Cover-Bild Stumme Zeit
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25,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Dörlemann
  • Themenbereich: Belletristik
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 400
  • Ersterscheinung: 22.02.2024
  • ISBN: 9783038201373
Silke von Bremen

Stumme Zeit

Roman
Als Sönnich Petersen stirbt, ist niemand im Dorf am Watt traurig, am wenigsten seine Tochter Helma. Er war kein liebevoller Vater, der Krieg hatte ihn hart gemacht.Sein Tod fällt in eine Zeit, in der der aufkommende Tourismus neue Menschen und Gebräuche mit sich bringt. Immer mehr Inselbewohner wollen am Wohlstand teilhaben, auch Helma vermietet bald an Badegäste. Doch da ist noch etwas, was sie beschäftigt: Über ihre früh verstorbene Mutter wurde immer eisern geschwiegen. Auch um die Mutter ihres Kindheitsfreundes Rudi gibt es ein Geheimnis, sie wurde während des Krieges abgeholt und kam nie zurück. Wie konnten die Frauen einfach so verschwinden? Warum fragte niemand nach ihnen?Die Suche nach Klarheit führt Helma und Rudi in die dunkelsten Kapitel der Geschichte ihrer Insel.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.03.2024

Für mich ein Highlight!

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Dieses Buch konnte mich als Nordlicht mit seinem allerersten Satz begeistern:
„Der Himmel hatte seit Tagen das undefinierbare Grau eines alten Feudels. Aber am Morgen frischte der Wind auf, zerriss den ...

Dieses Buch konnte mich als Nordlicht mit seinem allerersten Satz begeistern:
„Der Himmel hatte seit Tagen das undefinierbare Grau eines alten Feudels. Aber am Morgen frischte der Wind auf, zerriss den himmlischen Putzlappen und jagte bald darauf große, kompakte Wolken über die Insel.“ (S. 7)

STUMME ZEIT
Silke von Bremen

1975:

"Sönnich Petersen war ein schweres Gewitter auf zwei Beinen, das sich in einer gewaltigen Explosion entlud.“ (S. 16) Er war ein Nazi; brutal und ungerecht, doch jetzt war er tot. Seine Tochter Helma trauert ihm nicht nach: zu oft hat er sie vor versammelter Mannschaft bloßgestellt.
Jetzt kann Helma ihr Leben leben, doch was ist ihr Leben schon?

Ihre Mutter starb im Wochenbett. Sie blieb alleine mit ihrem lieblosen Vater, der sie nie beachtete, auf einer Insel in der Bauernkate mit Reetdach zurück. Wenn es die Flüchtlingsfrau Alwine, die bei ihnen damals zwangseinquartiert wurde und die Nachbarin Lena nicht gegeben hätte, wäre ihr Leben trostlos verlaufen. Doch auch Lena verschwand ganz plötzlich. Nun hatte sie nur noch Alwine und diese blieb auf dem Hof nur für Helma. Sönnich und sie konnten sich nicht ausstehen; sie gingen einander aus dem Weg. Bei Alwine konnte sich die kleine Helma anschmiegen. Sie war es, die ihr Lieder sang und Geschichten aus der Heimat erzählte. „Alwine musste sich nun doch räuspern. Ihr Gehirn schickte Bilder von roten Sprenkeln im Schnee, zerrissenen Körpern und brennenden Menschen, deren Schreie mit ihr geflohen waren. Alles, was ihr Leben erfüllt hatte, war zurückgeblieben in Wiesenthal, aber das, worauf sie gerne verzichtet hätte, klebte an ihr wie das Harz von frisch geschlagenen Tannen.“ (S. 70)

