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Veröffentlicht am 18.03.2023

EINE STARKE TRAGIKOMÖDIE

Homer & Langley
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Laut Klappentext „ein beglückendes und witzig-geistreiches Buch“.
Das trifft irgendwie tatsächlich zu, wobei es aber auch nachdenklich-erschreckend ist.
Über rund 220 Seiten erzählt Doctorow in einer ...

Laut Klappentext „ein beglückendes und witzig-geistreiches Buch“.
Das trifft irgendwie tatsächlich zu, wobei es aber auch nachdenklich-erschreckend ist.
Über rund 220 Seiten erzählt Doctorow in einer wunderbaren Art und ganz großer Erzählkunst die Geschichte der Brüder Homer und Langley Collyer - und dies über einen Zeitraum von etwa 80 Jahren.
Der Leser erlebt das Leben der beiden Brüder aus der Sicht des jüngeren Homer, der schon in frühester Jugend erblindet ist. Langley liest ihm vor, zunächst Geschichten, dann Zeitungen; wobei Langley eine Theorie entwickelt, dass die Geschichte davon lebt, dass alles fortwährend ersetzt wird - und im Prinzip eine fixe Tageszeitung für alle Nachrichten ausreicht.
Dann muss Langley in den Krieg. Derweil sterben die Eltern an der Spanischen Grippe. Homer fühlt sich verlassen; Schließlich kehrt Langley - verwundet durch eine Senfgasvergiftung - zurück, ist jedoch nicht mehr der Alte. Er wird zum Sammler - zwecks Recherche für seine Zeitung. Das Anwesen wird zum Messie-Haushalt, die beiden verfallen in ein Eremiten-Dasein, bekommen Probleme mit den Behörden und Stadtwerken, werden zu einer exotischen Sensation. Homer erlebt das Ganze unter dem Einfluss des Bruders, dem er sich aber nicht entziehen kann.
Sie schlingern Durchbrüche Jahrzehnte, Mafia, Hippies und Reporter kreuzen ihren Weg. Kriege kommen und gehen - draußen.
Eine sehr eindrückliche Schilderung eines Lebens zweier Menschen, die nach und nach abrücken von der Gesellschaft.
Für jeden eine Empfehlung, der große Erzählungen liebt, gespickt mit subtilem Humor und einer Prise Wehmut.
Ein tolles Buch - sicher nicht das letzte von Doctorow.

Erschienen im Fischer Verlag 2012 - übersetzt von Gertraude Krueger

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Veröffentlicht am 08.03.2023

Spannende Lesemomente hinter Gittern

Die Geister von Alcatraz
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Soeben beendet und direkt neugierig auf die nächsten beiden Bände! Die Geister von Alcatraz haben mir eine spannende Lesezeit hinter Gittern beschert! Als ich von ihrem Buch hörte, war ich sofort angefixed, ...

Soeben beendet und direkt neugierig auf die nächsten beiden Bände! Die Geister von Alcatraz haben mir eine spannende Lesezeit hinter Gittern beschert! Als ich von ihrem Buch hörte, war ich sofort angefixed, da die beiden Filme „Der Gefangene von Alcatraz“ und „Die Flucht von Alcatraz“ mit Burt Lancaster bzw. Clint Eastwood in den Hauptrollen mit zu meinen Lieblingsfilmen gehören. Und die Vorfreude wurde belohnt! Die Autorin hat - nicht zuletzt durch sorgfältige Recherche - eine tolle Atmosphäre aufgebaut und durch den Perspektivenwechsel der Protagonisten einen Szenenwechsel erzeugt, der einen in Atem gehalten hat. Zudem hat einen der saubere Schreibstil durch die Seiten huschen lassen, wie die Geister durch die Gemäuer von Alcatraz. Ich hatte zunächst „mehr“ Geistermitwirkung erwartet, fand zum Schluss aber, dass hier die Geisterdosierung absolut passend war. Tatsächlich denke ich, dass die Bezeichnung Thriller ausgereicht hätte; ein solcher war es eindeutig - und gerade zum finalen Ende (war es das wirklich ? ) bin ich gebannt durch die Seiten geflogen! Ein kleiner Kritikpunkt: Das Handeln von Jill war manchmal (für meinen Geschmack) etwas zu naiv. Macht für mich keinen Abbruch: Klare Empfehlung von mir!

