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Veröffentlicht am 21.02.2024

Klug, gesellschaftskritisch und mit einer guten Portion Zynismus - ein wahrer Lesegenuss!

Lil
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Lil von Markus Gasser kam für mich überraschend daher. Der Plot in Klappentext und Leseprobe klang in seiner historischen Einbettung zunächst einfach interessant. In seiner Gesamtheit hat sich für mich ...

Lil von Markus Gasser kam für mich überraschend daher. Der Plot in Klappentext und Leseprobe klang in seiner historischen Einbettung zunächst einfach interessant. In seiner Gesamtheit hat sich für mich der Roman dann zu einem echten, ersten Highlight im noch jungen Lesejahr entwickelt und gesteigert. Wie kam es dazu?

Zunächst zum Plot: Aus der Perspektive der Journalistin Sarah Cuttings, werden wir in die Geschichte ihrer Vorfahrin Lillian Cutting eingeweiht. Lillian Cutting, klug, emanzipiert und erfolgreiche Geschäftsfrau im Gilded Age der USA, vereint mit diesen Eigenschaften alles, was eine Frau nach herrschender Meinung nicht ist und sein sollte. Damit ist sie nicht nur suspekt, sondern auch eine Gefahr, nicht zuletzt für ihren Sohn Robert, der nach dem Tod des Vaters das Erbe für sich beansprucht. Die verbreitete Misogynie in Medizin und Gesellschaft macht es ihm leicht, seine Mutter in die Psychatrie zu verweisen und sich ihrer so zu entledigen. Am Schicksal Lillian Cuttings zeigt der Autor auf wie unter dem Deckmantel vermeintlicher Wissenschaft nicht mehr als Scharlatanerie, Missbrauch und Gewalt ausgeübt und in den Dienst gesellschaftlicher Diskriminierung gestellt werden. Dabei schwingt auch bis in die Gegenwart eine Kritik an unwissenschaftlichen Methoden und Fehldiagnosen mit.

Vorbehalte hat diese Gesellschaft jedoch nicht nur gegenüber Frauen, sondern eigentlich allen Menschen gegenüber, die anders sind als der erwählte Kreis und von seinem Normenkorsett abweichen. Rassismus, Klassismus, Ableismus, Antisemitismus und die Unterdrückung von Frauen gehen hier eine unheilvolle Symbiose ein, die von den Protagonist:innen der Upper Class in einer Selbstverständlichkeit gelebt und reproduziert werden.

Aufgelockert wird die Erzählung immer wieder durch das Zwiegespräch Sarahs mit ihrem Hund Miss Brontë. Was zunächst irritiert, entwickelt sich als kurzweiliger Dialog, der die Geschichte um Lillian Cutting humorvoll bereichert. Immer wieder begegnen uns im Roman fast märchenhafte, magische Elemente und Anspielungen, die einen willkommenen Kontrast zum düsteren Geschehen setzen, und gleichzeitig in parabelhafter Weise die Erzählung ergänzen.

Der Roman besticht zum einen mit der geschickt arrangierten Geschichte um Lillian Cutting und deren Einbettung in ein gesellschaftskritisches Porträt ihrer Epoche. Was ihr widerfährt liest sich fast wie ein Krimi, man leidet mit der Protagonistin, empört sich mit ihr angesichts der gesellschaftlich tief verwurzelten und verbreiteten Misogynie, und ja, man empfindet auch Genugtuung mit ihr, wenn sie ihren Peiniger:innen gestärkt gegenübertritt.

Neben der Geschichte als solches hat mich jedoch auch die Erzählweise Markus Gassers vollkommen eingenommen und begeistert. Es ist zum Teil bitter-böser Humor mit dem der Autor Sarah Cutting die Geschichte erzählen lässt, anders wären die vermutlich leider allzu realistischen Grausamkeiten der Geschichte kaum zu ertragen. Dies ist auch insofern klug gewählt, da nur wenn Missstände als solche in aller Deutlichkeit benannt werden, Veränderung möglich wird und wir uns als Gesellschaft weiterentwickeln können.

