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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.11.2017

Literarischer Leckerbissen

Aus Neugier und Leidenschaft
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Für Fans der kanadischen Schriftstellerin Margaret Atwood sind ihre gesammelten Essays ein Leckerbissen. Sie bestehen aus Artikeln, Rezensionen und Vor- bzw. Nachwörter etc. und sind chronologisch geordnet. ...

Für Fans der kanadischen Schriftstellerin Margaret Atwood sind ihre gesammelten Essays ein Leckerbissen. Sie bestehen aus Artikeln, Rezensionen und Vor- bzw. Nachwörter etc. und sind chronologisch geordnet. Aufgeteilt sind die Essays in folgender stimmiger Weise:
Teil 1: 1970 - 1985
Teil 2: 1990 - 1999
Teil 3: 2000 - 2005
Aber selbst die alten Texte haben neben einem gewissen Zeitbezug immer noch eine Frische, die kennzeichnend für die diesjährige Friedenspreisträgerin des deutschen Buchhandels. Viele Texte sind autobiografisch angehaucht, viele Themen feministisch geprägt. Das bleibt unverkrampft, aber oft nicht ohne Schärfe. Starke Frauen durchziehen ihr Werk.
Herausheben möchte ich zum Schluß 3 Texte, die mich besonders beeindruckt haben.
Das Nachwort zu Anne of Green Gables
Kopftuch oder Tod (eine Rezension von Orhan Pamuks Schnee)
Die 10 Annäherungen an die Insel von Dr.Moreau (H.G.Wells)

Veröffentlicht am 12.10.2017

dialogbetont

Katharina und der Zaungast
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Dieser intelligente Roman von1957 ist ein Frühwerk von Christine Brückner und setzt ganz auf die Gespräche zweier Menschen.
Die junge Franziska und der 20 Jahre ältere Doktor sind über einen langen Zeitraum ...

Dieser intelligente Roman von1957 ist ein Frühwerk von Christine Brückner und setzt ganz auf die Gespräche zweier Menschen.
Die junge Franziska und der 20 Jahre ältere Doktor sind über einen langen Zeitraum miteinander befreundet, aber doch sehr verschieden. Franziska ist stark und impulsiv, nach einer schweren Kindheit gierig auf das Leben, aber leider ist es eine fehlgeleitet Zeit. Der geschilderte Fackelzug 1938 lässt einen eine Beklemmung beim Lesen erfahren.
Bastian, der Doktor, ist anders als Franziska, abwartend und beobachtend, klug bewahrt er kühlen Kopf.
Vielleicht ist ihre Verschiedenheit der Grund, warum sie sich in den Dialogen aneinander abarbeiten, die Vergangenheit reflektieren.
Beide mussten schweres durchmachen. Bastian erblindete im Krieg, Katharina verliebt sich in den falschen Mann, wird desillusioniert. Die Nachkriegszeit führt sie ins Ausland, wie getrieben sucht sie nach einem eigenen Platz. Brieflich bleiben sie in Kontakt.

Die Form des Romans ist gleichzeitig funktionierend als auch einschränkend, da manche Themen praktisch wie abgehakt wirken. Das gilt insbesondere für Katharinas Jahre im Exil. Daher kann ich dem Buch nicht die Höchstnote geben, aber ein guter Roman ist es und die Getragenheit und Melancholie strahlen etwas außergewöhnliches aus, dass in der zeitgenössischen Literatur relativ selten ist.

Veröffentlicht am 08.10.2017

Was für ein Buch!

Anstand
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Ein sehr amerikanischer und sehr lebhafter Roman! Eine starker Hauptfigur, aus denen Perspektive konsequent erzählt wird. Der Erzähler ist ein Original. Vietnamveteran und vorgeblich konservativ, doch ...

Ein sehr amerikanischer und sehr lebhafter Roman! Eine starker Hauptfigur, aus denen Perspektive konsequent erzählt wird. Der Erzähler ist ein Original. Vietnamveteran und vorgeblich konservativ, doch blitzt immer wieder seine große Toleranz durch, die er den Menschen entgegen bringt. Besonders liegt ihm sein Sohn Hank am Herzen und erst Recht seine Enkelin Ella.

Der Mann hat Witz, aber es gab auch harte und tragische Schicksalsschläge, die sein Leben prägten.

Matthew Quick zeigt anhand seines Protagonisten, wie man mit seinen eigenen Vorurteilen umgehen kann. Dazu gehört die Suche nach den Ursachen dafür,
Ich bezweifle, dass der Protagonist mit seiner Fähigkeit zur Selbsterkenntnis ein typischer Vertreter des Trump-Wählers ist. Das Buch zeigt nicht, wie diese Spezis tickt, vielmehr wird ein Einzelfall im Detail gezeigt und man erfährt, was diesen 68jährigen US-Amerikaner zu dem machte, was er ist. Er musste als junger Mann in den Krieg ziehen und die schrecklichen Erlebnisse in Vietnam lassen ihn noch Jahre später Alpträume haben. Damit muss man erst einmal fertig werden und ganz wird das Kapitel nie abgeschlossen sein.
Hinzu kam die Liebe zu einer labilen Frau, die an schweren Depressionen litt und eine Entfremdung zum erwachsenen Sohn, der mit Mitte 40 von seiner Frau verlassen wurde.
Nach einer schweren Erkrankung kommt Granger seinem Sohn und seiner geliebten Enkelin wieder nahe.
So ganz glaubwürdig und realistisch finde ich die Hauptfigur nicht, aber das macht nichts. Dafür ist der Roman umso unterhaltsamer.Ganz unbekannt ist die Masche mit dem grantelnden, aber gutherzigen Antihelden nicht. Man denkt z.B. an Clint Eastwood in Gran Torino. Und es funktioniert auch hier.

