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Veröffentlicht am 23.02.2024

Bewegender Roman

Die Bibliothek der Hoffnung
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„...Jeder Mensch stirbt zweimal. Einmal, wenn sein Herz aufhört zu schlagen, noch einmal, wenn sein Name zum letzten Mal ausgesprochen wird...“

Diese Gedanken gehen der 88jährigrn Beatty durch den Kopf, ...

„...Jeder Mensch stirbt zweimal. Einmal, wenn sein Herz aufhört zu schlagen, noch einmal, wenn sein Name zum letzten Mal ausgesprochen wird...“

Diese Gedanken gehen der 88jährigrn Beatty durch den Kopf, als sie ihre Töchter und die Enkelin in eine Londoner U-Bahnstation führt. Es ist eine Reise in die Vergangenheit.
Die Autorin hat einen bewegenden und tiefgründigen Roman geschrieben. Im Mittelpunkt stehen zwei Frauen: Clara und Ruby. Sie leiten im Jahre 1944 eine unterirdische Bibliothek. Nach der Bombardierung suchen viele Menschen Schutz in der U-Bahnstation Bethnal Green.
Das Buch hat mich sofort in seinen Bann gezogen. Der Schriftstil lässt sich flott lesen. Er gibt die gesellschaftlichen und historischen Verhältnisse gut wieder.
In der U-Bahnstation hat sich ein Leben im Untergrund entwickelt. Es gibt Schlafplätze, die Bibliothek und sogar ein Theater. Es bleibt die Angst vor der neuen Waffe, die unangekündigt einschlägt.

„...Wir wurden aufgerufen, für den Sieg zu kämpfen, für den Sieg zu graben und für den Sieg zu sparen. Es kann gewiss nicht schaden, wenn wir die Menschen dazu anregen, auch für den Sieg zu lesen...“

Diese Worte stammen von Clara. Sie ist Bibliothekarin mit Leib und Seele. Sie möchte, dass die Bibliothek für alle offen ist,. Sie organisiert einen Lesekreis und Vorlesestunden für die Kinder. Ihrem Vorgesetzten passt das Ganze nicht. Der will nur Mitglieder, die anspruchsvolle Literatur lesen.
Ruby steht fest an Claras Seite, auch wenn die beiden charakterlich wie Feuer und Wasser sind. Clara ist ruhig und zurückhaltend, Ruby genießt, was ihr das Leben ihr bietet. Beide aber haben ihr Päckchen zu tragen. Trauer kann eben unterschiedlich bewältigt werden.

„...Ruby war schon lange der Meinung, dass im Krieg die Arbeiterklasse als Kanonenfutter herhalten musste. Bis vor einem Jahr war ihr allerdings nicht klar gewesen, dass das nicht nur für das eigentliche Kriegsgeschehen galt, sondern auch für die Menschen an der Heimatfront...“

Im Buch werden verschiedene Schicksale erzählt, Schicksale von denen, die sich in der Bibliothek treffen. Der Krieg hat vieles geändert, eines aber nicht. Immer noch gibt es Männer, die der Meinung sind. Lesen schadet ihren Frauen. Klar, die Geschichten in den Büchern lassen die eine oder andere Frau ihre Stärken erkennen. Und das Wissen um den eigenen Körper hat ebenfalls Folgen.
Jedes Kapitel beginnt mit dem Zitat einer Bibliothekarin. Eines davon lautet:

„...Es gibt keine Kinder, die nicht gern lesen, nur Kinder, die noch nicht das richtige Buch gefunden haben...“

Ein informatives Nachwort, gespickt mit Fotos, trennt Realität von Fiktion.
Der Roman hat mir ausgezeichnet gefallen. Er zeichnet ein Stück Geschichte nach und zeigt, wie Bücher in schwierigen Situationen helfen können.

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Veröffentlicht am 22.02.2024

Bewegender Roman

Aspergers Schüler
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„...Ich öffne die Augen ein kleines bisschen und schaue heimlich in das Gesicht des Mannes, der vor mir sitzt. Er trägt einen weißen Kittel, also ist er Arzt...“

Diesen Gedanken von Erich stehen unter ...

