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Veröffentlicht am 05.03.2024

Frühling auf Sommerby - rundum gelungene, hyggelige Fortsetzung

Sommerby 4. Am schönsten ist es in Sommerby
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„So ist das vielleicht manchmal im Leben. Dass man es gar nicht richtig machen kann, denkt Mikkel. Auch wenn man das bestimmt will. Und dann muss man sich entscheiden.“

Eigentlich wollen Papa und Mama ...

„So ist das vielleicht manchmal im Leben. Dass man es gar nicht richtig machen kann, denkt Mikkel. Auch wenn man das bestimmt will. Und dann muss man sich entscheiden.“

Eigentlich wollen Papa und Mama die Osterferien mit Martha, Mikkel und Mats auf Gomera verbringen. Doch als Oma Inge sehr enttäuscht darüber ist, handeln die drei Geschwister aus, dass sie ihren Urlaub ohne die Eltern bei Oma Inge verbringen dürfen. Auf Mikkel wartet bei Oma Inge eine ganz besondere Überraschung. Matha vermisst Enes, der in den USA ist, sie zweifelt aber daran, dass es umgekehrt genauso ist. Zum Glück ist sie ziemlich beschäftigt damit, Aylin in der Schnasselbude zu helfen, so dass zum Nachdenken wenig Zeit bleibt. Und Mats lernt ein Mädchen kennen, das behauptet eine echte Prinzessin zu sein. Ziemlich viel los in Sommerby. Kann man bei all dem Trubel überhaupt gemütlich Ostern feiern?

Kirsten Boie schreibt kindgemäß, bildhaft, lebendig und mit sehr viel Empathie für ihre Figuren. In den recht kurzen Kapiteln nimmt sie abwechselnd die Perspektive ihrer unterschiedlichen Protagonisten ein, schildert dabei, was Martha, Mats und Mikkel erleben und wie sie empfinden. Jedes Kapitel wird mit einer hübsch gezeichneten Vignette eingeleitet, die ein Motiv aus der Handlung zeigt.

Während der abenteuerlustige, umtriebige Mats immer vorne dabei ist und sehr direkt seine Meinung sagt, präsentiert sich sein älterer Bruder Mikkel deutlich zurückhaltender. Er macht sich als Sandwichkind sehr viele Gedanken, möchte es immer allen recht machen. Der sensible Junge und seine mitfühlenden Überlegungen rührten mich immer wieder. Ein echt tolles, großartiges Kind! Auch Martha ist wirklich patent. Sie hilft anderen bereitwillig, übernimmt gerne Verantwortung, beobachtet genau und zieht bei anderen oft die richtigen Schlüsse. Was ihr eigenes Leben betrifft, urteilt sie allerdings manchmal etwas vorschnell und emotional. Und dann ist da natürlich noch Oma Inge, die nach außen etwas forsch wirkt, aber ein großes Herz hat und ihre Enkelkinder über alles liebt. Sie braucht manchmal ein wenig Zeit, um sich an Dinge zu gewöhnen. Die Figuren werden sehr genau und authentisch gezeichnet. Man merkt, dass die Autorin große Sympathien für alle Personen hegt, sie versetzt sich in alle Charaktere sehr gut hinein, beschreibt ihre Gedanken einfühlsam, versteht sie. Auch ich mag alle Figuren mit ihren Ecken und Kanten, fieberte mit ihnen mit.

Die Sommerby-Bücher sind für mich wie Urlaub und gleichzeitiges Heimkommen. Sie vermitteln eine wunderbar idyllische, hyggelige Atmosphäre. Aber gleichzeitig werden dabei realistische Probleme angesprochen. Auch in Sommerby schwelen einige Konflikte, gehören doch die Kinder, ihre Eltern und Oma Inge verschiedenen Generationen an und haben daher oft unterschiedliche Einstellungen. So wird z.B. Marthas Veganismus, für den Oma Inge anfangs wenig Verständnis hat oder auch die Arbeitshaltung der Eltern, die für Inge Workaholics sind, thematisiert. Mir gefällt dabei, wie sensibel auf die verschiedenen Sichtweisen eingegangen wird, ohne Partei zu ergreifen. Kirsten Boie beschreibt typische Verhaltensweisen in der Kommunikation miteinander. Martha erkennt dabei oft genau, woran es zwischen den Erwachsenen hakt, doch ist es eben nicht immer so einfach, Verständnis für andere aufzubringen und die eigene Meinung und seine Gefühle zurückzustellen. Manche Konflikte sind oft zu „festgefahren“, um sie zu lösen. Doch scheint Sommerby magische Kräfte zu haben, alles läuft hier deutlich entschleunigter, ruhiger und entspannter ab als anderswo, was sich auch auf die Menschen und ihren Umgang miteinander auswirkt.
Die Erfahrungen der Kinder in Sommerby sind „echt“, sie erleben fernab von Social Media ihre eigenen Abenteuer. Oma Inge passt sich zwar mittlerweile auch dem technischen Fortschritt an - sie hat beispielsweise jetzt Telefon- zeigt aber auch immer wieder, dass es das Internet zum Überleben nicht braucht. In Sommerby kann jeder von jedem lernen, was unaufdringlich und ohne Belehrung gezeigt wird. „Am schönsten ist es in Sommerby“ ist eine ganz wunderbare Wohlfühlgeschichte mit besonderer Grundstimmung. Ich finde, jeder sollte Sommerby unbedingt kennenlernen, denn hier ist es wirklich am schönsten.

