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Veröffentlicht am 18.02.2024

Zu viele Abenteuer, zu wenig Emotionen

Heinz Labensky - und seine Sicht auf die Dinge
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„Er machte sich auf eine ungewisse Reise und hatte damit unversehens etwas begonnen, was er selbst noch nicht durchschaute.“ (S. 25)
Heinz Labensky verbringt seinen Lebensabend in einem Erfurter Seniorenheim, ...

„Er machte sich auf eine ungewisse Reise und hatte damit unversehens etwas begonnen, was er selbst noch nicht durchschaute.“ (S. 25)
Heinz Labensky verbringt seinen Lebensabend in einem Erfurter Seniorenheim, als ihn ein Brief aus seiner Lethargie reißt. Eine Frau behauptet, die Tochter seiner 1975 verschwundenen ehemaligen Jugendliebe Rita zu sein. Jetzt hat man in Pankow in einer Klärgrube die Überreste einer Frau gefunden, die zu Rita und dem Zeitpunkt ihres Verschwindens passen. Ohne nachzudenken oder jemandem Bescheid zu sagen, setzt sich Heinz in den nächsten Flixbus nach Warnemünde, um die Tochter zu treffen. Auf dem Weg dorthin teilt er seine Erinnerungen mit seinen Mitreisenden. Er, der sich immer für langweilig gehalten hat, erzählt von Erlebnissen, die seine Gegenüber als echte Abenteuer bezeichnen – nur sind diese ihm nie so vorgekommen.

Dabei ist Heinz wirklich kein Held. Ohne Vater bei einer ständig besoffenen Mutter, die ihn auch noch verleugnete, in einem brandenburgischen Dorf aufgewachsen, stellte sich schnell raus, dass er anders war, „schulbildungsunfähig“ sagte man damals. Rita war seine einzige Freundin, weil sie wegen ihrer dunklen Haut und Katzenaugen als Kuckuckskind beschimpft wurde. Ihre Mutter hatte sich umgebracht, der Vater verprügelt sie regelmäßig. Da haben sich die beiden Ausgegrenzten zusammengetan. Heinz wollte Rita immer beschützen und schoss dann oft über das Ziel hinaus, dann verschwand sie wieder für Jahre, bis er sie zufällig wiederfand.

Nach der Leseprobe hatte ich einen abenteuerlichen Raodtripp in Heinz‘ Vergangenheit, die Aufdeckung des Geheimnisses um Ritas Verschwinden und irgendwie auch viel Gefühl erwartet, aber das haben Anja und Michael Tsokos leider nicht geliefert. Und die Art und Weise, wie Heinz in seine Abenteuer stolpert, ist mir zu konstruiert. Sei es das geheime Kinderheim, dass sich als Ausbildungsstätte für minderjährige Spione herausstellt, sein Fahrdienst für die RAF oder die Suche nach dem Bernsteinzimmer – alles Dinge, die so wirklich in der DDR passiert und auch interessant sind, allerdings wurden sie mir viel zu ausführlich erzählt. Heinz scheint für das Autorenduo nur das verbindende Element der Geschichten zu sein. Dabei hätte sein Leben genug hergegeben und mich auch deutlich mehr interessiert, zumal mir das Ende dann zu schnell kommt und die beiden wichtigsten Fragen offen bleiben (welche, verrate ich hier nicht). Außerdem ist mir aufgestoßen, dass er immer wieder als dumm dargestellt wird, zwischendurch aber komplizierte Akten lesen kann.

Mein Fazit: Interessante Fakten aus der DDR, aber zu wenig Heinz und Rita, zu wenig Emotionen.

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Veröffentlicht am 13.02.2024

Alles Käse?

Mord & Fromage
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„Für Franzosen hat Essen Eventcharakter. Es ist eine Kunst. Für die Engländer dagegen ist es einfach nur Treibstoff – ihr tankt nach und macht weiter.“ (S. 40) Ausgerechnet der Eröffnungsband des neuen ...

„Für Franzosen hat Essen Eventcharakter. Es ist eine Kunst. Für die Engländer dagegen ist es einfach nur Treibstoff – ihr tankt nach und macht weiter.“ (S. 40) Ausgerechnet der Eröffnungsband des neuen Restaurants des Sternekochs Sébastien Grosmallard endet in einem Eklat. Der berühmte Kritiker Auguste Tatillon entdeckt, dass die Spezialität des Kochs, ein Ziegenkäseparfait, mit veganem statt Ziegenkäse zubereitet wurde und zerreißt ihn in seiner Kritik. Richard hat es trotzdem geschmeckt. Doch am nächsten Tag ist der Ziegenkäsehersteller tot – hat er aus Angst vor Grosmallards Rache Selbstmord begangen? Valérie glaubt nicht daran. Sie überredet Richard, wieder eigene Ermittlungen anzustellen.

