Profilbild von xxholidayxx

xxholidayxx

Lesejury Profi
offline

xxholidayxx ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit xxholidayxx über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.04.2024

Themen top, Umsetzung (für mich) eher flop.

Wovon wir leben
0

Das Buch "Wovon wir leben" von Birgit Birnbacher ist eine Geschichte über Julia, die nach einem lebensbedrohlichen Fehler in ihrem Beruf zurück ins Dorf ihrer Kindheit kehrt und sich dort mit den Herausforderungen ...

Das Buch "Wovon wir leben" von Birgit Birnbacher ist eine Geschichte über Julia, die nach einem lebensbedrohlichen Fehler in ihrem Beruf zurück ins Dorf ihrer Kindheit kehrt und sich dort mit den Herausforderungen ihres alten Lebens konfrontiert sieht. Die Autorin, Birgit Birnbacher, ist bekannt für ihre einfühlsamen und vielschichtigen Erzählungen über das Leben und die menschlichen Beziehungen. Es war mein erstes Buch von ihr, dass ich aufgrund der durchwegs positiven Rezensionen gelesen habe.

Inhaltlich geht es um Julia, die aus ihrem gewohnten Leben als Krankenschwester gerissen wird und sich mit den Veränderungen in ihrem Heimatdorf auseinandersetzen muss, wo die Fabrik geschlossen wurde und ihr Vater in einem bedenklichen Zustand ist. Als sie Oskar kennenlernt, der ein Grundeinkommen für ein Jahr gewonnen hat, beginnt sie, über ihre eigene Zukunft nachzudenken.

Die Vielzahl an Zufällen in der Handlung wirkte auf mich überladen und die Figuren blieben für mich zu blass, um mich emotional zu berühren. Obwohl das Buch gut geschrieben ist, konnte es mich letztendlich nicht packen und lässt mich mit einigen offenen Fragen zurück.

Das Cover von "Wovon wir leben" ist wirklich wunderschön gestaltet und hat mich direkt angesprochen. Es erzeugt eine gewisse Neugierde und gibt einen gelungenen Vorgeschmack auf die Geschichte. Wer das Buch gelesen hat, weiß dann auch, wie das Cover zum Inhalt passt ;) Tatsächlich werden im Buch viele wichtige und relevante Themen behandelt, angefangen bei den komplexen Dynamiken innerhalb von Familien bis hin zu gesellschaftlichen Fragestellungen wie dem Wert der Arbeit, patriarchalen Strukturen oder "Care-Arbeit". Auch existenzielle Themen wie Krankheit, Behinderung und die Suche nach Liebe und Erfüllung werden einfühlsam angesprochen. Ich hatte anfangs große Hoffnungen für diesen Roman, da ich immer gerne Bücher lese, die sich intensiv mit dem Leben und verschiedenen Weltanschauungen auseinandersetzen. Leider konnte das Buch diese hohen Erwartungen nicht erfüllen. Leider blieben die Personen, allen voran auf Distanz, und ich konnte keine emotionale Bindung zu den Figuren aufbauen, oder mich in sie hineinversetzen. Der distanzierte Schreibstil ist sicherlich gewollt, so sind die Figuren auch mit "der Vater, die Mutter, der Städtler" beschrieben. Die Vielzahl an Zufällen in der Handlung wirkte auf mich überladen (fast alle Hauptfiguren in irgendeiner Weise krank oder mit einer Behinderung). Auch die Atmosphäre ist die ganze zeit über so erdrückend. Und iwie stehen alle Figuren in der Schwebe - das löst sich auch gegen Schluss nicht auf. Im Gegenteil... ich hatte mich SO für die Mutter gefreut aber dann (will hier jetzt nicht spoilern).

