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Veröffentlicht am 18.05.2024

Mitten aus dem Leben gegriffen, eindringlich und sanft erzählt

Welches Königreich
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Inhalt:
Ein drückend heisser Sommer, von der Hitze und von Medikamenten aufgedunsene Körper, träge Routinen, langsam verstreichende Tage und sechs in einer Psychiatrie lebende junge Menschen. Für sie ist ...

Inhalt:
Ein drückend heisser Sommer, von der Hitze und von Medikamenten aufgedunsene Körper, träge Routinen, langsam verstreichende Tage und sechs in einer Psychiatrie lebende junge Menschen. Für sie ist jeder Tag ein Neuanfang, eine neue Chance, ein neuer Versuch. Der Schwere ihres Alltags werden zuweilen äusserst humorvolle Unterhaltungen und Gedankengänge gegenübergestellt, mitten aus dem Leben gegriffen und äusserst sensibel erzählt.

Meine Meinung:
Eigentlich wollte ich mich mit Rezensionsexemplaren zurückhalten, aber die Beschreibung sowie die äusserst kluge und ansprechende Gestaltung haben mein Interesse geweckt. Auf wenigen Seiten lässt Gråbøl ihre namenlose Erzählerin zu Wort kommen, ganz tief in die Gedanken einer Gruppe von in einer Psychiatrie lebenden Menschen blicken. Probleme beim Einschlafen aber auch die Schwierigkeit, an jedem Morgen wieder aufzustehen und neu zu beginnen, sich selber am Leben zu halten und in einen geordneten Alltag und eine Gruppe einzufügen werden eindringlich erzählt. Gråbøl springt mitten in die Szene, es gibt keine Vorgeschichte.

Aufbau und Sprache:
Gråbøls Sätze wirken wie feine, schnell dahinskizzierte Pinselstriche, die langsam ein buntes Bild erahnen lassen. Ihr Buch ist wie eine Momentaufnahme, nur wenige Tage aus einem ganzen Leben und doch stecken so viel Leben, Liebe, Schmerz, so viele Schichten und Gefühle in diesem kurzen Text. Ich bin begeistert und möchte mehr von diesem Stil, dieser Sanftheit und diesem grossen erzählerischen Geschick.

Meine Empfehlung:
"Welches Königreich" ist nicht nur äusserst klug und eindringlich erzählt, die Autorin hat auch eine feinfühlige Sprache gefunden, welche ihre Figuren begleitet, statt sie zur Schau zu stellen. Sie springt in die Szene hinein und verlässt sie ganz lautlos wieder, lässt uns nachdenklich und berührt zurück und weckt Lust auf mehr.

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Veröffentlicht am 15.03.2024

Traurig, aber hoffnungsvoll, tolle Figuren

Das Brombeerzimmer
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Inhalt:
Nora ist seit einem Jahr verwitwet, noch vor ihrem dreissigsten Geburtstag hat sie ihren Mann ganz plötzlich verloren und muss Schritt für Schritt ein neues Leben beginnen. Wie besessen geht die ...

Inhalt:
Nora ist seit einem Jahr verwitwet, noch vor ihrem dreissigsten Geburtstag hat sie ihren Mann ganz plötzlich verloren und muss Schritt für Schritt ein neues Leben beginnen. Wie besessen geht die Lebensmitteltechnologin ihrem Hobby, dem Zubereiten von Marmelade, nach und stapelt Glas um Glas im Arbeitszimmer ihres verstorbenen Mannes Julian. Dort findet sie auch einen Brief, der nicht nur ein Rezept, sondern auch ein Geheimnis birgt, das Julians Familie akribisch hütet. Nora hat nichts zu verlieren und macht sich auf, um eine noch lebende und bisher verschollene Verwandte zu finden und tritt dabei in Erfahrung zu bringen, was es mit einem alten Nussbaum, einem verborgenen Keller und einem Versteck in Marmeladengläsern auf sich hat.