Lil ist ein Roman, der mit Übersteigerung und ein bisschen Magie, der Realität vielleicht gerade am nächsten kommt und für mich in seiner Grundaussage auch ein mahnendes Plädoyer für die Anerkennung von menschlicher Vielfalt in allen Variationen ist.

Wer mit Lil eine sensible Romanbiografie erwartet, wird eventuell enttäuscht werden. Belohnt wird der:die Leser:in jedoch mit einem klug erzählten und zuweilen bitter-bösen Sittengemälde einer dekadenten und zutiefst frauenfeindlichen Gesellschaft! Für mich ein echtes Lesehighlight!

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Veröffentlicht am 21.02.2024

Ein besonderes Märchen inspiriert von der japanischen Mythologie mit einer unabhängigen, mutigen, jungen Heldin

Die Perlenjägerin
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Kai und Kishi sind Zwillinge und wachsen in einem kleinen Dorf im Kaiserreich Heiwadai in einer Familie von Perlentaucherinnen auf. Auch wenn im Reich zu dem der Ort gehört immer wieder Kriege herrschen, ...

Kai und Kishi sind Zwillinge und wachsen in einem kleinen Dorf im Kaiserreich Heiwadai in einer Familie von Perlentaucherinnen auf. Auch wenn im Reich zu dem der Ort gehört immer wieder Kriege herrschen, leben die beiden davon weitgehend unbehelligt mit ihren Eltern im Einklang mit Meer und Natur. Eine große Rolle im Leben der Schwestern und Perlentaucherinnen spielt jedoch die japanische Mythologie, die ihnen von ihrer mittlerweile verstorbenen Tante Hamako immer wieder in Erzählungen näher gebracht wurde.

In einem Wettstreit mit Kai beim Muscheltauchen wird Kishi vom Geisterwal angefallen und getötet. Um sie zu retten geht Kai einen folgenschweren Handel mit der Meeresgöttin Benzaiten ein, der sie auf eine abenteuerliche Reise durch das Land und viele Gefahren zum Himmelsberg führt, um eine mächtige Perle zu erbeuten. Wird sie es schaffen mit ihrem Mut die Aufgabe zu erfüllen und ihre Zwillingsschwester zu retten?

Mich begeisterte das Eintauchen in die japanische Mythologie sehr, auch wenn ich mich erst an die Begriffe und Namen der Götter gewöhnen musste, um sie dann jeweils wieder richtig zuordnen zu können. Hilfreich hierbei ist jedoch auch das wunderbare Glossar mit allen Namen und Erklärungen am Ende des Buchs.

Wirklich gut gefällt mit der emanzipative Anspruch des Romans, vermittelt zum einen über Tante Hamako. Kai und Kishi (und damit auch jungen Leser:innen) wird durch sie näher gebracht, dass sie alles sein können, was sie möchten und vollkommen unabhängig sind in ihrer Lebensgestaltung und der Wahl ihrer Lebensumstände. Zum anderen leben die Perlentaucherinnen in einer Art Matriarchat, in der (Ehe)Männer zwar zum Rudern gebraucht werden, die Frauen jedoch vollkommen selbständig, unabhängig und anerkannt sind, aufgrund ihrer Fähigkeiten, und damit zwar eine Liebesheirat eingehen können, jedoch nicht auf eine Ehe angewiesen sind.

Mit ihren Zeilen zeichnet die Autorin eine mystische Welt inspiriert von der japanischen Mythologie, mit mutigen Mädchen, die alles werden können, was sie wollen. Eine magische und lehrreiche Geschichte für kleine und große Leser:innen ab ca. 12 Jahren.

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Veröffentlicht am 12.02.2024

Ein Buch über den Mut einer kleinen Teichnixe und den Zauber der Freundschaft

Lily und der Herzenszauber
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Lily ist eine kleine Teichnixe und wirklich etwas Besonderes. Lily liebt ihren Teich und alle Lebewesen in und um ihn. Und wie man das so macht, wenn man etwas wirklich liebt, man kümmert sich rührend ...

Lily ist eine kleine Teichnixe und wirklich etwas Besonderes. Lily liebt ihren Teich und alle Lebewesen in und um ihn. Und wie man das so macht, wenn man etwas wirklich liebt, man kümmert sich rührend um seine Lieben. So auch Lily, egal ob es die Libellen oder ihr bester Freund Kaulquappe Blubber ist, Lily weiß Rat, Hilfe und Unterstützung für jede und jeden. Nach einem großen Unwetter wächst jedoch selbst Lily die große Zerstörung über den Kopf - wie soll sie das nur schaffen? Doch echte Freundschaft ist natürlich nie einseitig, Lilys Freunde sind zur Stelle und gemeinsam bringen sie die Schäden alle wieder in Ordnung und der Teich und Lebensraum strahlt wie zuvor. Mit Lily lernen Kinder, dass man einfach nur fragen muss, wenn man nicht mehr weiter weiß und gemeinsam selbst die größten und schwierigsten Aufgaben leichter zu meistern sind, denn auf Freunde kann man sich verlassen und gemeinsam sind wir stark!

Wirklich schön finde ich, dass Kinder ganz nebenbei auch für Umweltverschmutzung sensibilisiert werden, denn immer wieder muss Lily auch mühsam Dinge aus ihrem schönen Teich aufsammeln, die überhaupt nicht dorthin gehören.

Das Buch ist wunderschön illustriert. Egal ob Lily selbst, oder ihr bester Freund Kaulquappe Blubber, die Eisvögel und Libellen - das Buch macht einfach Lust Lilys Welt auch optisch zu entdecken und die Schätze der Natur über wie unter Wasser besser kennen zu lernen. Neben den Zeichnungen trägt zu dem herausragenden optischen Eindruck auch die sehr harmonische Farbgestaltung bei, mit der ganz gekonnt Stimmungen erzeugt und verdeutlicht werden. Im größeren Format des Buchs kommt die tolle Gestaltung besonders gut zur Geltung und macht das Buch zu einem echten (Unterwasser)Schatz.

Das Buch eignet sich ab ca. 4 Jahren als Vorlese- und Bilderbuch und später auch für die ersten Selbstleseversuche im Vorschulalter.

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Veröffentlicht am 04.02.2024

Worte wie Munition…

Nachbarn
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Eine unglaublich eindrückliche Sprache überwältigt bereits auf den ersten Seiten dieser Kurzgeschichtensammlung von Diane Oliver. Verfasst mit nur 22 Jahren in den USA der 1960er Jahre. Jeder Satz an der ...

Eine unglaublich eindrückliche Sprache überwältigt bereits auf den ersten Seiten dieser Kurzgeschichtensammlung von Diane Oliver. Verfasst mit nur 22 Jahren in den USA der 1960er Jahre. Jeder Satz an der richtigen Stelle, kein Wort zu viel, keines zu wenig. Es ist erstaunlich, wie die Autorin mit ihren Worten Nähe erzeugt, und bedrückend zugleich angesichts der zum Teil grausamen Szenen, die sie deutlich und trotzdem sensibel einfängt.

Nachbarn, die titelgebende Geschichte, beschreibt die eskalierende Situation in einem Stadtbezirk, als der Junge Tommy als einziger schwarzer Junge auf einer Grundschule zugelassen wird, die sonst nur von weißen Kindern besucht wird. Aus der Perspektive seiner erwachsenen Schwester Ellie erleben wir den Abend vor dem ersten Schultag, die angespannte Stimmung in der Nachbarschaft und Familie, einen tapferen kleinen Jungen, der nicht versteht, was um ihn passiert, jedoch fühlt, dass etwas nicht stimmt, Eltern, die das Richtige tun wollen, und denen zu oft nur Ohnmacht angesichts der Verhältnisse und des Hasses in der Gesellschaft bleibt.

In anderen Geschichten findet Rassismus auf den ersten Blick weniger offensichtlich und brutal statt, doch Oliver arbeitet auch hier gekonnt und sensibel die Grausamkeit heraus, die in ihrer Wirkung auf den und die Einzelne liegen kann, auch und gerade in vermeintlich kleinen und verdeckten Alltagshandlungen.

Der Stil der Autorin erinnert mich an Annie Ernaux oder auch Claire Keegan, die es schaffen, mit wenigen Worten Stimmungen zu erzeugen und es vermögen zwischen den Zeilen mindestens ebenso viel zu erzählen wie mit ihren Worten. Grundlage dafür ist nicht nur schriftstellerisches Talent, sondern mindestens ebenso, wenn nicht noch entscheidender, eine Beobachtungsgabe und Sensibilität für die kleinsten Verschiebungen in sozialen Beziehungen und gesellschaftlichen Strukturen und deren Wirkung auf das Individuum, sowie dem komplexen Wechselspiel dieser Ebenen.

Jede Geschichte zeigt auf ihre Art, die Last, die offen, wie verdeckter Rassismus auf das Individuum ausüben, und welche Kämpfe dieses mit sich selbst und der Gesellschaft deshalb aushalten muss. Oft genug bleibt am Ende nur Ohnmacht.

Diane Oliver schenkt uns hier Einblicke und ein Gefühl dafür, was es tatsächlich im Alltag bedeutet hat als schwarze Person in der amerikanischen Gesellschaft der 1960er Jahre zu leben.

Diane Olivers Worte sind wie Munition, zur Selbstverteidigung des sonst viel zu oft ohnmächtigen Individuums in einer rassistischen Gesellschaft. Jeder Tag, den diese Geschichten nicht in der Öffentlichkeit Verbreitung gefunden haben, ist ein Tag zu viel gewesen.

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Veröffentlicht am 04.02.2024

Kräuterwissen, Rezepte und Persönliches von Stefanie Hertel

Die Wunderwelt der Kräuter
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In Wunderwelt der Kräuter versorgt die Musikerin uns nicht nur mit hilfreichen Informationen zu vielen Kräutern und leckeren Rezepten aus diesen, sondern gibt auch einen ganz persönlichen Einblick in ihre ...

In Wunderwelt der Kräuter versorgt die Musikerin uns nicht nur mit hilfreichen Informationen zu vielen Kräutern und leckeren Rezepten aus diesen, sondern gibt auch einen ganz persönlichen Einblick in ihre Familie und Familiengeschichte. In diesem ersten Teil des Buchs lernen wir viel über Stefanie Hertels Zugang zu Natur und Kräutern seit frühester Kindheit, vermittelt durch Mutter und Großmutter im schönen Vogtland, und später in ihrem Leben im malerischen Chiemgau. Wunderbar deutlich wird so die tiefe Verbundenheit, aber auch der Respekt für die Vielfältigkeit und Heilkraft der Natur.

Im zweiten Teil stellt die Sängerin 30 Heilkräuter, mit jeweils drei Heilwirkungen, Anwendungsbereichen und Inhaltsstoffen vor. Toll finde ich, dass sie hier den Fokus auf Kräuter legt, die überall leicht zu finden sind und damit das Buch zu einem alltagspraktischen Begleiter wird. Sehr schön sind hier auch die kleinen farblich abgesetzten Kästchen, in denen die Autorin die wichtigsten äußeren Merkmale und weitere Infos zusammenfasst, sodass sich dieser Teil auch als kurzes Nachschlagewerk eignet und auch Leserinnen ohne Vorkenntnisse mit Bild und Beschreibung ausreichend Informationen zum Erkennen der Pflanzen gibt. Für jede Pflanze wird abschließend eine konkrete Heilanwendung und ihre Herstellung vorgestellt, hier finden sich neben vielleicht bekannteren Anwendungen wie Holunderbeersaft bei Erkältungen auch, zumindest für mich unbekanntere Verwendungen wie Kornblumen Gesichtswasser.

Im dritten und letzten Teil versorgen die Sängerin und ihre Familie uns noch mit leckeren Rezepten auf Kräuter- und Beerenbasis, von herzhaften Brennesselknödeln bis zu Heidelbeer-Pancakes ist hier für jeden Geschmack etwas dabei.

Illustriert ist das Buch mit wirklich schönen und passenden Fotoaufnahmen, von Kräutern, Rezepten, aber auch Stefanies Familie und Aufenthalten in der Natur.

Ein tolles Kräuterbuch, nicht nur für Fans der Sängerin, das sich in seiner wertigen Aufmachung sicher auch gut als Geschenk für Kräuteranfänger macht.

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