„Mord & Fromage“ ist der zweite Teil der Reihe mit dem B&B Besitzer und ehemaligem Filmhistoriker Richard Ainsworth und der etwas undurchsichtigen Valérie d’Orçay. Sie macht ein großes Geheimnis aus ihrem Beruf – Ist sie Kopfgeldjägerin Personenschützerin oder Mörderin im Auftrag der Regierung? – und ihrer Vergangenheit, zu der mehrere Ex-Männer gehören. Aber nicht nur sie, auch Richard wird diesmal unsanft mit seiner Vergangenheit konfrontiert …

Wie schon im ersten Band lebt der Fall von den skurrilen Ermittlern und ihren Reibereien. Sie lieben es, sich auf die Unterschiede zwischen Engländern und Franzosen und Männern und Frauen hinzuweisen. Zudem ist Richard in Valéries Augen viel zu langsam und gemütlich, er hingegen träumt von einer intimeren Beziehung mit, denn sie sehr sexy und weiß, mit ihrem Reizen zu kokettieren.

Leider konnte mich der zweite Fall nicht wirklich fesseln, obwohl dem ersten Toten weitere folgen. Mir wurde die Handlung bald zu verworren. Ich hatte Probleme, die Übersicht zwischen allen Beteiligten und ihren Beziehungen untereinander zu behalten. Dazu kamen die privaten Probleme von Richard und Valérie – es wurde irgendwie zu viel.

Mein Fazit: Unterhaltsam, aber nicht richtig fesselnd.

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Veröffentlicht am 18.01.2024

Anders als erwartet

Das Geheimnis der Mona Lisa
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Florenz, 1494: Lisa Gherardini und Guiliano de‘ Medici sind 15 und heimlich verliebt. Als Guiliano aus politischen Gründen fliehen muss, will ihn Lisa begleiten, wird aber entdeckt und als Strafe von ihrem ...

Florenz, 1494: Lisa Gherardini und Guiliano de‘ Medici sind 15 und heimlich verliebt. Als Guiliano aus politischen Gründen fliehen muss, will ihn Lisa begleiten, wird aber entdeckt und als Strafe von ihrem Vater in ein Kloster gesteckt. Der einzige Ausweg daraus ist die Hochzeit mit ihrem doppelt so alten Onkel Francesco del Giocondo, einem Seidenhändler. Lisa stimmt zu, und obwohl ihre Ehe relativ glücklich ist, kann sie Guiliano nie vergessen.

Venedig, 1500: Leonardo da Vinci ist nicht nur als einer der größten Künstler seiner Zeit, sondern auch ein genialer Erfinder, Ingenieur und Taktiker. Die Medicis locken ihn mit dem Versprechen nach Venedig, ihn für einen Auftrag an Cesare Borgia zu empfehlen, wenn er ein Portrait von Lisa malt. Damit will Guiliano ihr eine versteckte Botschaft zukommen lassen, die sie und Gleichgesinnte in Lebensgefahr bringen kann.

Ich habe mich mit Beate Rygierts Buch etwas schwer getan, weil ich nach der Leseprobe (Lisas Fluchtversuch) und dem Klappentext etwas anderes erwartet hatte, dass Lisas Leben und Leonardos Bild im Mittelpunkt stehen würden, tatsächlich begegnen sich die beiden aber erst spät und relativ selten.

Stattdessen gibt das Buch einen sehr breiten, ausführlichen Einblick in die politischen Verhältnisse und Veränderungen zur damaligen Zeit, die mir oft zu viel und auch unübersichtlich wurden.

„In erster Linie bin ich Erfinder. Ein Erfinder, der sich auch mit Malerei beschäftigt.“ (S. 226) Sehr interessant hingegen fand ich den Einblick in Leonardos Leben, seine Kunstwerke und Erfindungen, die verschiedene Ausführungstechniken und Schaffensprozesse, seine Werkstatt mit den vielen (später ebenfalls berühmten) Schülern und natürlich die Arbeit an der Monna Lisa.