Veröffentlicht am 07.10.2017

Stimmungsvolles Portrait

Ein Gentleman in Moskau
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Der Roman ist ein Portrait eines Mannes, der in schweren Zeiten in Moskau in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts an seinen Lebensstil festhält. Amor Towles arbeitet dessen Werte heraus, wie ...

Der Roman ist ein Portrait eines Mannes, der in schweren Zeiten in Moskau in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts an seinen Lebensstil festhält. Amor Towles arbeitet dessen Werte heraus, wie zum Beispiel Gentleman-likes Verhalten, die russische Literatur (Tolstoi, Tschechow, Gogol …), klassische Musik,
Standhaftigkeit. Seine Welt spielt sich auf Jahrzehnte ausschließlich im Moskauer Hotel Metropol ab, in dem er ab 1922 Hausarrest hat. Natürlich verliert er viele seine Privilegien, muss von seiner Suite in eine kleine Dachkammer ziehen und schließlich sogar Kellner werden.
Der Graf bleibt stets positiv und behält seine Geisteshaltung unbeirrt bei. Sein Verhalten wird von einigen Bekannten, auf die er zählen kann, goutiert. Dazu gehört auch Sophia, das 4-jährige Mädchen, dessen Mutter er schon kannte, als die noch ein kannte. Er nimmt Sophia als Tochter an und erzieht das begabte, intelligente Mädchen mit seinen Werten.

Amor Towles Stärke liegen in seinem eleganten Stil und wie er das alte Moskau zum Leben erweckt. Probleme hatte ich nur mit der Glaubwürdigkeit, wie der Graf sein Schicksal klaglos annimmt und besteht. Realistisch wäre wohl eher, die komplette Isoliertheit und die Schikanen deutlicher zu zeigen, die folge des Wandels sein musste.
Aber das stört mich nicht wirklich, da die Geschichte anrührt und die Erzählart sehr unterhaltend ist. Obwohl sich die Handlung fast ausschließlich in einem Hotel abspielt, wird es nie langweilig. Towles erzählt dialogbetont und wirft immer wieder interessante Fragestellungen auf.

Ich habe das Hörbuch gehört, eine gute Entscheidung, denn mit dem ausdrucksstarken Sprecher Hans Jürgen Stockerl führt einen eine passende Stimme durch die Handlung von immerhin 9 CDs.

Veröffentlicht am 03.10.2017

Hörbuch mit großen Einsatz

Der Frauenchor von Chilbury
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Der Frauenchor von Chilbury von Jennifer Ryan ist durch seine Form, bestehend aus Tagebucheintragungen und Briefe von 4 Frauen in England 1940, ein intelligent gemachtes Buch. Es sind Kriegszeiten. Betrachtet ...

Der Frauenchor von Chilbury von Jennifer Ryan ist durch seine Form, bestehend aus Tagebucheintragungen und Briefe von 4 Frauen in England 1940, ein intelligent gemachtes Buch. Es sind Kriegszeiten. Betrachtet wird in diesem Buch das Schicksal der zurückgebliebenen, meist Frauen, die auch ohne die Männer, die im Krieg sind, den Betrieb im Dorf aufrecht erhalten.

Normalerweise bin ich kein Freund von Briefromanen, aber nutzt eine so erzählende Form, dass sich keine Blockade ergeben.
Das Buch wird zudem nie langweilig, weil die vier erzählenden Frauen ziemlich unterschiedlich sind, sowohl vom Alter als auch vom Charakter, aber alle sind doch realistisch gehalten.
Auch originelle Nebenfiguren werden in den Berichten mit aufgebaut, zum Beispiel die engagierte Prim, die den Chor gründete und leitete oder die grantige Mrs.B.

Der Mehrwert des Buches ist, dass man erfährt, wie die Frauen diese schweren Zeiten erlebten und wie sich in ungewöhnlichen Situationen auch Chance zu außergewöhnlichen Leistungen ergeben. Dazu gehört zum Beispiel Verantwortung zu übernehmen und sich um andere zu kümmern.

Ich habe mich für das Hörbuch von argon entschieden, bei dem mit 4 Sprecherinnen für die vie Hauptfiguren, einiger Aufwand getrieben wird. Schließlich sind die Sprecherinnen alles bekannte und beliebte Namen: Jasna Fritzi Bauer (als Kitty), Monika Oschek (Venetia), Elena Wilms (Mrs.Tilling) und Andrea Sawatzki (grandios als skrupellose Hebamme Edwina).
Unterstützt werden sie sogar noch von Gabriele Blum und Ulrich Noethen. Selbst ein echter Chor kommt sparsam eingeschätzt auf dem Hörbuch zum Einsatz, das Frauenensemble Encantada.
Das weiß ich wirklich zu schätzen, denn dadurch entsteht ein außergewöhnliches Hörbuch.