„...Ich öffne die Augen ein kleines bisschen und schaue heimlich in das Gesicht des Mannes, der vor mir sitzt. Er trägt einen weißen Kittel, also ist er Arzt...“

Diesen Gedanken von Erich stehen unter anderem zu Beginn des Buches. Erich ist Autist und im Jahre 1932 in die heilpädagogische Abteilung der Universitätskinderklinik in Wien gekommen.
Die Autorin hat einen bewegenden und erschütternden Roman geschrieben. Die Geschichte wird in zwei Handlungssträngen erzählt, wobei einer nochmals aufgegliedert wird.
Im Jahre 1986 ist Sarah nach Wien gekommen. Sie will Material für ihre Doktorarbeit über den Arzt Dr. Hans Asperger sammeln. Im zweiten Handlungsstrang beginnt 1932. Hier geht es um die Arbeit von Dr. Asperger und Schwester Viktorine. Außerdem gibt ab und an Erich seine Eindrücke wieder.
Der Schriftstil ist sehr exakt ausgearbeitet. Nur so ist ein Einblick in Erichs Gedankenwelt möglich. Gleichzeitig macht er das Grauen erlebbar.
Es kommt für Sarah unerwartet, dass sie in Wien bei ihren Forschungen zunehmend mit der Nazivergangenheit konfrontiert wird. Journalisten sind dabei, die Akten der Klinik im Spiegelgrund zu sichten. Dort wurden behinderte Kinder zu Tode gespritzt. Sarah geht der Frage nach, ob Dr. Asperger Schuld auf sich geladen hat.
Gut gefallen mir die wissenschaftlichen Fakten, die hier vermittelt werden.

„...Eine Krankheit ist im Idealfall heilbar, eine Behinderung nur therapierbar...“

Die heilpädagogische Abteilung in Wien galt als eine der fortschrittlichsten in Europa. Das hatte sie insbesondere Dr. Lazar zu verdanken.

„...Zum ersten Mal bekamen die Kinder im Krankenhaus Unterricht. Sie durften sich bewegen und mussten die Zeit nicht mehr ausschließlich im Bett verbringen...“

Das ändert sich, als Dr. Hamburger der neue Leiter wird. Jetzt zählt nur noch, welchen Wert die Kinder einmal für die Gesellschaft haben werden.
Eine besondere Rolle spielt Schwester Viktorine. Ihr gelingt es, Zugang zu Erich zu bekommen. Sie erkennt, dass der Junge mathematisch hochbegabt ist. Darauf baut Dr. Asperger 1938 seinen Vortrag über autistische Kinder auf. Doch für Erich tickt eine Zeitbombe. Auch sein Weg in die Klinik Am Spiegelgrund ist vorgezeichnet.
Deshalb recherchiert Sarah besonders sein Schicksal. Ein Freund äußert:

„...Wenn man den Nazis etwas nicht vorwerfen kann, dann ist es Schlamperei. Sie haben ihre Gräueltaten akribisch archiviert...“

Doch ab 1943 fehlt von Erich jede Spur. Dann aber bekommt sie eine Information, die ihr weiter hilft.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es ist keine leichte Kost. Darin wird deutlich, wie gekonnt Österreich seine braune Vergangenheit unter den Teppich gekehrt hat.

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Veröffentlicht am 22.02.2024

Glücksorte im Alltag

Das Glück wartet gleich um die Ecke
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„...Überall gibt es Schönes und Gutes zu genießen, nicht nur in der Ferne. Man kann die eigenen Glücksorte finden, wahrnehmen und erleben...“

Unter anderen mit diesen Worten führt mich die Autorin in ...

„...Überall gibt es Schönes und Gutes zu genießen, nicht nur in der Ferne. Man kann die eigenen Glücksorte finden, wahrnehmen und erleben...“

Unter anderen mit diesen Worten führt mich die Autorin in ihr Buch ein. Dann stellt sie mir 75 Glücksorte vor.
Der Schriftstil ist leicht und lebensfroh. Die Autorin spricht selbst von einem Reiseführer durch den Alltag. Sie zeigt auf, wie man im Alltäglichen das Besondere erkennen kann. Ob am Meer oder auf dem Berg, ob im Warenhaus oder auf der Brücke, ob in der Hängematte oder auf der Luftmatratze, jeder Ort kann zu einem Ort des Glücks werden.

