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Veröffentlicht am 01.07.2024

Der Hauch eines Lebens

Das erste Licht des Sommers
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Das Buch befasst sich mit dem Thema Familie und Freundschaft dreier Generationen von Frauen. Normas trostlose Beziehung zu ihrer Mutter wird durch die enge Verbundenheit zu ihrer Cousine Donata ausgeglichen. ...

Das Buch befasst sich mit dem Thema Familie und Freundschaft dreier Generationen von Frauen. Normas trostlose Beziehung zu ihrer Mutter wird durch die enge Verbundenheit zu ihrer Cousine Donata ausgeglichen. Nach deren frühen Tod wird Norma von Elia, ihrer großen Liebe aus der Kindheit zunächst aufgefangen. Eine Tochter, die Elia während der Hochzeitsreise mit einer anderen gezeugt hat, verändert Normas Leben aber nochmals.
Das farbenfrohe Cover mit dem Portrait einer Frau erinnert an den ersten Teil dieser Familiengeschichte „An den Ufern von Stellata“. Die Unterteilung in drei Abschnitte ist in Kapitel gegliedert, die jeweils mit Jahreszahlen überschrieben sind. Es gibt zwei Erzählstränge, die sich immer wieder berühren. Einerseits blickt Norma als Ich-Erzählerin im Alter auf Leben zurück, die zweite Schiene berichtet von den Erlebnissen der Familie ab dem Jahr 1947. Wer den ersten Band der Saga kennt, trifft viele Personen daraus auch in diesem Buch wieder. Leider verfügt Normas Geschichte über keinen Stammbaum am Ende, der in „An den Ufern von Stellata“ sehr hilfreich war. Eingestreut finden sich auch einzelne Ausdrücke oder kurze Sätze in lombardischem Dialekt, die im anschließenden Text aufgeschlüsselt werden.
Raimondi konzentriert sich auf Normas Leben, das sich zum Großteil in London abspielt. Immer wieder werden historische Ereignisse, aber auch Filme, Musik oder Kleidung der jeweiligen Zeit angesprochen. Durch die Rückblenden nach Italien und den Einblick ins Leben einer nach Brasilien ausgewanderten Tante entsteht ein länder- und kulturübergreifendes Bild eines halben Jahrhunderts. Wobei einige geschichtliche Aspekte zwar wortreich dargestellt werden, zum Verständnis der Geschichte aber nicht sonderlich beitragen. Im Kern beschäftigt sich die Autorin mit Themen wie Freundschaft und Loyalität, Vertrauen und Treue, familiärem Zusammenhalt und Fehlern in Mutter-Tochter-Beziehungen; aber auch mit dem Umgang mit unserer Erinnerung.
Vom ersten Buch war ich vollkommen begeistert. Die Familiengeschichte war mit so viel Leben erfüllt und obwohl die Ereignisse in einem eher nüchternen Schreibstil wiedergegeben wurden, konnte man sich in die Situationen hineinversetzen und mit den Personen mitfühlen – und die Protagonisten waren greifbar. Im vorliegenden Buch erschien mir der Schreibstil noch etwas distanzierter und an etlichen Stellen wie ein Protokoll, etliche Inhalte wurden nur kurz gestreift. Das kann an meiner persönlichen Sichtweise liegen oder aber auch an der ausgewählten Zeitepoche, die noch zu nahe liegt und man sie daher nicht mit einer gewissen Verklärtheit erzählen und betrachten kann. Oder einfach an der Tatsache, dass es in der Hauptsache um Normas Geschichte geht, die auch von Traurigkeit und Rückschlägen begleitet wird.
Eine schöne Fortsetzung der Familiengeschichte ist es allemal. Und eine detaillierte Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Frauenbildern und ihrem Platz im Leben.

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Veröffentlicht am 19.02.2024

Der Geschmack des Publikums

Das Lächeln der Königin
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Die Büste der Nofretete, die 1913 nach Berlin gelangt, wird nicht nur durch ihre zeitlose Schönheit zur Sensation – auch für James Simon. Er ist Mäzen der Grabungen, angesehener jüdischer Textilunternehmer, ...