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Veröffentlicht am 25.02.2024

LIEBESDRAMA FREI VON KITSCH

Velella
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Als mir dieser Debütroman von Aline Akbari begegnet ist - mit der Kurzumschreibung „Liebesdrama vor der Kulisse der irischen Atlantik-Küste“ - war ich zunächst etwas skeptisch. Für Romancy-Schmonzetten ...

Als mir dieser Debütroman von Aline Akbari begegnet ist - mit der Kurzumschreibung „Liebesdrama vor der Kulisse der irischen Atlantik-Küste“ - war ich zunächst etwas skeptisch. Für Romancy-Schmonzetten habe ich nicht so viel übrig.
Nach den ersten paar Sätzen/Absätzen/Kapiteln hatte die Geschichte mich jedoch; denn hier liegt wirklich ein Liebesdrama vor, das gleich in die Vollen geht.
Der irische Farmer Padraig lebt im wahrsten Sinne des Wortes bodenständig auf seinem eigenen Land. Er ist Ire und Farmer mit Haut und Haaren, glücklich verheiratet, zwei Kinder. Verbunden mit dem Land, mit dem Meer und mit den Nachbarn und den Bewohnern des kleinen Ortes, in dem er lebt.
Eines Tages ziehen neue Nachbarn in das Nachbargrundstück - nicht für das ganze Jahr, sondern als Feriengäste. Ein Pärchen aus Hamburg - Livia und Jens - mit seinen zwei (?) Kindern hat das Haus gekauft und renoviert. Und die erste Begegnung mit ihnen - bzw. der kurze Blick in die Augen von Livia bringt die Welt von Padraig ins Wanken.
Fortan kann er nur noch an die Augen dieser Frau denken und fühlt sich auf unheimliche Art zu ihr hingezogen. Er weiß, dass allein die Gedanken an diese Frau seine Ehe in Frage stellen. Eine weitere Begegnung versucht er zu vermeiden - da er weiß, dass er damit alles aufs Spiel setzen würde, was ihm bisher wichtig war und wofür er bislang stand.
Der Leser begleitet ihn in seinen Gedanken, in seiner Verzweiflung, in seiner Sehnsucht - und weiß ebenfalls, dass es falsch wäre, würde er nachgeben.
Die Autorin schafft es, einen durch ihren Schreibstil, der emotional aber nicht kitschig, nauturbeobachtend aber nicht ausufernd ist, mit in die Geschichte zu holen.
Lange glaubte ich, Padraig wird Livia gar nicht begegnen und nur in seiner Gedankenwelt der unerwiderten Gefühle verbleiben, verzweifeln, doch dann setzt der zweite Strang ein und man bekommt auch einen Einblick in ihre Gefühlswelt.

»Dieser Blick, er hat etwas mit mir gemacht, das ich nicht erklären, nicht in Worte fassen kann. Es war wie ein, ja, auch wenn sich das jetzt ziemlich verrückt anhört, wie ein ERKENNEN!«

Wie Padraig empfindet auch Livia etwas; auch sie weiß, dass dieses Gefühle verboten sind.

Würde ich jetzt weiter auf die Handlung eingehen, würde ich unnötig spoilern. Somit bleibt mir nicht mehr, als zu sagen, dass ich auf das positivste überrascht war, von diesem wirklich wunderbaren Liebesdrama, das sich leicht gelesen hat, dabei aber nicht seicht war. Ich wurde getragen durch dicht und stark geschriebene Seiten, befand mich in der taugen und schönen Welt Irlands und erlebte die Stürme der Gefühle zweier Menschen, denen ein einziger Blick in die Augen des anderen den Boden unter den Füßen weggezogen hat.
Somit empfehle ich dieses Buch jedem, der ein gutes Liebesdrama ohne Kitsch vor einer Kulisse ohne Schwulstigkeit mag.

Das Ende - zunächst (für mich) so nicht erwartet - wirkt ein kleines bisschen zu „beendet“; daher von meiner Seite einen kleinen Abzug und 4 2/3 von 5 Sternen.

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Veröffentlicht am 27.02.2024

WIE EIN UNTERHALTSAMES BOULEVARDTHEATER

Gruß aus der Küche
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Gruß aus der Küche - erschienen bei Diogenes - war tatsächlich das erste Buch, welches ich von der Autorin gelesen habe.
Auf meinem SuB liegen seit einiger Zeit bereits „Die Apothekerin“, „Kalt ist der ...

Gruß aus der Küche - erschienen bei Diogenes - war tatsächlich das erste Buch, welches ich von der Autorin gelesen habe.
Auf meinem SuB liegen seit einiger Zeit bereits „Die Apothekerin“, „Kalt ist der Abenbdhauch“ und „Der Mittagstisch“.
Da „Gruß aus der Küche“ gerade neu erschien, dachte ich mir, ich ziehe dies als Erstlingswerk vor.

Worum geht es?
Irma hat vor einiger Zeit das Gasthaus „Zum Hirschen“ übernommen, ist jedoch Vegetarierin, weshalb sie es kurzerhand zu „Aubergine“ umtaufte und fortan das namensgebende Nachtschattengewächs zu einem wichtigen Bestandteil ihrer kulinarischen Kreationen machte. Ihr zur Seite steht der ungelernte Kellner Josh - ein ehemaliger Langzeitstudent, der durch seine gewinnende Art ein wahrer Gäste-Magnet für die Wirtschaft ist. Zudem erledigt er die Buchhaltung und das Marketing für Irma - und ohne zu spoilern kann verraten werden, dass sie nicht immer nur in einer geschäftlichen Beziehung standen. Wichtig für die Story ist die rothaarige Lucy, 16 Jahre alt und als Hilfskraft eingesetzt, das sie gerade - zum Missfallen ihrer Eltern - die Schule geschmissen hat. Auch sie zeigt ein großes Interesse an dem doppelt so alten Josh. Und dann ist da noch der „Gemüsemann“, ein schon etwas betagter Witwer mit Dopktortitel, der in der Aubergine Zuflucht gefunden hat und dort fürs Gemüseschneiden eingesetzt wird - was er allerdings eher langsam durchführt. Als Gegenleistung erhält er Mittag- und Abendessen und die Gesellschaft der anderen - auch wenn nicht alle mit seiner Anwesenheit einverstanden sind. Er wiederum zeigt ein besonderes Interesse an der Inhaberin der Aubergine und schmiedet Zukunftspläne. Die fünfte in der bunten Runde ist Irmas langjährige Freundin Nicole - nicht sehr helle, jedoch geschickt imn der Küche und mit einem offenen Ohr für alles und jeden - besonders für die Geheimnisse der anderen.

Im Großen und Ganzen hat mir das Buch gefallen. Es liest sich sehr leicht und birgt viel Witz und bissigen Humor; letzterer überschreitet jedoch manchmal haarscharf eine Grenze, die dazu führt, dass man eher das Gefühl hat, in einem Boulevard-Theaterstück zu sitzen. So werden englische Verballhornungen bemüht, wie „You can me crosswise!“ oder „Tomorrow together“ - basierend auf den schlechten Englischkenntnissen von Nicole und dem Spaß, den Josh daran hat, ihr solche falschen Aussprüche beizubringen. Auch die Jugendsprache von Lucy wird etwas arg zum Einsatz gebracht, wobei „chill mal“ noch das harmloseste ist.

Letztendlich jedoch eine rasante - wenn auch manchmal seichte - Komödie, die davon lebt, dass verwirrende Situationen und Missverständnisse aus der Sicht eines jeden daran beteiligten erzählt werden. Dabei musste ich hier und da schon heftig schmunzeln, andere Geschenisse wirkten dann wieder sehr vorhersehbar und konstruiiert.
Wer Verwirrungs- und Verwechslungs- bzw. Missverständnis-Komödien mag, der ist hier bestens bedient - ich hatte mir allerdings etwas anderes erwartet, da ich mit Ingrid Noll (wenn bisher auch nur aus dritter Hand) schwarze Kriminalkomödien verbunden habe. Ihr Schreibstil allerdings hat mir sehr zugesagt, so dass ich mich auf jeden Fall hierdurch nicht davon abbringen lasse, weitere Bücher von ihr zu kosten.

von mir erhält der Gruß aus der Küche 3,5 von 5 Sternen.

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