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Veröffentlicht am 06.09.2024

Eine Wildwestgeschichte der anderen Art

Sing, wilder Vogel, sing
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Die Tragödie von Doolough 1849 ist ein trauriges Kapitel irischer Geschichte, das bei uns niemand kennt, das aber in Irland noch heute einen Gedenktag hat. Honora war dabei, hat schlimmsten Hunger erlitten ...

Die Tragödie von Doolough 1849 ist ein trauriges Kapitel irischer Geschichte, das bei uns niemand kennt, das aber in Irland noch heute einen Gedenktag hat. Honora war dabei, hat schlimmsten Hunger erlitten und überlebt und wir können es hier plastisch miterleben.

Honoras Leben war schon immer hart. Die Zustände im damaligen Irland bekommt man eindringlich vor Augen geführt, tiefes Leid, Armut, Hunger und schlimmer Aberglaube, der Honora zur Aussätzigen macht. Bei ihrer Geburt flog ein Rotkehlchen durchs Zimmer. Solche Menschen bringen Unglück und werden gemieden. Später flieht sie nach Amerika, aber ihr Leiden hört damit nicht auf.

Die Lektüre dieses Buches ist fesselnd und intensiv. Fängt man an, kann man es nur schwer weglegen. Allerdings erzählt es uns Honaras Geschichte mit einigem Mut zur Lücke. Wenn zum Beispiel ausführlich überlegt wird, wie sie sich denn unbemerkt auf das Schiff nach Amerika schleichen könnte, dann möchte ich auch erfahren, wie sie es geschafft hat. Wir bekommen einen Cut - sie ist einfach da und trifft direkt hilfreiche Mädchen, die sie heimlich versorgen. So etwas finde ich ärgerlich.

Auch die ganzen Rotkehlchen, die immer wieder durch das Buch fliegen, schaffen eine reichlich bemühte Symbolik, die das Buch gar nicht nötig hätte.

Trotzdem hat mir das Buch sehr gefallen. Es verknüpft geschickt ein Stückchen irische und amerikanische Historie und erzählt auch die spannende Geschichte einer Frau, die viel Pech im Leben hatte, die aber auch eine bewundernswerte Überlebenskünstlerin ist. Dieses Buch erzählt sehr originell eine Wildwestgeschichte der anderen Art.

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Veröffentlicht am 05.08.2024

Hoch interessant und ausführlich

Das Wesen des Lebens
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Dieses Buch ist auf jeden Fall wunderbar erzählt und informativ. Von der Stellerschen Seekuh hatte ich noch nie gehört. Hier ist man dabei, wie sie entdeckt und direkt ausgerottet wird und sitzt in der ...

Dieses Buch ist auf jeden Fall wunderbar erzählt und informativ. Von der Stellerschen Seekuh hatte ich noch nie gehört. Hier ist man dabei, wie sie entdeckt und direkt ausgerottet wird und sitzt in der ersten Reihe.

Es ist 1741 als Kapitän Vitus Bering den „Naturforscher, Theologen und seltsamen Kauz“ Georg Wilhelm Steller engagiert, seine neuste Reise ins Nordpolarmeer zu begleiten. Von Kamtschatka ins Unbekannte, um neue Ufer zu erforschen und zu kartographieren. Steller ist ein Besessener und entdeckt ein riesiges Tier, das niemand je gesehen hat. Man kann es leicht töten, aber nur schwer bergen. Nach ein paar hundert Fehlversuchen können die Entdecker feststellen, dass die Stellersche Seekuh höchst schmackhaft, ihr Fett höchst brauchbar und ihr Vorkommen unbegrenzt ist. Hundert Jahre später gibt es sie nicht mehr, dafür jagt man jetzt Riesenalke, die sind auch lecker.

Welche Auswirkung können menschliche Obsessionen auf die Natur haben, was bewirkt Ignoranz und Borniertheit und werden wir je lernen, achtsam mit unserer Umwelt umzugehen? Diesen Fragen geht man hier sehr anschaulich nach und serviert hübsch zubereitete historische Häppchen. In wunderbarer Sprache, mit einem leicht süffisanten Unterton legt Iida Turpeinen alle Fakten auf den Tisch, macht lang vergessene Forscher und Abenteurer lebendig. Das Lesen könnte ein großer Spaß sein, wäre es nicht alles so unglaublich ausführlich. Bis etwa zur Hälfte des Buches habe ich mich noch an tausenderlei absonderlichen historischen Details erfreut. Aber dann wünscht man sich doch irgendwann, die Autorin würde mal zum Punkt kommen. Stattdessen wechselt sie das Jahrhundert und wartet mit neuerlichen detaillierten Berichten auf.

Dies ist ein interessantes, unglaublich akribisch recherchiertes Buch zu einem wichtigen Thema, toll erzählt nur leider viel zu ausführlich. Ich habe viel gelernt, aber auch viel überblättert.

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Veröffentlicht am 19.05.2024

Leidvoll

Windstärke 17
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Sie geht weiter, die Geschichte der schwimmenden Schwestern. Es ist ein paar Jahre später und ihre Katastrophenmutter hat sich tatsächlich das Leben genommen. Ida hat sie gefunden, hübsch zurechtgemacht ...

Sie geht weiter, die Geschichte der schwimmenden Schwestern. Es ist ein paar Jahre später und ihre Katastrophenmutter hat sich tatsächlich das Leben genommen. Ida hat sie gefunden, hübsch zurechtgemacht in ihrem Bett, die Wohnung aufgeräumt, nur eben leider tot.

Das verschafft Ida ein Trauma und einen ganzen Berg Schuldgefühle. Hätte sie was ahnen müssen? Hätte sie besser aufpassen müssen? Hätte sie nicht wegfahren dürfen? Würde ihre Mutter noch leben, wenn sie an diesem verhängnisvollen Wochenende zuhause geblieben wäre? Ida ist verstört und verzweifelt.

Wir begleiten dieses traurige Mädchen, das nicht weiß, wohin und uns an ihrer Verzweiflung teilhaben lässt. Man blickt in ihren Kopf und sie tut einem sehr leid, nur ist das dann auch wirklich leidvolle Lektüre. Im Grunde watet man das ganze Buch über knietief im Leid, nachvollziehbar und anrührend, aber man muss das halt mögen. Nicht jeder möchte eine schlimme Depression durchleben, wenn er nicht muss.

Gewürzt wird das Ganze mit einer zarten Liebesgeschichte, bei der ganz im Hintergrund ein paar Probleme schlummern und leise „Fortsetzung“ wispern. Dabei würde ich viel lieber eine neue Geschichte dieser Autorin lesen. Caroline Wahl schreibt schön, auf originelle Art berührend. Hoffen wir, dass sie sich frei schwimmt.

Das Hörbuch liest Maximiliane Häcke schön und angemessen betroffen. Sie hat eine sehr passende Stimme für dieses Buch, man glaubt tatsächlich, es würde Ida höchst persönlich sprechen. Es dauert 6 Stunden und 56 Minuten.

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Veröffentlicht am 19.02.2024

TRAURIG

Himmelwärts
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Dieses Buch sollte man unbedingt mit einem Warnhinweis versehen: Achtung, TRAURIG!!!

„Es war einmal, da war die Schwerkraft noch nicht so schwer. Da war unser Lachen noch ohne das Summen zwischen den ...

Dieses Buch sollte man unbedingt mit einem Warnhinweis versehen: Achtung, TRAURIG!!!

„Es war einmal, da war die Schwerkraft noch nicht so schwer. Da war unser Lachen noch ohne das Summen zwischen den Atomen.“

Toni-Pepperoni ist 10 Jahre alt und ihre Mutter ist gestorben. Sie ist traumatisiert und tieftraurig und erzählt sie uns hier höchst persönlich, was sie so denkt, während sie mit ihrer Freundin Yum Yum im Garten zeltet. Mit ihrem selbstgebauten kosmischen Radio wollen sie versuchen, mit Mama im Himmel zu reden.

Es ist toll erzählt, warmherzig, poetisch und durchweg herzzerreißend. Spätestens wenn Toni die wichtigen Momente mit Mama notiert, damit sie sie nicht vergisst, bleibt kein Auge trocken. Das wirft aber auch die Frage auf: Für wen ist dieses Buch geeignet? Es ist als Kinderbuch ab 10 Jahren ausgewiesen. Ich würde aber unbedingt empfehlen, dieses Buch mit einem Kind gemeinsam zu lesen. Das Thema „Mama ist tot und ich bin traurig“ wird hier höchst plastisch behandelt. Möglicherweise kann das Kindern, die in dieser Situation sind, ein wenig helfen, alle anderen triggert es maximal.

Dies ist ein wunderschönes Buch mit einer originellen Idee, wunderbarer Sprache und kunstvollen Illustrationen, das ich meinem Kind eher nicht kaufen würde. Erstaunlich, oder?

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Veröffentlicht am 13.01.2022

Ein leidvolles Durcheinander mit genialer Auflösung

Hundepark
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Ich habe inzwischen schon mehrere Bücher dieser genialen Autorin gelesen und stelle fest, jedes ist ganz und gar anders, thematisch, aber auch stilistisch. Dieses hier ist emotional, wütend und verzweifelt, ...

Ich habe inzwischen schon mehrere Bücher dieser genialen Autorin gelesen und stelle fest, jedes ist ganz und gar anders, thematisch, aber auch stilistisch. Dieses hier ist emotional, wütend und verzweifelt, direkt. Ihre geschliffene Sprache und der wunderbare Humor blitzen auf, kommen aber nicht so zum Tragen wie z. B. in „Fegefeuer“.

Hier geht es um das Leben in der Ukraine nach dem Zusammenbruch des Sowjetsystems. Die plötzlich gewonnene Freiheit bietet Raum für kreative Geschäftsmodelle. Während Babuschka Galina in ihrem Garten Mohn zur Opiumgewinnung züchtet, entsteht anderswo ein Kinderwunschzentrum, das junge, attraktive Eizellenspenderinnen vermittelt, gerne mit Stammbaum. Damit hatte auch Olenka zu tun, die inzwischen in Helsinki lebt und Angst hat. Täglich beobachtet sie im Hundepark die spielenden Kinder.

Der Aufbau des Buches ist anspruchsvoll und fordernd. Erst weiß man nur, dass Olenka verzweifelt ist und nicht mehr leben will. Wie es dazu kam, wird nach und nach geklärt. Ihre Geschichte umfasst gut 30 Jahre. In zahlreichen Zeitsprüngen wird das Geschehen eingekreist.


Das allein wäre schon verzwickt genug, die Autorin legt aber noch nach. Kaum meint man, der Handlung folgen zu können, bekommt man unvermittelt ein paar Erinnerungen, Anekdoten oder ausführliche Beobachtungen geliefert, bis man kaum noch weiß, wo man sich befindet. Man bekommt immer nur kleine Zipfel zu fassen und schwimmt durchs Geschehen. Auf dem Weg zur Auflösung hat man Mühe, sich die Probleme zu merken, ein schrecklich leidvolles Durcheinander. Das Lesen ist fordernd und sehr anstrengend. Dieses Buch bringt einen an seine Grenzen. Wenn ich nicht in der Rezensionspflicht gewesen wäre, hätte ich es abgebrochen.


Allerdings lohnt sich das Durchhalten dann doch. Zum Ende hin mausert sich der Wirrwarr tatsächlich zu einem handfesten Thriller mit genialem Plot. Ich bin ein bisschen ratlos, wie ich das bewerten soll. Grundsätzlich empfand ich das Buch als sehr ärgerlich, habe aber doch viel ukrainische Atmosphäre und Geschichte mitbekommen und die Auflösung ist großartig. Ich vergebe vier freundliche Sterne, aber der Vierte wackelt ein bisschen.

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