Profilbild von Girdin

Girdin

Lesejury Star
offline

Girdin ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Girdin über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.02.2024

Bewegender Roman über eine eigenwillige Liebesbeziehung

Tahara
0

Emanuel Bergmann schreibt in seinem Roman „Tahara“ von der verstörenden Beziehung zwischen dem bekannten Filmkritiker Marcel Klein aus Berlin und der geheimnisumwitterten Französin Héloïse Becker. Der ...

Emanuel Bergmann schreibt in seinem Roman „Tahara“ von der verstörenden Beziehung zwischen dem bekannten Filmkritiker Marcel Klein aus Berlin und der geheimnisumwitterten Französin Héloïse Becker. Der Titel spielt auf den vielbeachteten Artikel an, den Marcel am Anfang seiner Karriere über das Ritual der Beerdigung seines Vaters geschrieben hat. Tahara ist hebräisch und bezeichnet die Totenwäsche, die nach bestimmten Abläufen erfolgt.

Der knapp fünfzigjährige Marcel Klein ist zu den Internationalen Filmfestspielen in Cannes angereist. Im Bistro des Hotel begegnet er Héloïse zum ersten Mal, als diese nach einem freien Platz sucht. Marcel findet Héloïse attraktiv und Héloïse findet Marcel und seinen Beruf faszinierend. Doch es kommt zum Streit, so wie später immer wieder. Dennoch können sie auch in den nächsten Tagen nicht voneinander lassen. Beide haben etwas zu verbergen. In der gemeinsam verbrachten Zeit glänzen nicht nur ihre guten Seiten.

Der Autor nimmt den Lesenden mit in die Welt des Films, die er aus eigener Erfahrung sehr gut kennt, weil er für Filmstudios und Produktionsfirmen journalistisch tätig gewesen ist. Der Protagonist gehört zu einer international besetzten Gruppe, die sich rund um den Globus zu den jeweils stattfindenden Filmfestspielen trifft. Es ist eine schillerndes Universum voller Stars und Sternchen. In der Geschichte erklärt Marcel der Französin, worauf er bei seinen Interviews achtet, vermutlich lässt Emanuel Bergmann hier sein Wissen einfließen. Er schaut darauf, wie Journalisten ihre Informationen gewinnen, indem er Marcel über die Arbeitsweise seiner Kollegen berichten lässt. Ich fand die Einblicke in die Filmindustrie interessant, die Emanuel Bergmann mir beim Lesen gewährte.

Immer mehr erzählt der Autor auch aus der Vergangenheit von Marcel und. Was ich erfuhr, machte mir die beiden nicht unbedingt sympathischer, aber es zeigte mir Gründe dafür auf, warum die Hauptfiguren versuchen, sich in Cannes auf verschiedene Weisen zu berauschen. Mit ihren Streitigkeiten rühren sie an wunde Punkte, aber gerade dadurch fühlen sie sich herausgefordert. Emanuel Bergmann treibt die sich entwickelnde Liebe auf eine Spitze zu, um dann mit einer Wendung aufzuwarten, was die Geschichte abwechslungsreich gestaltet.

Emanuel Bergmann schaut in seinem Roman „Tahara“ auf die glitzernde Welt des Films. Mit sarkastischen Unterton treibt er den Filmkritiker Marcel in eine Krise. Gleichzeitig beginnt der Journalist mit der Französin Héloïse eine geheimnisumwitterte Liebesbeziehung, die unabsehbar voller positiver, aber auch negativer Emotionen ist. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung für diesen bewegenden Roman.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.02.2024

Roman über eine besondere Mutter-Sohn-Beziehung

Die Gemeinheit der Diebe
0

Alem Grabovac hat mit seinem Buch „Die Gemeinheit der Diebe“ eine Fortsetzung seines Debütromans „Das achte Kind“ geschrieben, das man aber auch eigenständig lesen kann, denn auch ich kannte das Debut ...

Alem Grabovac hat mit seinem Buch „Die Gemeinheit der Diebe“ eine Fortsetzung seines Debütromans „Das achte Kind“ geschrieben, das man aber auch eigenständig lesen kann, denn auch ich kannte das Debut nicht. Beide Bücher sind autofiktional geschrieben. Smilja, die leibliche Mutter des Autors entwickelte mit über 70 Jahren Wahnvorstellungen. In einem Gespräch mit ihrem Sohn wirft sie die Frage auf, was im Leben bleibt, das nie gelebt wurde. Der Autor versucht in Erinnerungen zu ergründen, wer die Lebenszeit der Mutter im übertragenen Sinn gestohlen hat. Sein eigenes Leben ist unweigerlich mit dem seiner Mutter verbunden, weswegen er auch von dem erzählt, was er selbst seit Kindertagen erlebt hat wie zum Beispiel das Ringen um die deutsche Staatsbürgerschaft, sein Studienaufenthalt in England und seine Reise nach Nordamerika.