Und heute? Kein Mann und keine Kinder - das ist die traurige Bilanz. Doch sie musste ja immer ihrem Vater helfen. Wie hätte sie da ein eigenes Leben aufbauen sollen? Und den einen, den sie mochte, hatte ihr Vater vom Hof gejagt.
Helma beschließt es den anderen Insulanern gleichzutun: Sie wird ihre Zimmer an die Touristen, die seit neuesten die Insel im Sommer belagern, vermieten.
Während des Umbaus findet sie im Schrank ihres Vaters ein Poesiealbum, das ihrer Mutter gehörte. Darin liest sie ganz fürchterliche Dinge …

Was für ein tolles Buch!
Silke von Bremen hat mich mit ihrem feinen Schreibstil verzaubert. Diese kühle Distanziertheit, das seichte Eintröpfeln des Plattdeutschen, verwoben mit wunderschönen Beschreibungen der Insel. Einfach gelungen!
Für mich war das Buch ein wahrer Pageturner und ein Highlight und deshalb möchte ich allen, die Waterkant und Familienromane lieben, dieses Buch ans Herz legen.
5/ 5

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Veröffentlicht am 26.02.2024

Was die Zeit aus einem macht...

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Klappentext:

„Als Sönnich Petersen stirbt, ist niemand im Dorf am Watt traurig, am wenigsten seine Tochter Helma. Er war kein liebevoller Vater, der Krieg hatte ihn hart gemacht.



Sein Tod fällt in ...

Klappentext:

„Als Sönnich Petersen stirbt, ist niemand im Dorf am Watt traurig, am wenigsten seine Tochter Helma. Er war kein liebevoller Vater, der Krieg hatte ihn hart gemacht.



Sein Tod fällt in eine Zeit, in der der aufkommende Tourismus neue Menschen und Gebräuche mit sich bringt. Immer mehr Inselbewohner wollen am Wohlstand teilhaben, auch Helma vermietet bald an Badegäste. Doch da ist noch etwas, was sie beschäftigt: Über ihre früh verstorbene Mutter wurde immer eisern geschwiegen. Auch um die Mutter ihres Kindheitsfreundes Rudi gibt es ein Geheimnis, sie wurde während des Krieges abgeholt und kam nie zurück. Wie konnten die Frauen einfach so verschwinden? Warum fragte niemand nach ihnen?



Die Suche nach Klarheit führt Helma und Rudi in die dunkelsten Kapitel der Geschichte ihrer Insel.“



Mit „Stumme Zeit“ hat Autorin und Heimatforscherin Silke von Bremen ihr Roman-Debüt veröffentlicht. Die Sylterin ist äußerst engagiert im Inselschutz und Denkmalschutz, Erhaltung der Insel und Bewahrung des Ursprünglichen auf der Insel Sylt. Diese kleinen Feinheiten machen sich auch in ihrer Geschichte hier mal direkt, mal versteckt zwischen den Zeilen bemerkbar. Der Buchtitel ist recht eindeutig zweideutig. Wir lernen zu Beginn Familie Petersen kenn. Familienoberhaupt ist Sönnich, seine Frau Karen ist verstorben, Tochter Helma und Großmutter Gondel. Schauplatz der Erzählung ist das alte Kapitänsdorf Keitum auf der Insel. Mit der „Zeit“ hat es von Bremen hier ganz speziell: sie nennt keine direkten Daten, wir erfahren nur aus den Erzählungen wann in etwa die oder die Geschichte sich zugetragen haben muss. Man muss klar sagen, wir erlesen uns hier Zeiten und somit auch Zusammenhänge. Man muss konzentriert lesen, da die friesischen Namen oder gar Begrifflichkeiten für mich als Nordlicht zwar klar zu verstehen sind, aber es wird Leser geben, die müssen nachschauen um was es sich handelt oder warum die Namen so klingen wie sie klingen. Es ist der Zeit geschuldet. Die Geschichte springt immer mal wieder in diesen und bietet dem Leser dadurch viel Hintergrundwissen rund um die Geschehnisse bei Familie Petersen und der Nachbarschaft. Hauptakteurin im Buch ist Helma. Ihre Kindheit war nicht leicht, geprägt von der extremen Kühle ihres cholerischen Vaters und von einer Großmutter, die ebenfalls in der Zeit festhing, da der zweite Sohn, ihr Herzenssohn, im Krieg als verschollen galt. Ein wenig Wärme bekam Helma damals, wie auch in der späteren Zeit, nur durch Oma Martin. Diese kam als Flüchtling auf die Insel und war ebenfalls von der Zeit geprägt. Rudi, der Nachbarsjunge, ist Helmas bester Freund. Beide entdecken in ihrem späteren Leben Informationen aus längst vergangenen Zeiten, die sie komplett aus der Bahn werfen. Und da ist dann auch noch Dietrich, Helmas große Liebe.