Die Büste der Nofretete, die 1913 nach Berlin gelangt, wird nicht nur durch ihre zeitlose Schönheit zur Sensation – auch für James Simon. Er ist Mäzen der Grabungen, angesehener jüdischer Textilunternehmer, Stifter unzähliger Kunstschätze, aber auch Gründer vieler sozialer Einrichtungen. Bei der erstmaligen Ausstellung der Büste im Neuen Museum entbrennt ein Streit zwischen Ägypten, Frankreich und Deutschland und Rückgabeforderungen werden laut. Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg kommt es in der Weimarer Republik zunehmend zu nationalistischer und antisemitischer Propaganda.
Das schlichte Cover zeigt das geschäftige Treiben auf den Straßen im Berlin der Zwanziger Jahre. Der Roman ist in zwei Teile mit längeren Kapiteln geteilt. Die Sätze sind oft kurz gehalten, einem Bericht gleich; sie spiegeln die Gedanken des Protagonisten wider, durch häufige Rückblicke entstehen Zeitsprünge, denen man aber gut folgen kann. Die genaue Beschreibung der Nofretete lässt sie vor dem Auge des Lesers entstehen. Ihr Name selbst wird erst im Epilog erwähnt, davor gibt es nur einmal dessen Übersetzung als „Die Schöne ist gekommen“. Ausschnitte aus dem Briefwechsel zwischen dem Grabungsleiter Borchardt und seinem Gönner Simon unterstreichen die Authentizität der Geschichte.
Die Informationen zu den Ausgrabungen, die Katalogisierung, der Umgang mit den Fundstücken, Plünderungen, all das ist überaus interessant gestaltet, ohne jedoch lehrbuchhaft zu klingen. Es steckt dennoch viel mehr in diesem Roman. Die Beschreibung der Lebenssituation im wilhelminischen Zeitalter bietet einen guten geschichtlichen Überblick jener Zeit; bezogen sowohl auf Simons eigene, zunächst privilegierte Situation als auch auf die Schicksale jener Menschen, die er durch seine sozialen Einrichtungen unterstützt. Das Umschlagen der Situation und die vermehrt auftretenden antisemitischen Angriffe sind beklemmend beschrieben. Der Roman richtet sich daher nicht nur an Kunstinteressierte, sondern an alle, die ihren geschichtlichen Horizont erweitern wollen.

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Veröffentlicht am 05.12.2023

Eigentum des Windes

Das Leuchten der Rentiere
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Sámi-Mädchen Elsa wird mit neun Jahren Zeugin am Mord ihres Rentierkalbs und vom Täter zum Schweigen gezwungen. Die Polizei sieht darin Diebstahl und bleibt untätig. Seither plagen Elsa Schuldgefühle gegenüber ...

Sámi-Mädchen Elsa wird mit neun Jahren Zeugin am Mord ihres Rentierkalbs und vom Täter zum Schweigen gezwungen. Die Polizei sieht darin Diebstahl und bleibt untätig. Seither plagen Elsa Schuldgefühle gegenüber ihrem Umfeld. Im Lauf der Zeit steigt die Bedrohung der Sámi und ihrer Rentierherden, aber auch die Gleichgültigkeit der Behörden. Elsa beschließt dagegen anzugehen und sich endlich ihrer Schuld, Wut und Angst vor den brutalen Tätern zu stellen.
Das Cover zeigt eine Rentierherde in der Weite einer winterlichen Landschaft. Das Hörbuch besteht aus drei Teilen, die in kurze Kapitel gegliedert sind. Die Stimme der Sprecherin Jana Marie Backhaus-Tors ist angenehm und belebt die Geschichte. Die Autorin beschreibt die Landschaft, vor allem aber das Leben der Sámi sehr detailliert. Immer wieder sind Begriffe aus deren Sprache eingebaut, deren Bedeutung sich zwar aus dem Geschehen erklärt, für die ein hilfreiches Glossar aber natürlich in der Hörbuchversion leider fehlt. Auch der Übergang in andere zeitliche Abschnitte erfolgt im Hörbuch abrupter und man wünscht sich als Hörer eine bessere Abgrenzung.
Dennoch ist hier eine großartige Geschichte gelungen. Die Diskriminierung der Sámi löst eine Beklemmung aus, die schonungslose Beschreibung der Brutalität an den Rentieren durch Wilderer sogar große Abscheu. Die Ausgrenzung der Samen wird spürbar, aber auch die strengen Regeln innerhalb des Volksstammes. Elsa kämpft daher nicht nur gegen die Feindseligkeit der Bevölkerung an, die fordert auch innerhalb der samischen Dorfgemeinschaft eine eigene Stimme, und will gleichberechtigt gegenüber den Männern auftreten.
Die Geschichte berührt und macht betroffen. Zum nebenbei Hören eignet sich dieses Hörbuch nicht. Im Gegenteil – es fordert Konzentration und Mitdenken.

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Veröffentlicht am 05.12.2023

Turbulenzen im Brian Club

Between Us - Die große Liebe kennt viele Geheimnisse
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Roisin Walters zweifelt an der Beziehung zu ihrem Lebensgefährten Joe Powell, nachdem dieser als Drehbuchautor immer erfolgreicher wird. Die Ausstrahlung seines neuesten Werks schockt Roisin geradezu – ...