Smilja will als Heranwachsende den ärmlichen Verhältnissen des kleinen kroatischen Dorfs, in dem sie aufwächst, entkommen. Sie bewirbt sich, während sie in Zagreb als Küchenhilfe arbeitet, auf eine Stellenanzeige in Würzburg und wird eingestellt. Damit beginnt ihr Leben in Deutschland, bei dem sie zunächst noch von weiteren Migrant(inn)en umgeben lebt. In einen von ihnen verliebt sie sich, heiratet ihn und wird bald darauf mit ihrem Sohn schwanger. Ihr Mann erweist sich als unzuverlässig, so dass sie selbst wieder arbeiten gehen will. Daher gibt sie ihren Sohn in Pflege und ist fortan für ihn eine Mutter am Wochenende und in den Ferien. Seither steht sie in einer Fabrik am Fließband und lässt nicht ab von ihrem großen Traum, für den sie ständig etwas von ihrem Lohn beiseitelegt.

Später hat sie einen neuen Partner, der das Mutter-Sohn-Verhältnis aufreibt. Ihrem Wunsch rückt sie Stück für Stück näher, doch verschiedenste Ängste begleiten sie auf ihrem Weg. Ihre Arbeit verschlingt Stunde um Stunde, so dass der Autor sich oft mehr Zeit mit ihr wünscht. Alem Grabovac vollzieht die Gründe der Entscheidungen seiner Mutter nach, die die Weichen in ihrem Leben gestellt haben. Smilja ist stolz auf ihren Sohn, auf sein Abitur und sein Studium. Doch dann überrascht er sie mit seiner Berufswahl.

Der Autor ist ein guter Beobachter, der in unprätentiösem Stil interessante, erzählenswerte Ereignisse aus seinem und dem Leben seiner Mutter beschreibt. Er drückt seine Empfindungen in bestimmten Situationen aus, was diese nachvollziehbar macht. Im Zusammenspiel seiner Erfahrungen mit seinem Wissen kann er den gesellschaftlichen Hintergrund der Migration in Deutschland mit dem anderer Länder vergleichen. Der offene Ton, den Alem Grabovac in seiner Geschichte anschlägt, ließ mich über Parallelen zu Lebenswegen von Migrant(inn)en in meinem Umfeld reflektieren.

Am Leben seiner aus Kroatien stammenden Mutter verdeutlicht Alem Grabovac, dass diese sich durch ihre Einwanderung in Deutschland ein Stück vom Glück erhoffte und über viele Schwierigkeiten hinweg nie darin nachließ, ihr Ziel aufzugeben. Es zeigt sich immer wieder, dass wir als Menschen die Folgen unseres Handelns nicht immer richtig einschätzen. Die Geschichte dieser schwierigen Beziehung zwischen Mutter und Sohn berührt und stimmt nachdenklich. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.02.2024

Wenn Entscheidungen weitreichende Folgen haben

Leuchtfeuer
0

In ihrem Roman „Leuchtfeuer“ erzählt die US-Amerikanerin Dani Shapiro von dem Unfall der 17-jährigen Sarah und dem 15-jährigen Theo Wilf, der ihr Leben im Sommer des Jahr 1985 nachwirkend verändert. Das ...

In ihrem Roman „Leuchtfeuer“ erzählt die US-Amerikanerin Dani Shapiro von dem Unfall der 17-jährigen Sarah und dem 15-jährigen Theo Wilf, der ihr Leben im Sommer des Jahr 1985 nachwirkend verändert. Das Unglück geschieht vor dem Haus der Eltern in der Vorstadt von New York City. Der Vater ist Arzt und eilt zu Hilfe, wobei er spontan handelt, was vermutlich unbedachte Konsequenzen nach sich zieht. Die Familie versucht zum Alltag zurückzukehren, doch jeder von ihnen weiß um seine Schuld, die nie vergehen wird.

Die Geschichte ist nicht chronologisch erzählt, sondern wechselt zwischen den Jahren 1985, 2010, 1999, 2020 und 2014. Am Ende des Buchs gibt es ein Kapitel im Jahr 1970, als die Familie Wilf in ihr Haus in der Vorstadt einzieht. Erst viele Jahre später bekommen sie mit der Familie Shenkman neue Nachbarn im gegenüberliegenden Haus. Sie ahnen beim Einzug noch nicht, wie sich ihre Lebenswege eines Tages kreuzen werden, denn als bei der Nachbarin am Ende des Jahrs 1999 die Wehen einsetzen, eilt Dr. Wilf ihr zur Hilfe. Er wird für den Sohn Waldo zum Geburtshelfer. Zu ihm wird er einige Jahre später eine besondere Beziehung entwickeln. Etwa ein Jahrzehnt später wird das Schicksal die beiden Nachbarsfamilien noch weiter miteinander verknüpfen.

Keines der Mitglieder der Familie Wilf kann den Unfall vergessen, obwohl die Eltern von Sarah und Theo versuchen, ihren Kindern eine gute Zukunft zu ermöglichen. Sarah studiert Film und Englisch und hat als Produzentin Erfolg. Sie heiratet und bekommt Zwillinge, doch innerlich ist sie nicht ausgeglichen. Sie drängt dazu, körperlichen Schmerz zu erfahren und verbirgt ihr Verlangen vor ihrer Familie. Theo bricht als Jugendlicher aus dem behüteten Elternhaus aus, verschwindet heimlich und begibt sich auf die Suche nach dem, was ihn erfüllen könnte. Seine Eltern freuen sich darüber, dass er sich nach einer Selbstfindungsphase als Koch selbständig macht.

Die Eltern von Waldo sind erfolgreich in ihren Berufen. Waldos Vater bietet seinem Sohn all das, was er sich als Kind gewünscht hat. Er kann nicht verstehen, dass Waldo in Bezug auf Beziehungen viel empfindsamer ist als er selbst und ein großes Faible für Astronomie entwickelt. Waldo weiß alles über den Weltraum, Planeten und Sterne. Er besitzt eine Observatoriums-App. Die Beschäftigung mit der Software schafft für ihn einen gedanklichen Rückzugsort vor den Ansprüchen, die seine Eltern und die Schule an ihn stellen.

Das Springen zwischen den verschiedenen Handlungszeitpunkten gestaltet den Roman interessant. Was unmittelbar nach dem Unfall passierte, hält die Autorin noch viele Seiten lang zurück. Es geschieht noch eine weiteres tragisches Ereignis, bei dem Dani Shapiro ebenfalls die Szene stückchenweise abwickelt, was nochmals zu einer Steigerung der latent vorhandenen Spannung führte. Die Erzählung berührt deshalb besonders, weil sie von Familien erzählt, wie es sie überall geben könnte und in die man sich als Lesende(r) gut einfühlen kann.

Dani Shapiro zeigt in ihrem Roman „Leuchtfeuer“, wie Entscheidungen zu ungeahnt weitreichenden Folgen führen können. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung für diese faszinierende, bewegende Geschichte, die nachhallt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.02.2024

Suche nach einer Verankerung im Leben, die Sinn gibt und das Herz wärmt

Krummes Holz
0

„Krummes Holz“ von Julja Linhof ist ein Roman voller dunkler Erinnerungen dreier junger Menschen auf einem alten Gehöft, das irgendwo im Ländlichen im Dreieck zwischen Unna, Werl und Iserlohn liegt. Gleichzeitig ...

„Krummes Holz“ von Julja Linhof ist ein Roman voller dunkler Erinnerungen dreier junger Menschen auf einem alten Gehöft, das irgendwo im Ländlichen im Dreieck zwischen Unna, Werl und Iserlohn liegt. Gleichzeitig haben die Protagonist(inn)en die Hoffnung auf eine aussichtsreichere Zukunft nicht aufgegeben. Der Titel ist gleichnamig mit der Zufahrt zum Hof, nimmt nach Aussage der Autorin aber auch Bezug zu einem berühmten Zitat von Immanuel Kant. Der Philosoph unterstellte dem Menschen, dass dieser wider seines Verstands, nicht immer das Gute tut. In der Geschichte, die in den 1980er Jahren spielt, agieren einige Figuren zum Leidwesen anderer gefühlskalt.

Einer der drei Protagonisten ist der Ich-Erzähler Georg, der so wie sein Vater heißt. Er ist 19 Jahre alt und kehrt in den Sommerferien nach fünf Jahren im weit entfernten Internat auf das Gehöft zurück. Der letzte Hofverwalter, der sudetendeutsche Vater des weiteren Protagonisten Leander, hat ihm den Rufnamen Jirka gegeben, was in seiner Muttersprache gleichbedeutend mit Georg ist und von den anderen Hofbewohner übernommen wurde. Seine Mutter verstarb, als er noch klein war.

Während der Jahre auf dem Internat haben sich Jirkas Vater, seine Schwester Malene und Leander um das Anwesen gekümmert. Leander ist einige Jahre älter und hauptberuflich Krankenpfleger in der nahen Heilanstalt. Nach Abschluss der Schule hat Malene eine auswärtige landwirtschaftliche Ausbildung gemacht, währenddessen sie nur am Wochenende heimkehrte. Dennoch gesteht der Vater ihr den Hof als Erbe nicht zu, aber auch nicht seinem Sohn. Als Jirka heimkehrt, fehlt der Vater unerklärt.

Jirkas Gefühle sind gemischt, als er nach Hause kommt. Nach vielen Jahren ohne persönlichen Kontakt zu denen seinen daheim, ist er sich nicht sicher, welche Stimmung ihn erwartet. Zuhause ist niemand ans Telefon gegangen, als er versucht hat, seinen Besuch anzukündigen. Er wird mit Zurückhaltung empfangen. Malene und Leander auf der einen Seite und Jirka als ungebetener Gast scheinen abzuwarten, wer den ersten Schritt aufeinander zu macht. Zwischen ihnen sind die Erinnerungen an ihre gemeinsamen Jahre auf dem Hof fast greifbar und Ungesagtes zu spüren.

Mit jeder Beobachtung, die Jirka in seinem Umfeld macht, kehren unerwünschte Erinnerungen an seine Kindheit wieder. Der Vater hat nicht nur schwere Arbeit geleistet, sondern auch mit Strenge und Härte durchgegriffen, teils unter Gewaltanwendung, um seine Ansichten durchzusetzen. Jirka suchte Geborgenheit und reagierte auf kleinste Zuneigungsbekundungen. Später versucht er zu deuten, ob es Liebe war und immer noch ist. Nicht nur für Jirka, sondern auch für mich als Leserin war das Miteinander von Leander und Malene schwierig einzuschätzen. Ich fragte mich beim Lesen, ob mehr als Sympathie und Wohlwollen zwischen den beiden liegt. Nach früheren Geschehnissen, die der Protagonist stückchenweise mit dem Lesenden teilt, ist das Verhältnis von Jirka zu Leander angespannt. Von Malene schlägt Jirka Unwillen entgegen. Von Beginn an macht sie ihm deutlich, dass sie nicht bereit ist, ihn auf ihre Kosten zu beherbergen. Nur durch seine Hartnäckigkeit, auf dem Gehöft zu bleiben, kann er Vertrauen gewinnen.

Julja Linhof erzählt im eigenen Sprachstil mit schönen, poetisch anmutenden Umschreibungen in ihrem Debütroman „Krummes Holz“ von der Suche dreier junger Menschen, deren Kindheit von Kaltherzigkeit geprägt war. Sie streben nach einer Verankerung im Leben, die ihnen Sinn gibt und ihr Herz wärmt. Für diesen auf die zwischenmenschlichen Beziehungen fokussierenden Roman vergebe ich sehr gerne eine Leseempfehlung.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 07.02.2024

Eine Geschichte voller Zuwendung und Verständnis, die auch schwierige Themen beinhaltet

So was wie Freunde
0

Die englische Autorin Bella Osborne ist bekannt für ihr romantischen Komödien, doch mit ihrem Roman „So was wie Freunde“ betritt sie Neuland und schreibt über die Freundschaft zweier besonderer Menschen, ...