Obwohl das Buch zweifellos gut geschrieben ist und eine gewisse literarische Qualität aufweist, konnte es mich letztendlich nicht überzeugen. Die Protagonisten blieben für mich zu blass und ihre Entwicklung zu oberflächlich. Die durchweg bedrückende Stimmung und die vielen unbeantworteten Fragen, die der Roman zurückließ, trugen ebenfalls zu meinem insgesamt eher enttäuschten Eindruck bei. Daher kann ich leider nur 2 von 5 Sterne vergeben.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.03.2024

Kampf um Wurzeln: Ein Memoir über Identität und Rassismus

Die Sonne stand tief, als ich meinen Vater fand
0

"Mit verdrängten Erinnerungen zu leben heißt nicht, zu sein wie eine wurzellose Pflanze, es heißt, zu sein wie ein Pflanze, deren Wurzeln mit nichts in Berührung kommen." - Buchzitat (S. 59)

Shane McCraes ...

"Mit verdrängten Erinnerungen zu leben heißt nicht, zu sein wie eine wurzellose Pflanze, es heißt, zu sein wie ein Pflanze, deren Wurzeln mit nichts in Berührung kommen." - Buchzitat (S. 59)

Shane McCraes "Die Sonne stand tief, als ich meinen Vater fand" ist eine autobiografische Erzählung über Identität, Herkunft und Rassismus. McCrae, bekannt für seine preisgekrönten Gedichtbände, wirft einen persönlichen Blick auf seine Kindheit, geprägt vom Schwarzsein, das ihm von seiner Familie vorenthalten wurde.

Leider konnte mich das Buch nicht überzeugen. Der Schreibstil des Autors war für mich schwer zugänglich, geprägt von sehr langen Sätzen und einer Sprache, die mich oft ins Stocken brachte. Um ein Beispiel zu nennen:

"Wir verließen das Piggly Wiggly mit etwas Rotem. Mein Großvater verließ das Piggly Wiggly mit etwas Rotem. Oder die Verpackung hatte größtenteils eine andere Farbe, aber die Ware in der Verpackung war rot und mit einem attraktiv inszenierten Foto bedruckt, das größtenteils rot war. Mein Großvater verließ das Piggly Wiggly mit etwas Rotem,..." - Buchzitat (S. 56)

Und das ist ein (!) Satz:

"Derek und ich waren die einzigen Kinder in unserem Alter in unserer langen Straße, insofern die einzigen Kinder in unserer Straße, die die East Avenue Middle School besuchten, wobei am anderen Ende der Straße, unsichtbar von unseren Häusern aus – unser Haus stand zwei oder drei Häuser hinter der Ecke, wo die Straße anfing, an der Ecke, die ich für den Anfang der Straße hielt, wobei die Straße natürlich irgendwo zu Ende war, und vielleicht dachten sich die Leute, die am Ende der Straße wohnten, das Ende als den Anfang und dachten sich mich, wobei sie bestimmt nicht an mich persönlich dachten, vielleicht dachten sie sich die Leute, die da wohnten, wo ich wohnte, als die Bewohner am Ende der Straße, immerhin wohnte ich im jüngst entwickelten Teil unserer Straße, und unter so vielen Umständen liegt das Neueste immer nah am Ende – am unsichtbaren hinteren Ende der Straße wohnte unser Lehrer für Werkunterricht, Mr Dennis, wobei die Straße so lang war, dass mir erst in der achten Klasse an Halloween klar wurde, dass er da wohnte." - Buchzitat (S. 84/85)

Es wirkte, als wäre das Buch unmittelbar aus McCraes Gedanken auf das Papier gebracht worden, mit wiederholten Passagen und Gedankensprüngen, die das Lesen erschwerten:

"Mein Großvater und ich hielten an der Kreuzung. Mein Großvater hielt an der Kreuzung, kontrollierte, musste kontrolliert haben, ob die Straße frei war,…." - Buchzitat (S. 53)

Obwohl das Buch einige eindrucksvolle Zitate und Aussagen enthält, die durchaus auch zum Nachdenken bringen, war ich enttäuscht dass das Gendern nicht berücksichtigt wurde. Denn auch Sprache ist Macht. Das zentrale Thema, das Thema der Identität wurde gut herausgearbeitet:

"Doch auch das Gehirn scheint einen Geschmack dafür zu entwickeln, Erinnerungen zu verschlucken, und in die, die sie nicht als Ganzes verschluckt, beißt sie Löcher hinein – die Korrektur einer Erinnerung mittels fotografischer Beweise zum Beispiel habe ich erfahren, und mehr als einmal habe ich es nicht als Augenblick der Genugtuung empfunden, sondern als Augenblick plötzlichen Hungers." - Buchzitat (S. 121)

"Ich ersetzte die Erinnerung an einen schwarzen Mann durch eine Erinnerung an weiße Männer, um mir selbst eine Geschichte zu erzählen, um mich selbst zu erkennen, löschte ich meinen Vater aus. Wer bist du, wenn du dir nicht sicher sein kannst, wann und für wie lange du irgendwo gewohnt hast? Wer bist du, wenn du jedes Mal, wenn du dich an dein Leben erinnerst, dein Leben auslöschst?" - Buchzitat (S. 109)

Auch ist mir aufgefallen, dass auf Seite 140 der Begriff "Anti-Selbstmord-Kampagne" genutzt wurde. Ich persönlich lehne den Begriff Selbstmord ab, da er Betroffene kriminalisiert. Personen, die Suizid begehen, werden dadurch auf eine Stufe mit Mörder:innen gestellt und das macht den Anschein, als würden sie einen juristischen Straftatbestand erfüllen. Die Gründe für Mord werden aber durch einen Suizid nicht erfüllt und so werden Menschen die einen Suizid überleben ja nicht vors Gericht gestellt. Daher empfiehlt es sich von Suizid oder Selbsttötung zu sprechen anstelle von Selbstmord.

Alles in allem hatte ich mir von diesem Buch mehr erwartet und musste mich dazu zwingen, es überhaupt fertig zu lesen. Aufgrund der genannten Gründe kann ich "Die Sonne stand tief, als ich meinen Vater fand" nur 2 von 5 Sternen geben.

Das Buch wurde mir als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Dies hatte jedoch keinen Einfluss auf die Rezension/meine Meinung.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.02.2024

Zwischen Dolmetschen und Distanz: 'Intimitäten' von Katie Kitamura im Spiegel der Erwartungen

Intimitäten
0

"Das Dolmetschen ist eine sehr subtile Angelegenheit, nicht umsonst ist der englische Begriff dafür 'interpretation' - so wie Schauspieler eine Rolle interpretieren oder Musiker ein Musikstück. Dem Gerichtshof ...

"Das Dolmetschen ist eine sehr subtile Angelegenheit, nicht umsonst ist der englische Begriff dafür 'interpretation' - so wie Schauspieler eine Rolle interpretieren oder Musiker ein Musikstück. Dem Gerichtshof und all seinen Aktivitäten wohnte eine gewisse Spannung inne, die aus dem Widerspruch zwischen der Intimität persönlichen Leids und dessen öffentlicher Zurschaustellung entstand. Ein Gerichtsverfahren war eine wohlkalkulierte komplexe Darbietung, an der wir alle beteiligt waren und aus der sich niemand vollkommen her-aushalten konnte." - Buchzitat (S. 20)

Katie Kitamura, eine amerikanisch-japanische Autorin, präsentiert mit "Intimitäten" einen Roman, der die Heimatlosigkeit einer Dolmetscherin am Internationalen Gerichtshof in Den Haag beleuchtet. Kitamura geboren 1979 in Kalifornien, absolvierte ihr Studium an der Princeton University und ist nicht nur eine renommierte Schriftstellerin, sondern auch Journalistin und Kunstkritikerin. Mit vorherigen Werken wie "Gone to the Forest" und "The Longshot," beides Finalisten für den New York Public Library's Young Lions Fiction Award, hat sie bereits literarische Spuren hinterlassen.

Die Geschichte in "Intimitäten" dreht sich um eine namenlose Erzählerin, die den Internationalen Gerichtshof als Dolmetscherin verlässt, um in Den Haag zu arbeiten. Dort begegnet sie Adriaan und glaubt, in dieser Stadt endlich ein Zuhause gefunden zu haben. Doch Adriaan verschwindet abrupt, hinterlässt Fragen und Unsicherheiten. Die Erzählerin steht vor der moralischen Herausforderung, für einen westafrikanischen Kriegsverbrecher zu dolmetschen, und zweifelt an Wahrheit und Gerechtigkeit.

"Intimitäten" hat mir spannende Einblicke in die Welt des Dolmetschens am Internationalen Gerichtshof geboten. Die detaillierten Schilderungen der Arbeit eines/einer Dolmetschers/Dolmetscherin und die damit verbundenen emotionalen Belastungen wurden sehr deutlich und ehrlich gesagt, hatte ich mir bisher nie viel Gedanken darüber gemacht. Gut gefallen hat mir auch, dass an einer Stelle im Buch das wichtige Thema Kolonialismus angeschnitten wird: "...neben der Büste von Johan Maurits, dem Gründer des Museums, der sein Vermögen mit transatlantischem Sklavenhandel und der Expansion von Niederländisch-Brasilien gemacht hatte. Jana hatte mir die historischen Hintergründe bei einem früheren Besuch erläutert. Sie wünschte, man würde die Büste entfernen, hatte sie gesagt, denn nicht nur werde mit ihr ein Sklavenhändler und Kolonialist geehrt, sondern sie sei auch als Kunstwerk nicht gelungen." - Buchzitat (S. 123) Gerne wäre ich da noch tiefer eingetaucht.

Leider lässt mich das Buch im gesamten dennoch eher gespalten zurück. Unter anderem auch, weil nicht durchgehend gegendert wurde und die fehlenden Anführungszeichen bei direkter Rede (eine stilistische Entscheidung) es mir schwer gemacht haben, mich auf die Dialoge zu konzentrieren. Dadurch bin ich nicht richtig in einen "Leseflow" gekommen.

Der Klappentext hält in meinen Augen nicht, was ich mir davon erwartet habe. Er ist nicht falsch beschrieben - hat in mir aber den Eindruck erweckt, einen Roman mit einem gewissen Spannungsbogen vorzufinden, bei dem die Nähe zu dem Kriegsverbrecher mehr im Fokus steht und durch das Verschwinden des Mannes den sie liebt noch eine spannende Side-Story auf mich wartet. Leider stand die nicht sehr spektakuläre Liebesgeschichte welche für mich für mich irgendwie konstruiert und unnatürlich wirkte, zu sehr im Fokus. Ich hätte gerne (noch)mehr über die Beziehung zum Kriegsverbrecher bzw. den Dolmetscher:innenalltag erfahren. Und auch das Ende war kein großer Plot Twist und eher enttäuschend - der Ausgang der Beziehung wirkt erzwungen.

Ich denke nicht, dass mir das Buch lange in Erinnerung bleiben wird. Schade, denn sprachlich hat es einige Höhepunkte zu bieten und auch thematisch hätte man mehr rausholen können und tiefer in bestimmte Aspekte eintauchen. Die beschriebenen Details zur Vielschichtigkeit des Übersetzens, von Emotionen bis zu Nuancen der Sprache, sind fesselnd und öffnen eine neue Perspektive.

Alles in allem denke nicht, dass mir "Intimitäten" lange in Erinnerung bleiben wird. Schade, denn sprachlich hat es einige Höhepunkte zu bieten und auch thematisch hätte man mehr rausholen können und tiefer in bestimmte Aspekte eintauchen. Die beschriebenen Details zur Vielschichtigkeit des Übersetzens, von Emotionen bis zu Nuancen der Sprache, sind fesselnd und öffnen eine neue Perspektive. Aus den genannten Gründen gebe ich dem Buch 2/5 Sternen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere