Cover-Bild Der neue Kulturkampf
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20,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Verlag Herder
  • Themenbereich: Gesellschaft und Sozialwissenschaften - Gesellschaftliche Gruppen
  • Genre: Sachbücher / Politik, Gesellschaft & Wirtschaft
  • Seitenzahl: 272
  • Ersterscheinung: 12.02.2024
  • ISBN: 9783451397103
Susanne Schröter

Der neue Kulturkampf

Wie eine woke Linke Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft bedroht

Identitätspolitik, Cancel Culture und Wokeness – was an den Universitäten begann, beeinflusst mittlerweile breite Teile der Gesellschaft. Angetreten, um gegen Rassismus und Diskriminierung zu kämpfen und sich für Demokratie und Zusammenhalt einzusetzen, bewirkt eine woke Linke das genaue Gegenteil. Mit Sprachregelungen oder der Tabuisierung gesellschaftlicher Missstände verhindert sie eine offene demokratische Auseinandersetzung. Susanne Schröter, oft genug selbst Ziel woker Angriffe, analysiert die Ideologie der woken Linken und beschreibt, wie diese versucht, in zentralen Bereichen der Gesellschaft die Deutungshoheit zu erobern. Ein unverzichtbares Buch für jeden, der sich für die aktuellen gesellschaftlichen Debatten und Entwicklungen interessiert. Und eine kritische Analyse, die zur Reflexion über die Zukunft unserer Gesellschaft anregt.

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Veröffentlicht am 25.02.2024

Ein kluges Buch über eine sehr ernste Entwicklung, von einer Frau, die die Auseinandersetzung annimmt

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Eine Frau schlägt zurück. François Villon schrieb ein Spottgedicht auf seine Feinde, Susanne Schröter ist Wissenschaftlerin und schreibt ein Buch, in dem sie die Angriffe auf sich und die Freiheit der ...

Eine Frau schlägt zurück. François Villon schrieb ein Spottgedicht auf seine Feinde, Susanne Schröter ist Wissenschaftlerin und schreibt ein Buch, in dem sie die Angriffe auf sich und die Freiheit der Wissenschaft Stück für Stück sauber auseinander nimmt und die handelnden Personen mit Klarnamen benennt. Was kann eine Wissenschaftlerin sonst tun, um sich, ihre wissenschaftliche Reputation und die ihrer MitarbeiterInnen zu verteidigen? Schröter ist Ethnologin, eine sehr gute, mit viel Felderfahrung, und sie nutzt diese Methoden, um die Hintergründe dieser Kampagne zu analysieren, die sich insbesondere gegen sie als wichtige Stimme gegen den sich ausbreitenden Islamismus richtet. Andere, die sich in der gleichen Schusslinie befinden, stehen inzwischen unter Polizeischutz und werden öffentlich geächtet.
Ausgangspunkt ist ein in der deutschen Wissenschaftsgeschichte wohl einmaliger Vorgang. Eine renommierte Professorin, Leiterin eines Exzellenzclusters und Mitglied diverser wissenschaftlicher Beiräte, eine der international anerkanntesten Wissenschaftlerinnen, die in den letzten Jahren in der deutschen Medienlandschaft häufig gefragt war, soll mundtot gemacht und ihr Institut abgewickelt werden, weil sie sich mit den Falschen angelegt hat und weil sie Themen benannt hat, die - öffentlich - nicht benannt werden dürfen.
Susanne Schröter hat ethnologische Feldstudien zum Thema Islam-Islamismus in Deutschland durchgeführt und sich in die öffentliche Debatte um das Erstarken islamistischer Strömungen eingemischt, sie hat das getan, wovon derzeit viel die Rede ist, sie hat ihr Institut geöffnet. Sie wird als wissenschaftliche Expertin immer dann hinzugezogen, wenn es etwas zu erklären gibt, wenn Kulturen aufeinandertreffen. Sie hat in den letzten Jahren mit fünf gut recherchierten und kompetent geschriebenen Büchern das Thema Islamismus einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht - was ihr den Vorwurf der Populärwissenschaft eingebracht hat - und damit die Grundlagen für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit einem Phänomen geschaffen, das spätestens seit 2001 zunehmend die Politik bestimmt. Und sie hat ihr Forschungsinstitut geöffnet, führt regelmäßig Veranstaltungen auch mit außeruniversitären Experten durch, um eine breite Diskussion außerhalb der Universität zu ermöglichen. Sie handelt also klassisch im Humboldt’schen Sinne.
Für Aufsehen sorgte die Einladung des Tübinger Oberbürgermeisters Palmer im April 23. Die Besucher dieser Veranstaltung wurden vor der Tür von Aktivisten wüst beschimpft, Palmer kam zu spät, ließ sich auf Diskussionen ein, wehrte sich gegen die Beschimpfung als Nazi, versprach sich, ließ sich provozieren. Das wurde dann reichlich ausgeschlachtet und skandalisiert. So weit, so üblich in solchen Debatten. Erschreckend ist, dass eine feige Universitätsleitung diesem Treiben nicht nur zusah, sondern auch noch einknickte und sich vom Institut und der Veranstaltung distanzierte. Es begann eine Hexenjagd, an der sich viele Kollegen und auch Frankfurter SPD-Politiker aktiv beteiligten. Im Kern geht es darum, Sprechverbote zu verhängen, Wissenschaft am besten in den Elfenbeinturm zu verbannen und eine Zensur darüber auszuüben.
Tabuthemen seien, so analysiert Schröter, die Frage des muslimischen Antisemitismus, der sich nach dem Überfall der Hamas auf Israel auf deutschen Straßen deutlich zeige, die Rolle von Moscheegemeinden wie der von der Türkei gesteuerten DITIP, die systematisch gegen Israel, gegen Juden und gegen demokratische Grundwerte und den Westen im Allgemeinen agitierten und sich dabei sehr geschickt jeweils als Opfer darstellten. Das Generieren neuer Begriffe ist dabei eine Form der Auseinandersetzung. Jüngstes Beispiel ist der Begriff des antimuslimischen Rassismus, der auch Eingang in den Koalitionsvertrag von CDU und SPD in Berlin gefunden hat. Ein weiterer großer Streitpunkt ist die Kopftuchfrage, konkret manifestiert im Berliner Neutralitätsgesetz, das zum Politikum stilisiert und jede sachliche Diskussion darüber unterbunden wird. Dabei geht es nicht darum, was Frauen tragen dürfen, sondern um den Schutz von Mädchen vor Indoktrination im Schutzraum Schule.
Schröter macht sich auf 240 Seiten daran, die Grundlagen dieser mittlerweile einflussreichen Denkwelt zu analysieren und benennt dabei die wichtigsten Stichwortgeber, wie etwa Achille Mbembe, Professor in Südafrika, ein ausgewiesener Israelhasser, die Debatte um ihn ist auf Wiki gut dokumentiert, der aber in woken Kreisen höchstes Ansehen genießt. Den allermeisten Menschen, die sich nicht mit postkolonialen Theorien beschäftigen, werden die Namen der StichwortgeberInnen nicht viel sagen, insofern ist das Buch auch ein nützliches Nachschlagewerk für einen Diskursrahmen, der weite Teile des kulturellen Lebens erfasst hat, für Außenstehende aber undurchsichtig erscheint.
Kern postkolonialer Theorien ist es, dem Westen, Europa, den Weißen die Schuld an allem zu geben, was im globalen Süden schief läuft. Kurz und prägnant analysiert sie, dass sowohl Indien als auch China zu den aktuellen Modernisierungsgewinnern gehören, während andere Länder trotz massiver Entwicklungshilfe kaum Fortschritte machen. Eine kapitalistische Weltordnung sei dafür ebenso wenig verantwortlich wie das Agieren westlicher Konzerne. Dass die politische Linke nach wie vor davon überzeugt ist, die Entwicklung der ganzen Welt entscheidend beeinflussen zu können, hat sie bereits in ihrem letzten Buch als realitätsferne Hybris kritisiert.
Ein weiterer neuer Begriff, der an der Humboldt-Universität zu Berlin geprägt wurde, ist der der postmigrantischen Gesellschaft. Darunter verstehen die Akteure, dass Strukturen, Institutionen und politische Kulturen nachholend an die Migrationsrealität angepasst werden müssten. Im Klartext: Nicht die Migranten, sondern die deutsche Gesellschaft muss sich anpassen. Schröter gibt dem Fall des ARD-Journalisten Constantin Schreiber breiten Raum, der heftig angegriffen wurde, weil er Schulbücher im arabischen Raum analysierte und feststellte, dass muslimische Kinder mit antisemitischen, frauenfeindlichen und extremistischen Positionen indoktriniert würden und der Hass auf Nichtmuslime mit Verweisen auf Koranverse gerechtfertigt werde. Schreiber wurde dafür im vergangenen Jahr heftig attackiert, auch körperlich, und hat für sich beschlossen, nicht mehr über den Islam zu schreiben. Es sei ihm zu gefährlich. So werden Menschen mundtot gemacht. Und die Kollegenschaft schweigt bisher zu diesem Angriff. Es sei erklärungsbedürftig, so Schröter, warum Kritik am politischen Islam und an antisemitischen, frauenfeindlichen und antidemokratischen Strukturen in muslimischen Organisationen von der woken Linken als rassistisch skandalisiert werde. Das mag zum Teil an einem beklagenswerten Wissensdefizit liegen, meint die Autorin, und liefert dafür einige prägnante Beispiele.
Inzwischen gebe es eine Fülle von offenen Briefen, die auch von WissenschaftlerInnen unterzeichnet worden seien, die sich einseitig auf die Seite der Hamas stellten und jede Kritik an Migrationsproblemen als rassistisch abtun. Dabei werde ausgeblendet, was durch viele Studien und Recherchen längst belegt sei, in welchem Ausmaß ein fundamentalistischer Islam in Europa durch die Emirate und Saudi-Arabien gefördert werde.
Schröter geht noch einen Schritt weiter und analysiert die Wissenschaftslandschaft, die sie aufgrund ihrer vielfältigen Tätigkeiten gut kennt und die geeignet sei, Duckmäusertum zu reproduzieren. Die Art der Karriereleiter erfordere Flexibilität, Überstunden und keinen Gedanken an Familienplanung. Frauen seien nach wie vor unterrepräsentiert, fast zwei Drittel aller Professorinnen, aber nur ein Drittel aller Professoren hätten keine Kinder. Solche Missstände ließen sich leicht beheben. Das scheint in der Wissenschaft noch nicht angekommen zu sein, resümiert sie.
Frauenfeindliche Strukturen in islamischen Kontexten anzuprangern, ist nicht konsensfähig. Das zeigten viele prominente Beispiele, die solche Strukturen in ihren Heimatländern schonungslos aufdeckten und dafür mit Hasstiraden überzogen würden. Eine Auseinandersetzung mit diesen Strukturen in migrantischen oder muslimischen Communities ist bis heute nicht erwünscht, weil sie das weiße Narrativ stört. Der intersektionale Feminismus, so die Autorin, schweige zu den gravierendsten Verletzungen von Frauenrechten, zur Tradierung extrem patriarchaler Frauenbilder oder zu Geschlechterordnungen, die die Unterordnung von Frauen zum Programm erheben. Es sei erklärungsbedürftig, warum Kritik am politischen Islam und an antisemitischen Strukturen in muslimischen Organisationen von der woken Linken als rassistisch skandalisiert werde. Die Autorin bezweifelt zudem die Wissenschaftlichkeit aktueller Studien zu Rassismus, Antisemitismus und Islamophobie und belegt ihre Kritik mit zahlreichen Beispielen.
Ein Kapitel des Buches ist ganz aktuell den Benin-Bronzen gewidmet. Schröter stellt nicht in Abrede, Raubgut zurückzugeben, aber sie kritisiert die Art und Weise der Rückgabe.
Das Königreich Benin, im heutigen Nigeria gelegen, wäre aktiv am Sklavenhandel beteiligte. Die Bronzebarren waren Teil der Bezahlung. Europäische Staaten profitierten vom Sklavenhandel, aber erst England beendete ihn 1807. Dies löste in den Sklavenwirtschaften wirtschaftliche Krisen aus, die zu militärischen Konflikten führten. Einer davon war die englische Intervention in Benin. Schröter kritisiert, dass bei der Rückgabe der Bronzen die Interessen der Nachbarvölker, die von Benin versklavt oder deren Angehörige als Sklaven verkauft worden waren, nicht berücksichtigt wurden. Entsprechend gibt es von deren Seite auch Kritik an der Art der Rückgabe. Schröter vermutet, dass es manchen nicht in erster Linie um Nigeria oder berechtigte Rückgabeforderungen ginge, sondern um die Befindlichkeiten der Kölner Ethnologen, die in einem nicht enden wollenden Prozess geteilter Trauerarbeit eine neue Daseinsberechtigung suchten und fanden.
Die Autorin weiß, wovon sie spricht, wenn sie sich z.B. mit den Ideen von Marx21 auseinandersetzt. In ihrer Jugend war sie selbst linke Aktivistin und kennt die Denkstrukturen. Marx 21, die heutige Vorsitzende der Linkspartei stammt aus dieser Bewegung, schreibt auf ihrer Homepage: ... nachdem die rechtsextreme israelische Regierung in den vergangenen Monaten eine Welle der Gewalt gegen Palästinenserinnen organisiert hatte, schlug die Hamas unerwartet zurück: Kämpferinnen aus Gaza brachen in einer Geheimoperation aus dem seit 16 Jahren hermetisch abgeriegelten Küstenstreifen aus. ....So sieht Täter-Opfer-Umkehrung aus.
Schröter sieht, so ihr Fazit, nicht mehr und nicht weniger als die Freiheit der Wissenschaften in Gefahr, wenn kritische Stimmen aus dem Wissenschaftsbetrieb gedrängt werden. Am 2. Februar wird erstmals der Preis für Wissenschaftsfreiheit vom Netzwerk Wissenschaftsfreiheit in Berlin in der Akademie der Wissenschaften in Einsteinsaal (!!) verliehen.
Das Buch ist lesenswert, weil es Erklärungsmuster liefert, zur Debatte anregt, und ein Beispiel dafür ist, wie jemand aufsteht, gegen Mobbing kämpft und gleichzeitig die Fahne der Wissenschaft hochhält, die in so vielen Ländern gerade beschmutzt wird.

La Gomera, 27.1.2024
Peter Schrage-Aden
Vorstandsmitglied Ruth-Weiss-Gesellschaft e.V.
www.Ruth-Weiss-Gesellschaft.de

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