Die englische Autorin Bella Osborne ist bekannt für ihr romantischen Komödien, doch mit ihrem Roman „So was wie Freunde“ betritt sie Neuland und schreibt über die Freundschaft zweier besonderer Menschen, die verschiedenen Generationen angehören. Der 16-jährige Tom und die 72-jährige Maggie sind vereint im gemeinsamen Kampf zum Erhalt der von ihnen genutzten Bibliothek.
Tom geht noch zur Schule. Sein Vater ist nie über den Tod seiner Frau vor einigen Jahren hinweggekommen und wendet sich zunehmend dem Alkohol zu. Er hofft darauf, dass sein Sohn bald eine Ausbildung beginnt, damit er zum Haushaltsbudget beitragen kann. Aber Tom möchte später studieren, deshalb kommt es immer wieder zum Streit mit seinem Vater. Am liebsten bleibt er unscheinbar, um keine Aufmerksamkeit auf seine Person zu ziehen. Er hält sich von Gleichaltrigen fern, denn er spielt nicht in deren Beliebtheitsliga, was auch daran liegt, dass er sich keine Markenkleidung leisten kann und im Haus der Familie kaum Geborgenheit zu finden ist. Über die Sucht seines Vater möchte er mit niemandem sprechen. Darum beginnt er in die örtliche Bibliothek zu gehen, die er früher mit seiner Mutter besucht hat. Dort hofft er auch, eine Mitschülerin zu treffen, für die er schwärmt. Tom erzählt in der Ich-Form, wodurch er mir seine Gefühle im besonderen Maß nahebringen konnte.
Maggie lebt seit dem Tod ihres Ehemanns allein, etwas außerhalb des Orts, auf einem kleinen Bauernhof, auf dem sie Hühner und ein paar Schafe hält sowie einen Gemüsegarten bewirtschaftet. Die Arbeit lenkt die Rentnerin von ihrer Einsamkeit ab. Samstags fährt sie zur Bücherei, denn dann trifft sich ihr Buchclub. Später wurde mir beim Lesen durch einige Gedanken von ihr deutlich, dass sie ein Geheimnis verbirgt, dass weit in ihre Vergangenheit hineinreicht. Die Autorin wechselt in den Kapiteln zwischen dem Fokus auf Tom und Maggie, wobei sie über ihre ältere Protagonistin als auktoriale Erzählerin schreibt.
Bei Toms erstem Besuch in der Bibliothek begegnet er Maggie. Auf dem Heimweg wird Maggie von einem Unbekannten die Handtasche entrissen und Tom kommt ihr zu Hilfe. Nachdem die beiden die Hürde des persönlichen Kennenlernens genommen haben, entwickelt sich ein unverfänglicher Umgang miteinander. Ausgehend vom Austausch von Banalitäten, über das Finden interessanter Themen, die schließlich zu tiefergehenden Gesprächen führen, entwickelt sich die Freundschaft zwischen Tom und Maggie rasch weiter und das Vertrauen zueinander wächst. Maggie scheut sich mit ihrer offenen und ehrlichen Art nicht, gewisse Probleme mit Tom anzusprechen. Sie finden gemeinsam für ihre Beziehung ein passendes Arrangement. Bei einem Büchereibesuche erfahren die beiden von der anstehenden Schließung. Mit ihren Ideen tragen sie zu dem Versuch bei, die Einstellung der Ausleihe zu verhindern.
Bella Osborne hat ihre Figuren liebevoll gestaltet. Tom hat bestimmte Vorstellungen über seine Zukunft. Gegenüber gleichaltrigen Mädchen ist er schüchtern und allgemein manchmal linkisch. Er entwickelt eine Vorliebe für Liebesromane. Die Autorin zeigt ihn als Jugendlichen mit den für sein Alter typischen Problemen auf dem Weg der Selbstfindung mit dem Vergleich von sich selbst zu anderen. Maggie hält er hilfsbedürftiger als sie tatsächlich ist, denn sie zeigt ihm, dass sie sich mittels Kampfkunst und Yoga fit hält. Sie versteht viel von der Schafzucht und nutzt auf ihrem Land einen Traktor sowie ein Quad. Durch ihr aktives Leben steigt sie in der Achtung von Tom. Aber ihr Geheimnis steht wie ein dunkler Schatten über ihrer Freundschaft. Hinzu kommen einige bemerkenswerte Nebenfiguren wie beispielsweise eine besorgte Bibliothekarin und eine charmante Mitschülerin von Tom. Der Vater von Tom wird in seinen Handlungen als Alkoholiker nachvollziehbar und realistisch beschrieben.
Maggie Osborn zeigt in ihrem Roman „So was wie Freunde“ wie vielfältig Freundschaft sein kann. Der 16-jährige Tom und die 72-jährige Maggie teilen viele heitere und bekümmernde Momente und schenken einander Zuwendung und Verständnis. Bücher erhalten in der Geschichte eine besondere Rolle, denn sie bringen Menschen zueinander. Die Autorin spricht auch schwierige Themen an, zu denen sie vorstellbare Lösungen bietet, wodurch ich mich beim Lesen wohlfühlte und sehr gerne eine Empfehlung für das Buch vergebe.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere