Ein hervorragender Krimi mit einer erfrischend durchschnittlichen und schrulligen Kommissarin
TotenblüteNachdem Julie Armstrong, geschiedene Mutter zweier Kinder, nach einer durchfeierten Nacht nach Hause kommt, holt sie die schreckliche Realität zu schnell und unerwartet wieder ein- Sie findet ihren Sohn ...
Nachdem Julie Armstrong, geschiedene Mutter zweier Kinder, nach einer durchfeierten Nacht nach Hause kommt, holt sie die schreckliche Realität zu schnell und unerwartet wieder ein- Sie findet ihren Sohn Luke tot in der Badwanne- er sitzt wie arrangiert inmitten eines Blütenmeeres. Ihre Tochter Laura liegt schlafend und unversehrt in ihrem Zimmer- sie hat angeblich nichts von dem Mord mitbekommen. Doch wer hatte Interesse daran, einem freundlichen, vielleicht aufgrund seiner Lernschwäche etwas langsamen Jungen, etwas anzutun?
Diese Frage beschäftigt die Kriminalkommissarin und Ermittlerin des Falles, Vera Stanhope, als sie den Tatort betritt. Zunächst gestalten sich die polizeilichen Ermittlungen als schwierig- Bewegung kommt erst in die Sache, als ein zweiter Mord geschieht. Diesmal ist es eine junge Frau, die von einer Gruppe befreundeter Vogelkundler tot aufgefunden wird. Auch sie ist umgeben von Blumen und Blüten.
Eigentlich will Vera die Vogelkundler nur aus reiner Routine näher befragen, doch dann ergeben sich plötzlich Verbindungen zu den Opfern und es scheint, als ob jeder der Gruppe etwas zu verbergen hat. Kann Vera Licht ins Dunkel bringen?
Nach der atmosphärisch dichten, preisgekrönten Shetland Reihe macht die Autorin Ann Cleeves ihre Leser mit einer neuen, ziemlich eigenwilligen Ermittlerin bekannt.
Vera Stanhope besitzt weder Modelmaße noch ist sie schön oder außergewöhnlich. Sie ist ledig, recht einsam, frönt dem Alkohol nach der Arbeit und beneidet im Stillen ihre verheirateten und mit Kindern gesegneten Kollegen um ihr Familienglück. Außerdem besitzt sie die nervtötende Marotte, alle Welt als "Herzchen" anzusprechen. Aber sie hat ein besonderes Talent- sie hat ein kriminalistisches Gespür, das lebenswichtig ist in ihrem Beruf, in dem sie auf ganzer Linie aufgeht!
Vera hat eine ganz bestimmte Methode bei ihren Ermittlungen- sie lullt die Befragten und Verdächtigen, ganz nach "Columbo Manier", zunächst durch eine freundliche, leicht schrullige Art ein, bis diese sich in Sicherheit wiegen, um sie dann mit messerscharfen Fragen aus dem Konzept zu bringen. Zu Veras Team gehört auch Joe Ashworth, der sie in diesem ersten Fall tatkräftig unterstützt und sich gut gegen die manchmal etwas ruppige Vera durchzusetzen versteht.
Wie auch in anderen Romanen von Ann Cleeves brilliert "Totenblüte" durch eine atmosphärisch dichte und komplexe Handlung. Sowohl Haupt und Nebenfiguren sind gut ausgearbeitet und werden facettenreich dargestellt. Man wird nicht nur an die Akteure herangeführt, sondern lernt sie und ihre kleinen und großen Geheimnisse im Laufe des Buches immer besser kennen. Der Leser wird so schnell zum sensationslüsternen Voyeur, da die ureigene Neugierde in Etappen stetig mehr geschürt wird.
Die tiefgründige Charakterisierung ihrer agierenden Personen ist ein Highlight, das sämtliche Krimis von Ann Cleeves auszeichnet und dieser Punkt lässt ihre Bücher auch aus der breiten Masse der Krimilektüre hervorstechen.
Ein wenig zu kurz kam mir bisher nur die Beschreibung von Veras persönlichem Lebenshintergrund, was aber in den nächsten Teilen wahrscheinlich nachgeholt werden wird. Übrigens wurde „Totenblüte" nun auch für das englische Fernsehen verfilmt. Mit keiner geringeren Schauspielerin in der Rolle der Vera, als Brenda Blethyn.
Kurzgefasst: Ein hervorragender Krimi mit einer erfrischend durchschnittlichen und schrulligen Kommissarin.