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Veröffentlicht am 19.02.2024

Manipulation, Macht und Abgründe

Geordnete Verhältnisse
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Es beginnt ganz harmlos als Kinderfreundschaft: Philipp ist ein Außenseiter, der Pflanzen lieber als Menschen mag. In Faina, die mit ihrer Familie aus der Ukraine gekommen ist und kein Deutsch spricht, ...

Es beginnt ganz harmlos als Kinderfreundschaft: Philipp ist ein Außenseiter, der Pflanzen lieber als Menschen mag. In Faina, die mit ihrer Familie aus der Ukraine gekommen ist und kein Deutsch spricht, findet er seine erste und einzige beste Freundin.
Beide haben schwierige Familienhintergründe, was sie noch enger zusammenschweißt. Dann passiert etwas im jungen Erwachsenenalter, und der enge Bund zerbricht.

Jahre steht Faina vor Philipps Tür und bittet ihn verzweifelt um Hilfe. Dies wird sie bereuen.

Zuerst erfahren wir die Geschichte aus Philipps Perspektive. Ganz langsam wandelte sich meine Sympathie und mein Mitleid in Skepsis und Argwohn. Das ist super spannend zu lesen. Als Faina ihre Sicht schildert, ist mir aufgegangen, dass Philipp auch mich als Leserin manipuliert hat. Wann wurde aus der unschuldigen Kinderfreundschaft dieses toxische Abhängigkeitsverhältns? Oder fing es schon genau da an?

Es ist spannend zu lesen, da Faina grundsätzlich eine unabhängige Frau ist, die sich nicht von ihren konservativen Eltern in ein vorgezeichnetes Leben pressen lässt. Aber genau diese Unabhängigkeit und auch Sprunghaftigkeit lässt sie wenige enge Vertraute haben.

Das Buch ist unglaublich fesselnd. Ich habe es in einem Rutsch durchgelesen. Wir tauchen tief in die immer verzeifelteren Gedankenwelten ein. Auf folgende Themen muss man vorbereitet sein: psychische Krankheiten, Kindheitstraumata, Gewalt an Frauen, Drogen- und Alkoholmissbrauch.

Es ist absolut kein leichtes Buch und hat mich danach weiter beschäftigt. Die Beschreibungen sind so intensiv, dass ich es allen empfehle, die sich vorbereitet auf das Abtauchen in die Abgründe fühlen.

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Veröffentlicht am 06.01.2024

Spannung zwischen Kunst und Moral

Lichtspiel
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Mit viel Humor tauchen wir ein in die Welt des Regisseurs Georg Wilhelm Pabst.

Die Grenzen zwischen Wirklichkeit und magischem Realismus verschwimmen.
Es ist eine Mischung aus biographischen Fakten und ...

Mit viel Humor tauchen wir ein in die Welt des Regisseurs Georg Wilhelm Pabst.

Die Grenzen zwischen Wirklichkeit und magischem Realismus verschwimmen.
Es ist eine Mischung aus biographischen Fakten und Fiktion. Dies hat mir sehr gut gefallen und mich dazu gebracht, mich genauer mit seiner Biographie zu beschäftigen.

Man schwankt zwischen Vorwürfen und hinterfragt aber gleichzeitig auch, wie man sich selbst damals verhalten hätte. Zudem wird die Frage nach der Spannung zwischen Kunst und Moral behandelt.

Es wird episodenhaft erzählt. Dabei bleiben ein paar Charaktere nicht ganz greifbar und etwas plakativ, was ich aber hier nicht negativ finde. Die Rahmenhandlung hat mich sehr amüsiert.

Der Roman schafft eine Mischung aus Tiefgründigkeit und guter Unterhaltung. Von mir daher eine klare Empfehlung.

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Veröffentlicht am 29.08.2023

Bewegend

Simone
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Jahrzehnte nach dem Suizid ihrer Freundin Simone versucht Anja Reich sie zu verstehen. Sie führt Gespräche mit ihren Eltern, ihrem Bruder und alten Freunden, außerdem darf sie Simones Tagebücher lesen. ...

Jahrzehnte nach dem Suizid ihrer Freundin Simone versucht Anja Reich sie zu verstehen. Sie führt Gespräche mit ihren Eltern, ihrem Bruder und alten Freunden, außerdem darf sie Simones Tagebücher lesen. Und so setzt sich Stück für Stück Simones Leben und auch ihre Gefühlswelt zusammen.
Kurz vor ihrem Tod rief Simone Anja noch an, aber sie hatte keine Zeit. Und so hat die Auseinandersetzung auch eine sehr persönliche Note.

Es ist die Lebensgeschichte von Simone, aber auch ihren Eltern. Simone ist eine vielschichtige Persönlichkeit, voller verschiedener
Sie steht gerne im Mittelpunkt und sucht die  Aufmerksamkeit ihres Umfelds. Dann kann sie aber auch sehr schweigsam und in sich gekehrt sein. Ihre Eltern, erfolgreiche Ärzte als Vorbild, ist sie als Jugendliche fleißig und lernt viel. Darüber hinaus interessiert sie sich für Mode und weiß Bescheid, wann man auf welcher Party tanzen muss. Sie reagiert eifersüchtig auf die erste Freundin ihres Bruders, aber nicht auf die zweite, Anja. Mit ihr baut sie eine Freundschaft auf, die auch nach der Trennung Bestand hat.

Die Wende, für viele eine Möglichkeit von Freiheit, beflügelt Simone nicht. Sie bringt viele Änderungen ihrer Lebensumstände mit, die Simone nicht einfach bewältigt.

Ab und zu lässt Anja Reich Gedanken von Experten einfließen, die aus der Ferne natürlich keine Diagnose stelle können, aber auf verschiedene mögliche Krankheitsbilder eingehen.

Anja Reich beschreibt Simones Leben und ihre Beziehungen zur Familie, zu Freunden und zu ihren Liebesbekanntschaften ohne anzuklagen. Sie ist respektvoll, gleichzeitig schonungslos und stellt auch unangenehme Situationen dar.
Sie hat ein sehr feines Gespür für die Menschen und bringt Simones Umfeld dazu, ehrlich zu berichten. Sie gibt ihnen die Möglichkeit, die Beziehung zu Simone selbstkritisch zu reflektieren. Dabei ist sie viel mehr als eine reine Journalistin, sondern stellt die gleichen Fragen sich selbst. Hätte sie anders handeln können, hätte sie Anzeichen erkennen müssen?

Dadurch ist das Buch sehr persönlich und durchgehend bewegend. Für alle Beteiligten war es mit Sicherheit sehr schwierig, sich mit Simones Tod nochmal so tief auseinandersetzen und vor der Offenheit habe ich großen Respekt.

Es ist sehr emotional zu lesen und ich empfehle es sehr. Man muss auf die Auseinandersetzung mit psychischen Erkrankungen und Suizidgedanken vorbereitet sein.

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Veröffentlicht am 13.08.2023

Tage der Gewalt

Sekunden der Gnade
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Mary Pat lebt mit ihrer 17-jährigen Tochter Jules in Southie, einem weißen Stadtteil von Boston.
Das Leben ist hart, geprägt von Gewalt und dem Einfluss der starken Gangster im Viertel. Man kennt seine ...

Mary Pat lebt mit ihrer 17-jährigen Tochter Jules in Southie, einem weißen Stadtteil von Boston.
Das Leben ist hart, geprägt von Gewalt und dem Einfluss der starken Gangster im Viertel. Man kennt seine Nachbarn, häufig das ganze Leben lang. Träume gibt es nicht, die Kinder erben das Leben ihrer Eltern. Geprägt von Rassismus und der starken Überzeugung, dass es ihr Viertel ist, bauen sich 1974 Spannungen in der Gesellschaft auf. Hintergrund ist die offizielle Anordnung, dass schwarze und weiße Kinder Schulen tauschen sollen, um eine Durchmischung zu erreichen.

Und dann verschwindet eines Nachts Jules und lässt Mary Pat verzweifelt zurück. Sie setzt alles daran, den Verbleib ihrer Tochter in Erfahrung zu bringen. Ihre Nachforschungen sind alles andere als ungefährlich für sie. Aber sie hat nichts mehr zu verlieren.

Mary Pat ist ein spannender Charakter, vielschichtig und stark, eine tolle Protagonistin!
Von der ersten Seite an konnte ich das Buch kaum aus der Hand legen. Der Schreibstil ist mitreißend und authentisch. Man sollte auf brutalere Szenen eingestellt sein, es geht roh zu.

Wer damit kein Problem hat, dem empfehle ich dieses Buch sehr!

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Veröffentlicht am 04.07.2023

Ergreifend

Das dritte Licht
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Was brauchen wir von unseren Eltern?

Irland in den 1980er Jahren aus den Augen eines vielleicht 8-jährigen Mädchens. Sie wird von ihrem Vater für einen Aufenthalt zu entfernten Verwandten gebracht, da ...

Was brauchen wir von unseren Eltern?

Irland in den 1980er Jahren aus den Augen eines vielleicht 8-jährigen Mädchens. Sie wird von ihrem Vater für einen Aufenthalt zu entfernten Verwandten gebracht, da ihre Mutter hochschwanger und mit Hof und weiteren Geschwistern beschäftigt ist.
Die Verwandten sind kinderlos.
Beschrieben aus der Sicht des Mädchens erleben wir den neuen Alltag. Sie stellt Vergleiche zwischen den Haushalt an, wundert sich etwas, dass manches ganz anders abläuft. Am Ende der Ferien hat sie sich verändert.
Manches bleibt unausgesprochen, und doch wird alles gesagt.
Die Stimmung der Erzählung überzeugt in ganzer Linie. Durchgehend hatte ich ein Gefühl von Bedrohung, man wartet auf ein Unheil.
Die Charaktere sind so lebhaft vor meinen Augen, als hätte ich einen ganzen Sommer mit ihnen verbracht. Von Anfang an war ich ergriffen.
Die Beschreibungen der Alltagssituationen sind so auf den Punkt und voller Menschenkenntnis.
Das Buch wirkt nach. Ein Lesehighlight!

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