Roisin Walters zweifelt an der Beziehung zu ihrem Lebensgefährten Joe Powell, nachdem dieser als Drehbuchautor immer erfolgreicher wird. Die Ausstrahlung seines neuesten Werks schockt Roisin geradezu – Joe hat darin Ereignisse aus dem gemeinsamen Freundeskreis, aber auch ihr traumatisches Kindheitserlebnis verarbeitet. Um herauszufinden, wie viel von Joe selbst in seiner Hauptfigur steckt, bittet Roisin ihren Freund Matt um Hilfe.
Das Cover ist knallig bunt und doch schlicht gehalten; es zeigt ein Paar, das sich entspannt mit einem Glas Wein gegenübersitzt. Die Haptik ist sehr angenehm; Titel und Name der Autorin sind auf dem Umschlag reliefartig hervorgehoben. Das Beibehalten des Originaltitels ist wohl eine Modeerscheinung, ansonsten ist die Übersetzung gelungen. Die Kapitel sind kurz, der Schreibstil leicht und angenehm (und an etlichen Stellen nicht jugendfrei); in der ersten Hälfte der Geschichte gleichen die Dialoge der Freunde einem wahren Schlagabtausch, ein Witz jagt den nächsten, den Gesprächen fehlt die Tiefe und man fühlt sich als Zuschauer einer Sitcom. In der zweiten Hälfte wird der Ton ernster, aber selbstverständlich nicht zu ernst für einen leichten Liebesroman.
McFarlane greift viele Themen in dieser Geschichte auf: Freundschaft, Liebe, Vertrauensbruch, Trennung, Neuanfang, aber auch Drogen, Social Media, Erfolg, der zu Kopf steigt … An einigen Stellen denkt man, dass sie zu viel will, am Ende passt aber doch alles recht gut zusammen. Insgesamt bietet der Roman die Möglichkeit vom Alltag abgelenkt zu werden und abschalten zu können; er ist leicht zu lesen, hat Höhen und Tiefen, enthält etliche humorvolle Stellen und bietet eine Auswahl an Charakteren, denen man Sympathie oder Antipathie entgegenbringen kann.
Fazit: eine leichte, unterhaltsame Lektüre, die sich gut zwischendurch lesen lässt.

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Veröffentlicht am 05.12.2023

Das Süße und das Bittere, vereint in einem Blatt

Wilde Minze
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Sara flieht mit siebzehn aus dem Drogensumpf ihrer Kleinstadt und lässt schweren Herzens ihren zehnjährigen Bruder zurück. Emilie wächst in einer gutbürgerlichen kreolischen Familie auf, verliert die Aufmerksamkeit ...

Sara flieht mit siebzehn aus dem Drogensumpf ihrer Kleinstadt und lässt schweren Herzens ihren zehnjährigen Bruder zurück. Emilie wächst in einer gutbürgerlichen kreolischen Familie auf, verliert die Aufmerksamkeit der Eltern aber an ihre drogenabhängige Schwester Colette. Als Sara und Emilie einander im Szenelokal Yerba Buena in Los Angeles begegnen, verlieben sie sich sofort ineinander, verlieren sich aber aus den Augen, weil ihre Vergangenheit sie einholt.
Das Cover ist in zwei Bereiche unterteilt, die sich farblich voneinander abgrenzen; die Abbildung eines Cocktails verkörpert die Barkeeperin Sara, die Blumenvase entspricht Emilie, die im Yerba Buena Blumen arrangiert. Im Text werden Gendersternchen verwendet, wobei es interessant wäre zu sehen, wie geschlechtergerecht der Originaltext verfasst wurde. Die langen Kapitel erzählen abwechselnd die Geschichten der beiden Protagonistinnen, deren Leben sehr unterschiedlich verlaufen sind, die sich in der Themenstellung tragische Familienhintergründe betreffend aber doch recht nahe kommen. Sara und Emilie tragen schwer an ihrer Vergangenheit und es gelingt der Autorin sehr gut, die Gefühle der beiden in Wörter zu fassen; trotz ernster Themen bleibt der Schreibstil angenehm und recht flüssig.
Wer eine kitschige Liebesgeschichte erwartet, sollte nicht zu diesem Buch greifen. Wer leise erzählte Geschichten mag, einzelne Episoden miteinander zu verknüpfen versteht und sich für die Entwicklung der Protagonistinnen interessiert, die auf der Suche nach ihrem Platz im Leben sind, wird viel Freude mit diesem Roman haben. Selbst wenn einige Geschehnisse eher konstruiert und realitätsfern wirken, im Kern bleibt es ein eindrucksvoll und bildhaft geschriebener Roman.

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