Der große Tenor dieser Geschichte ist der bestimmende Buchtitel bereits selbst. Es gibt Dinge im Leben, die kann man erzählen, da kann man nicht stumm bleiben aber es gibt auch Zeiten, wo man besser schweigt. Wo man mit sich selbst die Dinge ausmacht. Ob das gesund ist, ist eine andere Frage. Von Bremen nimmt uns hier jedenfalls in eine raue und kalte Zeit Sylts mit, wo jeder einen immens schweren Rucksack auf seinen Schultern zu tragen hatte. Die Insel war im Umbruch. Die ersten Touristen kamen und blieben, Familiengeheimnisse traten ans Tageslicht; das Alte, das Vertraute war plötzlich nicht mehr schick und sollte doch besser verhökert werden und es stellt sich immer die Frage, was sagt man dazu? Muss man etwas dazu sagen? Ist man so direkt wie Helma? Fest steht jedenfalls, man kann Helma von Buchseite zu Buchseite besser verstehen. Die Zeit hat sie gezeichnet. Genau so Sönnich, Oma Martin, Gondel, Rudi, Dietrich und allen anderen Personen im Buch. Das hat weniger mit Lebenserfahrung zu tun, sondern mit der Entwicklung eben jener Zeit. Da stecken oft noch Denkweisen von früher dahinter, Träume, Wünsche, Ideologien, Traditionen, Sitten und Bräuche…diese ändern zu wollen, diese verändern zu wollen, ist ebenso schwer wie das knacken einer harten Nuss. Genau deshalb ist der Buchtitel auch zweideutig anzusehen. Es ist oft schwer für bestimmte Dinge Worte zu finden, da helfen manchmal nur Tränen wie bei Rudi oder eben eine liebevolle Umarmung von Oma Martin.

Von Bremens Schreibstil ist sehr ausgewogen und hat einen feinen Ausdruck. Trotz der friesischen Namen etc. war der Lesefluss stets gegeben. An den passenden Stellen kommt auch der Humor nicht zu knapp. Wie bereits am Anfang geschrieben, baut von Bremen auch kleine Spitzen mit ein (Touristen etc.) welche doch immens zum nachdenken anregen. Ihr bildhafter Schreibstil lässt uns nicht nur durch Keitum wandern sondern auch an Helmas Küchentisch mit sitzen oder bei Conny in der verrauchten Kneipe stehen. In ihren Zeitenwechsel hält sie ebenfalls daran fest. Schlussendlich ist es sogar so, könnte die Geschichte überall sich zugetragen haben, denn fest steht, jeder Landstrich, jede Familie hat irgendwie solche stummen Zeiten durchgemacht.

Da ich den Werdegang von Silke von Bremen schon sehr sehr lange verfolge und die Insel Sylt als meine zweite Heimat nennen kann, war mir dieses Buch mehr als vertraut. Egal ob Namen oder Landschaftsbeschreibungen oder eben die Geschichten der Menschen hier, sie trifft die Sache im Kern. Ist dabei direkt und ehrlich. Es ist ein ruhiger Roman, der zum nachdenken anregt, und den man gebannt verfolgt, da man gerne wissen möchte ob Helma doch noch ihren Frieden mit sich und der Welt machen kann wenn sie endlich die Wahrheit kennt. Ja, das Buch hat so einige philosophische Parts dabei, denn schlussendlich fragt man sich, ob man unbedingt in alten Wunden bohren muss oder ob diese nicht doch besser ruhen sollten. Ich vergebe 5 Sterne für dieses Werk!