Meine Meinung:
Das Buch habe ich von Irene vom Blog Igelabooks bekommen. Ich habe es mir aus ihren aussortierten Büchern ausgesucht, weil das Cover und der Titel mich für sich eingenommen haben. Ich wurde nicht enttäuscht und habe sehr unterhaltsame Lesestunden mit Nora, einer liebenswerten Protagonistin mit riesigem Herz, einer einfühlsamen besten Freundin und einer charmanten Fellnase verbringen dürfen. Auch die ältere Dame Klara und Mandy, welche etwa in Noras Alter ist und mit Rat und Tat zur Seite steht, haben dazu beigetragen, dass ich diesen Ostseeroman, der zusätzlich mit wundervollen Beschreibungen der Landschaft auftrumpft, kaum noch aus den Händen legen konnte.
Sehr gerne wäre ich sofort nach Kinnbackenhagen gereist, um mich dem bunt zusammengewürfelten Abenteuertrupp anzuschliessen und die kulinarischen Köstlichkeiten zu geniessen. Zum Glück lässt uns die Autorin Anne Töpfer an ihren Leckerein teilhaben und im Buch finden sich sieben verschiedene Rezepte, die ich mir definitiv noch einmal näher ansehen werde.

Meine Empfehlung:
Diese Geschichte entwickelt sich nach einem sehr traurigen Start zu einem abenteuerlichen und sehr lustigen Roman, der voller Lebensweisheiten steckt, ein Geheimnis aus Kriegszeiten, einige rüstige alte Damen, viele tolle Freundschaften, ein wenig Romantik und einige schmackhafte Rezepte beinhaltet. Ein echtes Lesevergnügen und eine herzliche Empfehlung.

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Veröffentlicht am 28.02.2024

Beeindruckend und lesenswert, verdient auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2023

Maman
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Meine Meinung:
Denke ich an "Maman", sehe ich sofort die berühmte Spinnenskulptur von Louise Bourgeois vor mir. Bourgeois hat sich dazu entschieden, ihre Mutter als Spinne abzubilden, weil sie der Spinne ...

Meine Meinung:
Denke ich an "Maman", sehe ich sofort die berühmte Spinnenskulptur von Louise Bourgeois vor mir. Bourgeois hat sich dazu entschieden, ihre Mutter als Spinne abzubilden, weil sie der Spinne sehr positive Attribute, wie Klugheit und Stärke zuordnet und weil Spinnen nützliche Tiere sind, die ihre Brut beschützen, ihre Netze reparieren und potentiell todbringende Moskitos fressen (ein toller deutscher Artikel zur Skulptur findet sich HIER: https://www.daskreativeuniversum.de/louise-bourgeois-maman/ ).

Was hat das aber nun mit Sylvie Schenks "Maman" zu tun? Vielleicht hat sich nur mir dieser Vergleich aufgedrängt und er spielt im Buch auch gar keine Rolle, ich möchte euch aber an meinen Gedanken dazu teilhaben lassen, denn obwohl sich die Mütter von Schenk und Bourgeois wohl stark unterschieden haben - während Bourgeois ihre Mutter als ihre beste Freundin und als warm, freundlich und aufmerksam bezeichnet, ist Schenks Mutter eine von ihren Lebensumständen tief traumatisierte, freudlose Person, die keine Nähe zulässt - habe ich beim Lesen mehr und mehr Gemeinsamkeiten entdecken können. Denn letztendlich ist sowohl Schenks als auch Bourgois' "Maman" vor allem eines: eine nicht zu übersehende Hommage an die eigene Mutter.
Je mehr wir beim Lesen über Schenks Mutter und Grossmutter und deren Leben erfahren, desto mehr können wir Vergleiche zur Skulptur "Maman" ziehen. Auch Schenks Mutter ist eine Überfigur, die still leidet, unmenschliches Leid totschweigt und ihre Kinder damit vielleicht sogar schützt, obwohl sie ihnen Zärtlichkeiten oder auch nur Zuwendung ein Leben lang verwehrt, weil es einfach nicht anders geht.

Mit um so zarteren und zugleich kraftvollen Worten tastet sich Schenk an die Geschichte ihrer Mutter heran und beleuchtet ein tristes Leben voller Scham, Schuld und Armut. Schenks Grossmutter, die zu keinem ihrer Kinder einen Vater vorzuweisen hat, stirbt nach der Geburt von "Maman", Maman kommt zu Pflegeeltern und wird adoptiert, erlebt die Nachwehen des ersten Weltkriegs und überlebt den zweiten Weltkrieg in Lyon, eine glücklose Ehe an der Seite eines Zahnarztes und die Geburt ihrer Töchter, denen sie vor allem Selbstzweifel und die Angst vor Männern und ungewollten Schwangerschaften mitgibt.

