Mein Bruder Richard Löwenherz
Im dritten Roman über ihre Familie schreibt die Autorin Monika Helfer über ihren sechs Jahre jüngeren Bruder Richard, den Liebling des Vaters, von diesem Richard Löwenherz genannt. Eine Rachitis in der ...
Im dritten Roman über ihre Familie schreibt die Autorin Monika Helfer über ihren sechs Jahre jüngeren Bruder Richard, den Liebling des Vaters, von diesem Richard Löwenherz genannt. Eine Rachitis in der Kindheit hinterläßt ihm einen ganz besonderen Gang, kantig und asymmetrisch. Und obwohl er auch so wirkt, irgendwie nicht der Norm entsprechend, scheint er auf "leichte" Weise durch das Leben zu treiben, wenn auch eher passiv. "Er tue so gut wie gar nichts aus Überzeugung. Aber nicht aus Überzeugung tue er nichts aus Überzeugung, es sei einfach so." (S.89) Oder kurz danach auf Seite 92: "Wenn es einen Mann ohne Eigenschaften gebe, dann sei Richard der Mann ohne Antrieb gewesen."
Weil die Mutter früh stirbt und der Vater nicht in der Lage ist, sich um die Kinder zu kümmern, wachsen sie bei Verwandten auf. Richard ist fünf als er getrennt von den Schwestern zu Tante Irma gebracht wird. Immer wieder blitzt im Roman auf, dass die Autorin ihren Bruder nicht so gut gekannt hat, wie sie sich dies gewünscht hätte. Während des Schreibprozesses bespricht sie sich mit ihrem Mann, der viel Zeit mit Richard verbracht hat und dieser stellt Aussagen seiner Frau in Frage oder korrigiert sie. Diese Gespräche werden Teil des Romans und Teil des Erinnerns an den Bruder.
Auch wenn vielleicht nicht alles so geschehen ist, so gesagt oder gemeint wurde, wie es die Autorin hier wiedergibt, denn manches hat sie fiktional ergänzt, spürt man die Zuneigung zu ihrem Bruder in jeder Zeile. Monika Helfer beschreibt ein Leben, dem besondere Geschenke gemacht wurde, dem aber letztlich um so mehr wieder genommen wurde. Der Sprachstil, dieses offene Nachdenken über das, was gerade geschrieben wird, gefällt mir sehr. Die Erinnerungen der Autorin haben mich bereits in "Die Bagage" sehr bewegt und mit diesem Roman ist es mir nicht anders ergangen.