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Veröffentlicht am 19.02.2024

Origineller, tierisch komischer Bauernhofkrimi mit unterhaltsamen Charakteren

Penny Pepper – Überfall im Hühnerstall
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Großartige Neuigkeiten in Pennys Heimatort Schnuckendorf! Das alte Gruselhaus ist weg und stattdessen steht auf dem Grundstück jetzt ein Bauernhof, genauer gesagt ein Erlebnisbauernhof mit Alpakas, Kühen, ...

Großartige Neuigkeiten in Pennys Heimatort Schnuckendorf! Das alte Gruselhaus ist weg und stattdessen steht auf dem Grundstück jetzt ein Bauernhof, genauer gesagt ein Erlebnisbauernhof mit Alpakas, Kühen, Esel, Ponys und allem, was sonst noch dazugehört. Und noch viel besser: Wenn man bei der Bauernhof-AG der Schule mitmacht, darf man jeden Tag bei der Tierpflege und anderen Arbeiten auf dem Hof helfen. Doch die Plätze sind natürlich heiß begehrt. Penny und ihre Freundinnen haben großes Glück, sie kommen in die AG. Doch ihr Glück währt nur kurz. Plötzlich verschwinden drei Hühner spurlos. Und auch weitere Tiere lösen sich nach und nach scheinbar in Luft auf. Wo sind die Tiere hin? Und wer steckt dahinter? Definitiv ein neuer Fall für Penny Pepper und ihre Freundinnen...

Das Geschehen wird im typischen Penny Pepper-Stil präsentiert. Penny erzählt die Geschichte tagebuchartig, lebendig und erfrischend direkt aus ihrer Sicht in der Ichform. Dabei beweist sie viel Humor. Immer wieder erklärt sie Begriffe und Dinge auf ihre eigene Art, so lernen die Leser z.B. was das Wort „zünftig“ bedeutet oder was sich hinter dem Gericht „Verlorene Eier“ verbirgt. Häufig verbessert sich Penny selbst, in dem sie Wörter durchstreicht und durch vermeintlich passendere ersetzt, was stets amüsant zu lesen ist. Natürlich kommt auch wieder das berüchtigte Diktiergerät mit seinen lustigen Verhörern zu Wort. Auch die wunderbar komischen und sehr treffenden Illustrationen von Lisa Hänsch dürfen nicht fehlen. Sie unterhalten, motivieren und lockern den Text auf. Teilweise äußern sich die gezeichneten Figuren über Sprechblasen. Viele unterschiedliche Schriftarten gestalten die ohnehin schon sehr kreativen und originellen Seiten noch abwechslungsreicher. Dadurch werden auch Lesemuffel ab acht Jahren angesprochen.

Erzählerin Penny Pepper ist aufgeweckt und hat viele gute Einfälle, ihre Freundin Marie ist das Hirn des Detektivinnenquartetts und kombinieret schlau, Floras Eltern sind reich, was sich oft als praktisch erweist. Ida isst gerne und sorgt mit ihrer Tollpatschigkeit immer wieder für lustige Szenen. Die Reihe besticht zudem durch ihre witzig-skurrilen Nebenfiguren wie Pennys Oma, die sich nicht immer so ganz großmütterlich verhält, die stets verdächtige, ominöse Blutbachtochter, die nervenden Parallelklasszicken oder die drolligen Hunde Dschastin und Mailie. Langweilig wird es bei all diesen vielfältigen, bunten Figuren definitiv nicht.