Lisa hatte sich eine Liebesheirat und ein Leben an der Seite ihrer Jugendliebe ausgemalt, die sie nie vergessen kann und immer wieder mit ihrem aktuellen Leben vergleicht. Ihr Mann hat in seiner Familie eine Führungsposition, aber die Matriarchin ist seine Mutter, die Lisa unter ihrer Fittiche nimmt und als ihre Nachfolgerin ausbildet. „Unser Platz ist das Haus. Und glaube mir, wenn du es klug anstellst, reagierst du von hier aus die ganze Welt.“ (S. 179) Durch diese beiden Frauen bekommt man eine sehr gute Vorstellung von der Stellung der Frau im Haushalt und der Gesellschaft, dass sie nach außen zwar oft nichts zu sagen haben, innerhalb ihrer Familien aber zum Teil großes Ansehen und Macht hatten.

Mein Fazit: Ein interessanter Einblick in Leonardos Leben und Werk und eine Interpretation des Hintergrundes und der Entstehung seiner Mona Lisa.

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Veröffentlicht am 05.12.2023

Karrierefrau

Die Stunde der Reporterin
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„… die Pflicht einer Reporterin ist es, über interessante Neuigkeiten zu berichten.“ (S. 374) Aber wie weit Jordan Walsh eines Tages dafür gehen würde, ist ihr selbst nicht klar, als sie 1955 bei der Chicago ...

„… die Pflicht einer Reporterin ist es, über interessante Neuigkeiten zu berichten.“ (S. 374) Aber wie weit Jordan Walsh eines Tages dafür gehen würde, ist ihr selbst nicht klar, als sie 1955 bei der Chicago Tribune anfängt. Zumal sie, obwohl sie Journalismus studiert hat und aus einer bedeutenden Familie kommt (ihre Mutter ist eine berühmte Dichterin, ihr Vater und ihr Bruder waren bekannte Journalisten), zunächst nur über Klatsch und Trasch berichten darf, über Mode und Rezepte und wie man sich als perfekte Ehefrau / Sekretärin verhält. Doch Jordan will mehr. Sie will in die Nachrichtenredaktion und setzt sich dafür über die Anweisungen ihrer Vorgesetzten hinweg, knüpft wichtige Kontakte und versucht stets dort zu sein, wo was los ist. Als hilfreich erweist sich dabei ein Tippgeber aus dem Büro des Bürgermeisters, der eines Tages auf sie zukommt und ihr eine große Story verspricht, wenn sie ihn als Quelle geheim hält. Das kann sich Jordan nicht entgehen lassen, aber trotzdem startet ihre Karriere nicht so durch, wie erhofft …

Nach „Cosmopolitain – Die Zeit der Frauen“ waren meine Erwartungen an den neuen Roman von Renée Rosen ziemlich hoch, wurden aber leider nicht ganz erfüllt.
Ich hatte das Gefühl, dass sich die Autorin nicht entscheiden konnte, ob sie einen Roman über die stark von der Mafia beeinflussten politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen in Chicago und der USA in den 50ern schreiben wollte oder über eine junge Frau, die ihren Weg in einer Männerdomäne sucht.
Zudem ist Jordan nicht besonders sympathisch und dass liegt nicht daran, dass sie mehr will als ihre weiblichen Kolleginnen, die anscheinend nicht mit ihrer Stellung in der Gesellschaft und Redaktion hadern, sondern weil sie sich über sie erhebt, sich mit ihren männlichen Kollegen verbrüdert, mit ihnen raucht und sie unter den Tisch säuft und dabei abfällig über die Kolleginne redet – und das auch wirklich so meint.

Dabei hat sie einen sehr spannenden Hintergrund. Ihr Bruder war einige Jahre älter als sie und ebenfalls Journalist. Er wurde bei einem Verkehrsunfall mit Fahrerflucht getötet, der nie aufgeklärt werden konnte. Daran ist die Familie zerbrochen. Ihre Mutter schreibt keine Gedichte mehr und unterrichtet nicht mehr, lässt den Garten verwildern und das Haus verkommen, ihr Vater hat seinen Job bei der Zeitung hingeworfen und schließt sich saufend in seinem Arbeitszimmer ein, um DEN großen Roman zu schreiben. Für Jordan und ihre Erfolge interessieren sie sich überhaupt nicht mehr. Die hofft, dass sie als Journalistin nicht nur ihre Eltern stolz machen, sondern auch den Tod ihres Bruders aufklären kann. Dabei ist extrem ehrgeizig und schießt manchmal eben auch über das Ziel hinaus.

Mein Fazit: Interessante Details zur Chicagoer Politik und Wirtschaft Ende der 1950er aus dem Blickwinkel einer jungen Journalistin, die für ihre Karriere über Leichen geht.

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Veröffentlicht am 08.11.2023

Coming of Age meets History meets Fantasy

Das Vogelmädchen von London
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„Wir können unseren Rollen nicht entfliehen … Wir können sie nur mit einer gewissen Eleganz spielen.“ (S. 436)
London 1601: Shay ist Aviscultarierin, ein Vogelmädchen, das vor den Toren Londons im Birdland ...

„Wir können unseren Rollen nicht entfliehen … Wir können sie nur mit einer gewissen Eleganz spielen.“ (S. 436)
London 1601: Shay ist Aviscultarierin, ein Vogelmädchen, das vor den Toren Londons im Birdland (Marschland) lebt, von ihrem Vater als Falknerin ausgebildet und von ihrer Mutter im Voraussagen der Zukunft aus Karten und Vogelschwärmen unterwiesen wurde. Sie verdient ihr Geld mit Botengängen, die sie über den Dächern der Stadt macht, weil die nicht so voll und verdreckt sind wie die Straßen, und sie dem Himmel und damit den Vögeln näher ist. Außerdem befreit sie Vögel aus Käfigen, wo immer es geht. Als sie deswegen wieder einmal fliehen muss, hilft ihr ein fremder Junge – Nonesuch, der Star des Blackfriars-Theaters. Er zeigt ihr eine völlig neue Welt, in der alles besser zu sein scheint. Die Schauspieler, alles Jungen, tragen schöne Kleider und haben genug zu essen, aber es geht das Gerücht, dass der Besitzer des Theaters sie direkt von der Straße oder sogar aus ihren Elternhäusern raubt. Und müssen sie nach den regulären Vorstellungen noch private für besondere Gäste geben, bei denen sie nicht viel anhaben und die Stücke eher frivol als klassisch sind.
Shay und Nonesuch verlieben sich ineinander. Wenn er nicht auf der Bühne stehen oder sie Botengänge erledigen muss, streifen sie durch die Stadt, wobei er sich einiges ausdenkt, um Geld zu verdienen. Doch sein eigentlicher Plan ist ein eigenes, ein Geistertheater ohne festen Standort, in dem sie keine Stücke zeigen, sondern echte Szenen aus ihrem Leben nachspielen. Bei der ersten Vorstellung des Ghost Theaters überrascht Shay sich selbst und die anderen, als aus ihrem Vogelgesang eine Prophezeiung wird. Ihr Ruf verbreitet sich schnell und bald weissagt sie Königin Elizabeth – und löst damit einen Glaubenskrieg aus …

Mat Osmans schreibt über Außenseiter. Die jungen Schauspieler werden von ihren Fans bewundert und hofiert, aber niemand schaut hinter die Kulissen. Man munkelt zwar über das, was auf den Privatpartys passiert, aber niemand greift ein. Und wenn sich die Jungen weigern, droht der Abstieg vom Theater in die billigen Etablissements. Nonesuch hat eine Sonderstellung, weil er angeblich aus einer reichen, einflussreichen Familie stammt und ein wirklich guter Schauspieler ist, aber die Privatvorstellungen bleiben auch ihm nicht erspart.
Um die Aviscultarier, Shay Lebens- und Glaubensgemeinschaft, ranken sich viele Mythen. Sie leben auf einer Insel und lassen keine Fremden in ihre Gemeinschaft. Angeblich können sie mit den Vögeln kommunizieren und fliegen …

Ich tue mich schwer damit, dieses Buch einzuordnen, denn ein rein historischer Roman ist es nicht, dazu enthält es zu viele Fantasy-Elemente, wird im Laufe der Handlung immer gesellschaftskritischer und auch die Coming of Age-Geschichte der Protagonisten nimmt sehr viel Raum ein. Außerdem spielt er zwar im Mittelalter, fühlt sich aber oft dystopisch an.
Und ich hatte Probleme mit der Erzählweise, da es keinen durchgehenden Handlungsstrang gibt, sondern man wie im Theater in verschiedene Szenen geworfen wird, bei denen die Protagonisten auf- und wieder ab treten.
Der Schreibstil ist sehr poetisch und weitschweifig und passt damit zur Theater-Thematik, ich hätte mir allerdings manchmal etwas mehr Tempo und Inhalt gewünscht. Zudem fiel es mir schwer einzuschätzen, wie alt die einzelnen Personen sind und wieviel Zeit jeweils vergeht.

Mein Fazit: Auch wenn das Buch meinen Lesegeschmack nicht ganz getroffen hat, bin ich doch sicher, dass er andere Leser verzaubern wird.

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