Veröffentlicht am 23.02.2024

Die Vergangenheit hat viele Gesichter

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Es heißt, dass der Tod eine große Lücke hinterlässt und Menschen im gemeinsamen Tauern verbindet. Helma muss aber am eigenen Leib erfahren, dass sie wohl die Einzige auf der Insel ist, die den Verlust ...

Es heißt, dass der Tod eine große Lücke hinterlässt und Menschen im gemeinsamen Tauern verbindet. Helma muss aber am eigenen Leib erfahren, dass sie wohl die Einzige auf der Insel ist, die den Verlust ihres Vaters betrauert. Nicht nur, dass Sönnich Petersen durch den Krieg hart zu sich selbst geworden ist, auch die Geschichten die sich um die Familie ranken, werfen Fragen auf. Helmas Mutter verschwindet 1944 und auch Rudis Mutter kehrt nicht mehr zurück. Doch was steckt wirklich hinter diesen beiden Schicksalen, die scheinbar niemand interessiert ? Helma und Rudi wollen endlich Klarheit und stellen Fragen, die viel Staub aufwirbeln....


Silke von Bremen öffnet mit "Stumme Zeit" die Geschichtstruhe von Sylt und lässt die Lesenden eine intensive und sehr aufwühlende Zeitreise erleben. Was mit dem "Ausverkauf" der Insel in den 1970er Jahren beginnt, weil sich ein spitzfindiger Insulaner auf die Fahne geschrieben hat, dass es Zeit ist, das Alte aus dem Weg zu räumen und Neues, Modernes unter die Leute zu bringen, entwickelt sich nach und nach zu einer Lektüre, die Einblicke in die Machenschaften des braunen Sumpfes ermöglicht.

Es sind die Narben des Krieges und der falschen Ideologien, die noch immer ihre Spuren auf den Seelen hinterlassen und die Familiengeschichten der Insulaner:innen prägen. Dabei gelingt es der Autorin, die dunkelste Zeit in unserer jüngeren Vergangenheit lebendig werden zu lassen, indem sie Tagebücher, Familienalben und Erinnerungen zugänglich macht und daraus eine mitreißende Erzählung kreiert, die es in sich hat.

Falsche Anschuldigungen, üble Nachrede, völkische Ideologien und ihre gar zu willigen Anhänger:innen stricken ein Netz aus Lügen, das nach dem Krieg verdrängt, aber nie ganz in Vergessenheit geraten ist. Es sind die authentischen Figuren, denen von Bremen Leben einhaucht, die ihre Lebensgeschichte wie ein offenes Buch vor den Leser:innen ausbreiten und so die vielen Gesichter der Vergangenheit zeigen, die Sylt mit sich trägt.

Die Auswirkungen sind bis in die Gegenwart zu spüren und trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, gelingt es den Protas, ihre Hoffnungen und Sehnsüchte, ihr Wunsch nach Liebe und Geborgenheit, Vergebung und Klarheit so zu vermitteln, als wären die Leser;innen mit ihnen gemeinsam auf Sylt, um jedes Sandkorn einzeln umzudrehen, um endlich das fehlende Puzzleteil zu finden, um der Wahrheit Stück für Stück näher zu kommen.

Der Schreibstil ist ruhig und trotzdem sehr emotional, wühlt auf und legt den Finger in Wunden, die nie ganz verheilt sind. Ein Stück Sylt-Geschichte, das Mahnmal gegen das Vergessen und zugleich ein sensibler Aufruf dazu ist, es nie wieder so weit kommen zu lassen. Grandios umgesetzt und zu einem Roman zusammengefasst, der den längst verstummten Stimmen wieder einen Klang verleiht, um gehört zu werden.

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