Ob Penny die verschwundenen Tiere wiederfindet? Wer steckt wohl hinter den Entführungen?
Penny Pepper überzeugt auch in ihrem neuen Fall zu hundert Prozent. Die Leserinnen und Leser können dabei ordentlich miträtseln, werden immer wieder auf falsche Spuren geführt.
Ein tierisch lustiges, originell gestaltetes, spannendes Krimicomictagebuch mit tollen Illustrationen, das einfach nur großen Spaß macht. Und ganz nebenbei lernt man auch noch Fremdwörter und anderes Sachwissen, die hier völlig unaufdringlich und kindgemäß erklärt werden. Sowohl meine acht- als auch mein zwölfjährige Tochter lieben diese einzigartige Reihe und freuen sich schon auf Pennys nächsten Fall.

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Veröffentlicht am 11.12.2023

Gregs Schule im Krisenmodus - originell und urkomisch

Gregs Tagebuch 18 - Kein Plan von nix
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Greg geht nicht sehr gerne zur Schule. Das ist verständlich, denn an Gregs Schule sind die Zustände alles andere als rosig. Im Unterricht werden komplett nutzlose Dinge gelehrt, die Lehrer und Schüler ...

Greg geht nicht sehr gerne zur Schule. Das ist verständlich, denn an Gregs Schule sind die Zustände alles andere als rosig. Im Unterricht werden komplett nutzlose Dinge gelehrt, die Lehrer und Schüler sind wenig motiviert und es fehlt allgemein an finanziellen und sonstigen Mitteln. Kein Wunder, dass die Schule bei landesweiten Tests total versagt. Der neue, alte Rektor möchte sofort etwas ändern, doch die Situation verschlimmert sich noch. Schließlich droht sogar die Schulschließung. Das gefällt Greg überhaupt nicht. Ob seine Schule doch noch zu retten ist?

Die Geschichte wird aus Gregs Sicht in Ich-Form wie ein Tagebuch erzählt. Greg schreibt dabei im gewohnten Greg-Stil teilweise chronologisch, was ihm aktuell durch den Kopf geht. Herrlich unterhaltsam dazu die einfachen wie klaren und absolut komischen Illustrationen auf jeder Seite. Durch die individuellen Bilder werden auch Lesemuffel motiviert, das abwechslungsreiche und kreativ gestaltete Buch zu lesen. Die Geschichte richtet sich an Kinder ab neun Jahren, wobei diese sicher nicht alle Anspielungen verstehen. Auch Erwachsene, die Gregs speziellen Humor mögen, werden daher garantiert noch Spaß an der Geschichte haben.

Greg ist ein phantasievoller Junge mit unzähligen witzigen Einfälle. Er hat tatsächlich oft keinen Plan von nix, bemüht sich aber stets, das zu ändern. Greg schreibt nicht wie im Deutschaufsatz strukturiert und gegliedert, sondern so, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Das macht das Buch eben typisch Greg. An Gregs Schule tummeln sich allerhand skurrile Figuren: Lehrer, die keine sind oder sehr spezielle Interessen haben, naive, übermütige und allerlei andere Schüler und sogar Roboter. Kein Wunder, dass es da immer wieder zu völlig absurden, skurrilen Szenen kommt.

Aufgrund der Umstände ist Gregs Schulkarriere wenig vielversprechend. Die Zustände an seiner Schule sind desaströs, aber irre komisch. Mit viel Humor und völlig übertrieben weist „Kein Plan von Nix“ auf die großen, grundlegenden Probleme des amerikanischen Schulsystems hin. Es gibt dabei viel zu lachen, aber auch Stoff zum Nachdenken. Auch wenn der Spannungsbogen nicht eindeutig verläuft und der Klappentext möglicherweise falsche Erwartungen weckt, sind Gregs Beobachtungen und seine Einträge äußerst unterhaltsam und extrem witzig. Wer das Leben nicht immer so ernst nimmt und beim Lesen gerne lacht, macht mit „Kein Plan von Nix“ nichts falsch. Greg ist einfach Kult und auch sein neues Buch sehr lesenswert.

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Veröffentlicht am 25.10.2023

Vom Erwachsenwerden und der Suche nach dem Ich

Irgendwo wartet das Leben
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„Als Orchid Mason die Klasse betrat, dachte Dorothy: Sie ist das Mädchen aus dem Märchen, das über eine Wiese schwebt und am Ende einen Prinzen findet. Oder eine Spindel.“

In der Middle School des Städtchens ...

