Überraschend tiefgründig
Erstens kommt es anders"[…] das Leben ist wie Tusche. Es verläuft viel zu schnell."
Don’t judge a book by its cover, denn hinter diesem knallig gestalteten Buchdeckel und dem amüsant klingenden Klappentext verbirgt sich ein ...
"[…] das Leben ist wie Tusche. Es verläuft viel zu schnell."
Don’t judge a book by its cover, denn hinter diesem knallig gestalteten Buchdeckel und dem amüsant klingenden Klappentext verbirgt sich ein überaus tiefgründiger, emotionaler Roman, der viele Fragen über das Leben aufwirft und zum Nachdenken anregt.
Der Schreibstil strotzt nur so vor klugem Humor, treffsicheren, authentischen Formulierungen und realistischen Dialogen. Zunächst war ich kurz von der Vielzahl der Perspektiven verunsichert, denn immerhin erhalten wir Einblicke in die Sicht von Carla, Tristan und Wolfi (die sich einst "in der siebten Klasse Blutsgeschwisterschaft geschworen" haben) sowie ihrer neuen Mitbewohnerin … der Seniorin Maggi Frack, die mit ihrer erfrischenden, direkten Art die gemeinsame Altbau-Wohnung im Prenzlauer Berg ordentlich durcheinanderwirbelt.
"»Werd du erst einmal so alt wie ich. Mit zunehmender Inkontinenz rutscht vielleicht auch dir der Stock ein bisschen weiter aus dem Popöchen«"
Was soll ich sagen … Maggis Kapitel waren das Highlight für mich. Ihre forschen Sprüche, ihre Gedanken … köstlich! Folglich fiel mir der Abschied von ihr am schwersten. Beim Lesen ihres Abschiedsbriefes und der Szene aus dem Himmel hatte ich einen dicken Kloß im Hals. Ich konnte ihre Beweggründe absolut nachvollziehen, dennoch war es bittersweet.
Bei den anderen Figuren fiel es mir etwas schwerer, eine Bindung zu ihnen aufzubauen. Ich hätte überhaupt alle Charaktere am liebsten in der Ich-Form erlebt, dann wäre dieses Gefühl der Distanz gewiss nicht so stark gewesen. Dabei sind Carla & Co. durchaus sympathisch angelegt worden und wirken mit ihren Eigenheiten und individuellen Marotten wie aus dem Leben gegriffen - z.B. die Dynamik in Carlas Familie, Stichwort: Happy-Vorzeige-Family vom Schwesterherz. (An dieser Stelle muss ich den ersten Satz loben: "Babys haben die Angewohnheit, so zu tun, als wären sie ein Oktopus, sobald man ihnen einen Strampler anzieht." - Es stimmt einfach.)
Apropos Kinder: Es werden mitunter Themen behandelt, die man aufgrund des optischen ersten Eindruckes des Werkes so nicht erwarten würde. - Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbruch, schwere Krankheit, Freitod … Für mein Happy-Peppy-Bedürfnis war dies schon ziemlich grenzwertig, wurde allerdings durch den insgesamt lebensbejahenden Unterton der Geschichte noch relativiert gut abgefangen.
Mein Lieblingszitat: "Ein starker Mensch definiert sich darüber, dass er es schafft, gut zu sich selbst zu sein, ohne anderen zu schaden."
𝗙𝗮𝘇𝗶𝘁:
Ein gleichermaßen unterhaltsamer wie zum Innehalten anregender Roman, der mich aufgrund seiner emotionalen Tiefe positiv überrascht hat - somit ist der Buchtitel wahrlich Programm!