Menschen daher dazu bewegen, weniger Fleisch zu essen. -Ob ein Buch mit so vielen Fleisch- und Fischgerichten wirklich geeignet ist, dies zu erreichen?
Aber kommen wir zu den Rezepten an sich, denn nur auf diese kommt es ja letztlich an: Im Buch finden sich rund 100 Rezepte, die insbesondere während der ersten Jahre auf seinem Hof entstanden und die er oft und gerne kocht. Sie sind bodenständig, schnell und einfach zuzubereiten.
Er sieht sie eher als inspirierende Ideen, weniger als streng zu befolgende Regeln.
Vegetarier sollen das Fleisch einfach weglassen. Das klingt erst mal super und hört sich so an, als ob das auch wirklich bei jedem Rezept so einfach sei – das Problem dabei aber: ob und inwieweit das möglich ist, hängt stark vom jeweiligen Rezept ab! Tatsächlich kann man nicht bei allen Gerichten das Fleisch mal eben weglassen.
So kann man etwa problemlos beim Wirsingeintopf mit Speck & Kartoffeln den Speck weglassen oder ihn etwa durch eine vegetarische oder vegane Alternative ersetzen. Bei Latkes, Lachsforelle, Meerrettich & Brunnenkresse kann ich die Lachsforelle einfach weglassen. Die Ratatouille-Galette schmeckt auch ohne Sardellen gut. Bei der Kartoffelgalette mit Pancetta & Taleggio sind die Möglichkeiten für Vegetarier vielfältig: man kann ihn einfach weglassen, eine vegetarische oder vegane Alternative für Speck nehmen, Pancetta durch Mangold ersetzen usw. …
Wenn man aber bei Rezepten wie Hähnchenleber, geschmorten short ribs, geschmortem Schweinebauch, in der Schale gegrillten Jakobsmuscheln, Lammkoteletts mit Tapenade-Butter, Hähnchenschenkeln vom Blech oder Estragon-Brathähnchen das Fleisch bzw. die Meeresfrüchte weglässt, dann bleibt vom Rezept schlicht und ergreifend nichts mehr übrig.
Ich fand es toll zu lesen, dass die Rezepte für jedermann geeignet sein sollen – denn dass ein Kochbuch für Fleisch- und Fischesser und Vegetarier gleichermaßen geeignet ist, man alle Rezepte an seinen Bedarf und seine Vorlieben anpassen kann, ist der absolute Idealfall. Daher war es schade und unbefriedigend, im weiteren Verlauf feststellen zu müssen, dass man eben doch nicht immer einfach das Fleisch weglassen kann, wenn man vegetarisch lebt.
Das Buch ist sehr hochwertig aufgemacht, reich an wunderschönen ganzseitigen Fotos, die Texte sind persönlich gehalten. Dadurch wird schon das Stöbern zu einer großen Freude.
Julius Roberts legt viel Wert auf eine Ernährung im Einklang mit den Jahreszeiten, und so sind seine Rezepte natürlich nach Jahreszeiten geordnet – was mir sehr gut gefällt.
Über jedem Rezept findet sich ein zusätzlicher Text, durch den man mehr aus Julius´ Leben erfährt und/oder zusätzliche Zubereitungstipps, Inspirationen usw. bekommt. Eine tolle Idee, die die Freude an diesem Buch noch erhöht.
Die Zutatenlisten sind recht übersichtlich, die Zubereitungsschritte gut verständlich. Alle bisher getesteten Rezepte ließen sich gut zubereiten. Gesamtzubereitungszeiten und Nährwertangaben gibt es nicht, wobei ich bei dieser Art von Buch und bei dieser Art von Rezepten aber auch nicht unbedingt Kalorienangaben etc. erwarten würde.
Manche herzhafte Rezepte, etwa die mit Mangold, fanden wir eher enttäuschend, andere, etwa die Kürbis-Spinat-Lasagne mit Mozzarella, Zucchini-Pasta mit Mascarpone, Basilikum & Zitrone, die Romesco-Sauce, die Tomaten-Focaccia mit Rosmarin und die Kartoffelgalette, sind geschmacklich wirklich großartig und werden sicher oft und regelmäßig auf den Tisch kommen bei uns.
Die süßen Rezepte finden wir allesamt großartig; hier sind der Gewürzkuchen, Rhabarber-Tarteletts & Vanillecreme, Kaffee-Semifreddo mit gesalzenen Karamell-Pistanzien, Holunder-Pannacotta mit Ofenerdbeeren, die Limonaden sowie die Haferkekse mit dunkler Schokolade & Haselnuss (die zu den besten Keksen gehören, die wir bisher gegessen haben) unsere Favoriten.
Hinten bei den Grundrezepten gefallen etwa der schnelle Blätterteig und der Galetteteig sehr.
Hinten im Buch findet sich wie gerade erwähnt noch ein Teil mit Grundrezepten, etwa für Pesto, Mürbeteig, Blätterteig, Galetteteig … auch dies hat mich begeistert, allerdings vermisse ich hier noch das ein oder andere Rezept, etwa für Lasagneplatten und Fladenbrote. Das wäre vollständig und konsequent gewesen. Julius Roberts betont, wie wichtig es ihm ist, sich selbst zu versorgen, er verwendet bei anderen Rezepten selbst gemachten Mürbeteig, rät zu selbst gemachtem Blätterteig … dann verwendet er aber für die Lasagne frische Lasagneplatten, für die es kein Rezept gibt, und in anderen Rezepten werden Fladenbrote verwendet, für die es leider ebenfalls kein Rezept gibt. Das fand ich schade; ich hätte mir bei den Grundrezepten etwa noch Rezepte für Lasagneplatten und Fladenbrote gewünscht.
Fazit also: ein sehr hochwertiges, toll aufgemachtes, auch sehr persönliches Buch mit rund 100 saisonalen, bodenständigen Rezepten, das viel Lust aufs Landleben, auf diese Rezepte, aufs Kochen, Backen und Essen macht.
Man findet garantiert das ein oder andere neue Lieblingsrezept und auch Rezepte, die man abwandeln, mit denen man experimentieren kann, sodass es definitiv auch ein gutes Buch ist für alle, die nicht gerne starr nach Rezept kochen bzw. backen.
Für Fleisch- und Fischesser ist das Buch wirklich uneingeschränkt zu empfehlen.
Vegetarier sollten wissen, dass viele Fleisch- und Fischrezepte enthalten sind und man nicht bei allen Rezepten einfach das Fleisch weglassen kann, wenn man möchte, dass noch was vom Rezept übrig bleibt. Andere Rezepte, wie die Kartoffelgalette, lassen sich aber sehr gut und vielfältig auch vegetarisch zubereiten und eignen sich damit gut auch für Personen, die kein Fleisch und keinen Fisch essen.
Manche Vegetarier wollen kein Buch mit Fleisch- und Fischrezepten, andere stören sich überhaupt nicht daran; manche erwarten, dass (nahezu) alle Rezepte für sie geeignet sind, andere sind zufrieden, wenn sie nur das ein oder andere tolle neue Rezept finden, sodass es sie gar nicht stört, dass oder wie viele Fleisch- und Fischrezepte für sie persönlich wegfallen ... im Zweifel sollte man also einfach Stöbern und sich selbst einen Eindruck von diesem Buch und von seinen Rezepten verschaffen. Je nach Anspruch und Erwartung kann es auch für Vegetarier ein gutes Buch sein.
In unserer Küche wird das Buch trotz dieses Kritikpunktes seinen festen Platz finden, da das Stöbern und die Arbeit mit den Rezepten Freude bereiten, wir bei den herzhaften Rezepten ein paar neue Lieblingsrezepte gefunden haben und uns die süßen Rezepte nahezu ausnahmslos begeisterten. Schon wegen der Kartoffelgalette oder den Haferkeksen mit dunkler Schokolade & Haselnuss hat sich das Buch für uns gelohnt. Und es gibt im Laufe des Jahres noch so manches Rezept in den einzelnen Kategorien zu testen und zu entdecken.