„...Den Moment leben, das ist etwas, was Kinder viel besser können als Erwachsenen: versinken in einem Feld, verschwinden hinter einer Kuppe, einfach laufen und lachen...“

Um den Moment geht es im Buch, den Moment des Glücks, den Moment der Achtsamkeit, den Moment des Innehaltens. Die Autorin beschreibt aber nicht nur den Glücksort. Ab und an gestattet sie sich einen kurzen historischen Ausflug. Wo und wann entstand das erste Warenhaus? Wann wurde wie das erste Brot gebacken? Das sind nur zwei Fragen, die scheinbar so nebenbei beantwortet werden. Dabei ist die Länge der einzelnen Geschichten auf maximal 2 Seiten begrenzt. In Ausnahmefällen darf es eine halbe Seite mehr sein.
Ab und an sind es Erinnerungen an eine Reise, die zum Nachdenken anregen. So hat sie in Bremen Liegestühle entdeckt, die mit neuen Seligpreisungen versehen wurden. Eine davon lautet.

„...Selig sind die Mutigen, denn sie brechen das Schweigen...“

Hier sind am Ende des Textes leere Zeilen für meine eigenen Gedanken vorgegeben.
Einer der Glücksorte ist der Buchladen.

„...Bücher sind hier Hauptprodukt und Dekoration zugleich. Buchläden sind eine Welt, die dreidimensional wirkt, aber weitaus mehr Erfahrungsräume bietet...“

Das Buch weist liebevoll gestaltete Illustrationen auf und bietet am Schluss nochmals Zeilen für eigene Glücksorte.
Die Zusammenstellung hat mir sehr gut gefallen. Sie ist abwechslungsreich und vielfältig und lässt Raum für persönliche Gedanken und Erinnerungen. Sie zeigt, wo es im Alltag Momente der Ruhe und des Ausgleichs gibt. Es gilt sie nur zu finden.
Erwähnenswert ist außerdem die hochwertige Ausstattung. Das betrifft sowohl den stabilen Einband als auch die Papierqualität.

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Veröffentlicht am 21.02.2024

Das Leben als geflohener Sklave

James
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„...Ein Sklavenleben besteht zum großen Teil aus Warten – Warten, Warten und nochmal Warten. Warten auf Anweisungen. Warten auf Essen. Warten aufs Tagesende...“

Es ist der Sklave Jim, der sich selbst ...

„...Ein Sklavenleben besteht zum großen Teil aus Warten – Warten, Warten und nochmal Warten. Warten auf Anweisungen. Warten auf Essen. Warten aufs Tagesende...“

Es ist der Sklave Jim, der sich selbst James nennt, der sein Leben so beschreibt. James ist ein hellhäutiger Sklave von Miss Watson. Hier leben auch die beiden Jungen Huck und Tom.
Der Autor hat den Klassiker „Huckleberry Finn“ auf völlig neue Art erzählt.
Der Schriftstil hat mich sofort begeistert. Auf subtile Art wird deutlich, wie Jim die Vorurteile der weißen Bevölkerung für sich nutzt. Obwohl er die Sprache perfekt beherrscht, bedient er sich des Südstaatenenglischs. Außerdem darf niemand wissen, dass er Lesen und Schreiben kann. Heimlich unterrichtet er die Kinder.

„...Die Weißen erwarten, dass wir auf eine bestimmte Art klingen, und es kann nur nützlich sein, sie nicht zu enttäuschen...“

Als Jim erfährt, dass er verkauft werden soll, flieht er. Dann gesellt sich Huck zu ihm. Der Junge hat es nicht einfach. Sein Vater ist ein Säufer und Schläger.
Beide bewegen sich entlang des Flusses erst einmal gen Süden. Jim wird gesucht, nicht nur als entlaufener Sklave, sondern auch als mutmaßlicher Mörder von Huck, denn keiner weiß, dass der Junge noch lebt.

„...Ein Sklave zu sein war schlimm genug, aber ein flüchtiger Sklave zu sein war noch schlimmer, und flüchtig zu sein und sich direkt vor der Nase der Weißen zu verstecken wäre unerträglich...“

Auf ihren Weg haben die beiden manch Begegnung mit Weißen. Dann gibt Huck Jim als seinen Sklaven aus. Das bringt aber auch Gefahren mit sich, denn als Junge kann er normalerweise keinen Sklaven haben.
Die Beschreibung der Reise ist sehr detailliert. Sie ist einerseits von einem feinen Humor durchzogen, zeigt anderseits aber die Grausamkeit der Sklavenhalterei. Schläge sind die Regel, nicht die Ausnahme. Frauen sind Freiwild für ihre weißen Herren. Manche Situationen wirken skurril, andere nur traurig und menschenverachtend. Der Autor hat die Vielzahl der Gefühle gekonnt in die Handlung integriert.
James ist sehr intelligent. Das hilft ihm, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Gleichzeitig unterhält er sich in seinen Träumen mit Voltaire und anderen Persönlichkeiten. Er hat nur ein Ziel vor Augen. Er möchte Frau und Tochter freikaufen und ein gemeinsames Leben führen.
Auch für Huck ist die Reise sehr lehrreich. Er erkennt, wovor sich Jim in Acht nehmen muss und wann es gilt, vernünftig zu handeln.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es zeigt auf feinsinnige und doch stellenweise humorvolle Art die gesamte Brutalität gegenüber den Sklaven. Erniedrigung und Gewalt sind die Mittel der Wahl.

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Veröffentlicht am 20.02.2024

Anna will es wissen

Vino, Mord und Bella Italia! Folge 1: Das vergiftete Fest
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„...Das Anwesen war wie ein Geisterschloss, das schon vor langer Zeit verlassen worden war und nur darauf wartete, aus seinem Dornröschenschlaf zu erwachen...“

So stellt sich für die deutsche Journalistin ...

„...Das Anwesen war wie ein Geisterschloss, das schon vor langer Zeit verlassen worden war und nur darauf wartete, aus seinem Dornröschenschlaf zu erwachen...“

So stellt sich für die deutsche Journalistin Anna das Häuschen ihrer Großmutter in der Toskana dar. Hätte sich nicht ein Immobilienmakler gemeldet, hätte das Gebäude weiter vor sich hin geträumt.
Das Autorenpaar hat einen spannenden und abwechslungsreichen Krimi geschrieben, der auch eine gehörige Prise Humor enthält.
Der Schriftstil ist locker und leicht und sorgt trotzdem für einen hohen Spannungsbogen.
Die Personen werden gut charakterisiert. Das geschieht weniger durch Worte, eher durch Taten.
Anna weiß, was sie will. Doch exakte Planung ist eher nicht ihr Ding. Deshalb wirft ihr Vico, der Commissario, auch an den Kopf:

„...Denken Sie auch mal nach, bevor sie loslaufen?...“

Apropos Vico: Der wurde vom eigene Vater von Rom in die Provinz strafversetzt. Warum, wird an mehreren Stelen angedeutet, ist aber kein Thema für die Rezension.
Anna will das Häuschen renovieren. Also braucht sie einen Job, in dem sie schnell Geld verdienen kann. Giovanna stellt sie als Kellnerin ein. Ihr erster Tag endet damit, dass drei Herren von ihrem Stuhl kippen. Einer landet im Krankenhaus, für die beiden anderen kommt die Rettung zu spät.
Anna hat sie bedient. Darum nimmt sie die Ermittlungen in die eigene Hand. Sie traut Vico nicht. Außerdem muss sie sich ja an keine Regeln halten – glaubt sie. Natürlich gibt das Ärger. Wie sagt eine Bekannte so schön, als sie neugierige Fragen stellt?

„...Wer Stroh ins Feuer wirft, kann sich verbrennen...“

Nebenbei sorgen Annas Renovierungsversuche für weiteres Chaos in Großmutters Häuschen. Einfach mal auf Wände einzuschlagen, ist meist keine Lösung. Gut integriert werden Annas Telefongespräche mit Malte, einem Bekannten aus Deutschland. Der kommt schnell auf den Punkt und zeigt Anna die zu erwartenden Schwierigkeiten auf. Das tangiert sie aber nur wenig.
Im Team der Kriminalisten ist die Atmosphäre eher gespannt. Daran ist Vico nicht unschuldig. Er sieht die Fehler seiner Kollegen, weniger deren positive Seiten. Hinzu kommt, dass die Toten aus der Gaststätte nicht ihr einziges Problem sind. Es gibt einen weiteren Fall, der mehr als zwei Jahre zurückliegt.
Ich mag den Humor der Geschichte. Wie heißt es so schön, als Anna mit ihrem Fahrrad ohne nach links oder rechts zu sehen, über den Markt rast?

„...Anna lernte interessante neue italienische Schimpfwörter kennen, doch sie ließ sich nicht beirren...“

Am Ende steigt der Spannungsbogen rasant an. Das wiederum führt zur Aufklärung aller Fälle.
Der Krimi hat mich prima unterhalten. Ich freue mich auf die Fortsetzungen.

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