„Als Orchid Mason die Klasse betrat, dachte Dorothy: Sie ist das Mädchen aus dem Märchen, das über eine Wiese schwebt und am Ende einen Prinzen findet. Oder eine Spindel.“

In der Middle School des Städtchens Fawn Creek passiert normalerweise nie etwas Unvorhergesehenes. Doch dann betritt eines Tages überraschend eine neue Mitschülerin, Orchid Mason, die Schule. Orchid ist nett und anders. Sie bringt frischen Wind in die Klasse und freundet sich mit den Außenseitern Dorothy und Greyson an. Das wird nicht von allen gern gesehen und so ist Orchid, die so unbeschwert wirkt, manchen Bewohnern der Stadt ein echter Dorn im Auge….

Erin Entrada Kelly erzählt klar, flüssig und gut verständlich aus verschiedenen Perspektiven. Sie nimmt z.B. Greysons oder Dorothys Sichtweise ein. Dank des unkomplizierten, persönlichen Schreibstils fiel es mir leicht, mich in die Geschichte und einige Figuren hineinzuversetzen. Das Buch richtet sich an Kinder ab elf, zwölf Jahren.

Greyson ist kreativ, es macht ihm Spaß, Outfits zu entwerfen. Doch nicht nur sein älterer Bruder macht sich über ihn lustig. So traut Greyson sich nicht, das zu tun, was ihm Freude bereitet. Seine beste Freundin Dorothy hält sich ebenso im Hintergrund, versteckt sich hinter ihren Haaren und möchte bloß nicht auffallen. Orchid, die eine Blume im Haar trägt und schon in Paris gewohnt hat, fasziniert Dorothy und Greyson auf Anhieb. Sie regt die beiden sachte an, zu zeigen, was noch in ihnen steckt. Doch ist bei Orchid selbst wirklich alles so leicht, wie es scheint?

„Irgendwo wartet das Leben“ erzählt von einer typischen Klasse in einer typischen Kleinstadt. Hier herrschen zunächst feste Strukturen, doch mit Orchids Auftauchen beginnen diese zu bröckeln. Erin Entrada Kelly befasst sich in ihrem Roman mit Tonangebern, Außenseitern, Mobbing, der Suche nach Identität und dem Mut, auszubrechen und sich und etwas zu verändern. Aktuelle Probleme von Heranwachsenden werden dabei einfühlsam, authentisch und gut nachvollziehbar geschildert. Es ist nämlich alles andere als leicht, in der heutigen Zeit erwachsen zu werden und sich in der Vielfältigkeit selbst zu finden und zu mögen. Das stellt der Roman auf leise, emphatische und angenehm unaufdringliche Weise dar. Orchid bringt Hoffnung, bewegt etwas in den Menschen des Orts. Am Ende stehen einige Fragezeichen und viele Möglichkeiten offen, aber vor allem ist da auch die Zuversicht, dass es den Kinder gelingen wird, ihrem Ich und ihrem persönlichen Glück ein Stückchen näher zu kommen. Der Anstoß ist jedenfalls gegeben. Insgesamt eine wirklich lesenswerte, tiefgründige, leise und berührende Geschichte zum Nachdenken für alle, die manchmal jemand anderer sein möchten.

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Veröffentlicht am 09.10.2023

Eine Leiche im Schnee und eine verschwundene Frau - mitreißende Fortsetzung mit reizvollen Charakteren

Tief im Schatten
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„Ihr Leben lang hat sie zu hören bekommen, dass sie und die Gemeinde im Tal des Herrn wandern. Dem Platz für die Auserwählten, an dem Gott ihnen das Licht des Lebens gab, das hinausgetragen werden soll ...


„Ihr Leben lang hat sie zu hören bekommen, dass sie und die Gemeinde im Tal des Herrn wandern. Dem Platz für die Auserwählten, an dem Gott ihnen das Licht des Lebens gab, das hinausgetragen werden soll zu den Menschen in der Welt. Aber alles, was ihr begegnet ist, ist Dunkelheit.“

Während im beliebten Skiort Åre Hochbetrieb herrscht, wird in der Umgebung des Orts eine Leiche geborgen. Das brutal misshandelte Opfer ist der ehemalige Weltklasse-Skifahrer Johan Andersson. Gemeinsam mit einem Partner betrieb er zuletzt eine Firma für Sanitärinstallationen und wurde von seinen Mitmenschen stets als freundlicher, liebenswerter Mensch geschätzt. Wer ist für den Tod des Mannes, der angeblich keine Feinde hatte, verantwortlich? Hanna Ahlander und ihr Partner Daniel Lindskog von der Polizei in Åre ermitteln. Auch privat hat Daniel mit Herausforderungen zu kämpfen. Gleichzeitig verschwindet die junge Rebecka, Ehefrau von Ole Nordhammar, einem Pastoren der Freikirchengemeinde „Kirche des Lichts“. Offenbar kannten Johan und Rebecka sich und die Fälle scheinen irgendwie zusammenzuhängen. Die Zeit drängt, Rebecka muss unbedingt rasch gefunden werden, denn sie benötigt dringend medizinische Versorgung.

Viveca Sten erzählt auf zwei Ebenen. Sie begleitet die Ermittler Hanna, Daniel und ihr Team bei der Aufklärung des Mordes, schildert aber auch chronologisch Rebeckas Geschichte. Im Verlauf wird nach und nach klar, was Rebeckas Verschwinden und Johans Tod verbindet und die beiden Handlungsstränge werden zusammengeführt. Der Roman ist klar, lebendig und ungezwungen formuliert, lässt sich daher flüssig und ohne Anstrengung lesen. Dank der kurzen Kapitel mit den vielen „Minicliffhangern“ am Ende bleibt die Lesemotivation dabei stets hoch.

Viveca Stens Stärke sind ihre authentischen, menschlichen Figuren, die sehr nachvollziehbar und realistisch gezeichnet sind und zu denen ich sofort einen Bezug fand. Die Charaktere weckten aber nicht nur meine Interesse, meine Sympathie und meine Neugier. Es ging sogar noch weiter, ich litt mit einigen der Hauptfiguren emotional besonders mit.
Zum Beispiel mit Hanna, die sich nach einer gescheiterten Beziehung ins Ferienhaus ihrer Schwester zurückzieht, um dort neu anzufangen. Sie gesteht sich ein: „Ihre Mutter liebt Lydia mehr. Das ist eine Wunde, die nie heilen wird.“ Diese traurige Erkenntnis ist vermutlich auch der Grund, warum Hanna sich so gegen Ungerechtigkeiten auflehnt und sich engagiert für unterdrückte Frauen einsetzt.
Auch Daniel, der sich aufgrund seiner unaufschiebbaren beruflichen Verpflichtungen nicht so um seine Familie kümmern kann, wie er möchte und es auch von seiner Partnerin erwartet wird, tat mir sehr leid. Er hat oft Probleme, seine Wut zu kontrollieren, die immer dann auftaucht, wenn er sich hilflos fühlt. Rebeckas Schicksal, die gegen die Übermacht ihres Ehemanns und ihres Umfelds keine Chance hat, berührte mich ebenso wie die Geschichten anderer Nebenfiguren.
Viveca Stens Charaktere, die einen mitfühlen und mitleiden lassen, machen den Roman für mich besonders lebendig und lesenswert.


Ob Hanna und Daniel Johans Mörder und Rebecka finden können? Der Mordfall bildet den Rahmen für die Handlung. Hauptsächlich erzählt aber Viveca Sten davon, was ihre Figuren bewegt und ausmacht. Von der Herausforderung, sich manchmal zwischen Beruf und Familie entscheiden zu müssen und der damit verbundenen Zerrissenheit. Von der Erkenntnis, dass man die Liebe der Mutter nicht erzwingen kann. Von unerwünschten Gefühlen, die zu den ungelegensten Zeiten kommen können. Von Ungerechtigkeiten. Oder von der Machtlosigkeit, wenn die Welt leider nicht so ist, wie sie sein sollte.
Auch wenn sich der Kriminalfall zwar nachvollziehbar und stimmig, aber wenig spektakulär entwickelt und das Buch eigentlich mehr Familiendrama als Krimi ist, hat mich Viveca Sten mit „Tief im Schatten“ erneut restlos überzeugt. Der Roman hat mich sofort in seinen Bann gezogen. Besonders die letzten Seiten habe ich regelrecht verschlungen und konnte nicht aufhören zu lesen, weil ich unbedingt erfahren wollte, wie es mit all den liebgewonnenen, interessanten Figuren weitergeht. Die Reihe um Hanna Ahlander kann ich allen, die skandinavische Krimis und Ermittler mit eigenen, persönlichen Geschichten mögen, absolut empfehlen.

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