Ungewollte Kinder gebären ungewollte Kinder und so schliesst sich ein Kreis, aber mit dem Schreiben, Erzählen, mit dem Zusammentragen von Lebensdaten und dem kunstvoll literarischen Vermischen von Realität und Fiktion schafft Schenk ein einzigartiges Werk, das von einer ganz speziellen Liebe, einer düsteren Zeit, einem schwierigen Leben erzählt und vielleicht am Ende auch ein wenig Versöhnung und Frieden anbietet.

Meine Empfehlung:
"Maman" überrascht und hallt nach. Es erzählt eine schmerzhafte Geschichte voller Missbrauch und Vernachlässigung, ist aber auch eine Annäherung an die eigene Mutter, die so viele Dinge ungesagt gelassen hat, weil ihr oft die Worte gefehlt haben, die ihr nun aber von ihrer Tochter nachträglich geschenkt werden. Lasst euch darauf ein.

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Veröffentlicht am 26.02.2024

Ich bin immer noch begeistert, lest diese Reihe

Rory Shy, der schüchterne Detektiv - Ein Clown unter Verdacht (Rory Shy, der schüchterne Detektiv, Bd. 5)
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Inhalt:
Matilda kommt unverhofft zu ein wenig unbeaufsichtigter Zeit und verbringt diese in Rory Shys Detektivbüro. Da er gerade an keinem grösseren Fall arbeitet, hat sie sich bereits darauf eingestellt, ...

Inhalt:
Matilda kommt unverhofft zu ein wenig unbeaufsichtigter Zeit und verbringt diese in Rory Shys Detektivbüro. Da er gerade an keinem grösseren Fall arbeitet, hat sie sich bereits darauf eingestellt, ihm für die nächsten Tage bei seiner Büroarbeit zu helfen. Natürlich kommt es anders und die beiden werden von einer bekannten Journalistin auf einen brisanten Fall angesetzt. Die Ermittlungen zum versuchten Mord führen die beiden in eine Vermittlungsagentur für Unterhaltungskünstler wie Magier, Feuerschlucker und Clowns, ein komplett talentfreier Detektiv "ermittelt" ebenfalls im Fall und sorgt für reichlich Chaos und plötzlich widersprechen sich sämtliche Zeugenaussagen und es ist gar nichts mehr, wie es scheint.

Meine Meinung:
Der fünfte Band der Reihe ist eventuell mein bisher liebster Band, obwohl ich sie alle so gerne mochte, aber ich war einfach begeistert von der Idee, den Schauplätzen, den skurrilen Nebenfiguren und dem Ermittlerteam. Einmal mehr bin ich beeindruckt von den vielen Einfällen des Autors und seiner Liebe zum Detail, wenn es um die Beschreibungen der Figuren geht. Auch ist dieses Buch wieder äusserst amüsant erzählt und vor allem Rory Shys "ehemaliger Lehrer", ein absolut chaotischer und leider auch unfähiger Detektiv, mit dem Rory wohl vor Jahren schon einmal zusammengearbeitet hat, hat mich bestens unterhalten. Auch die anderen Nebenfiguren, insbesondere natürlich die toll ausgearbeiteten Unterhaltungskünstler, die alle durch das Buch torkeln, stolpern und wackeln, haben es mir angetan.
Matilda, die eigentliche Hauptfigur der Reihe, läuft zur Höchstform auf und trägt mit ihrem Charme, ihren kreativen Ideen und ihrer grossen Einsatz massgeblich zur Aufklärung des Falles bei. Sie ist meine persönliche Favoritin und ich freue mich immer, wenn ich ihr und ihrem Cockerspaniel Dr. Herkenrath über die Schulter blicken darf.

Meine Empfehlung:
Ich bin immer noch absolut begeistert und empfehle euch das Buch und die ganze Reihe sehr gerne weiter. Und jetzt freue mich noch mehr auf den sechsten Band und hoffe auf viele weitere Geschichten rund um Matilda und Rory Shy.

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Veröffentlicht am 31.01.2024

Bewegende, erschütternde Geschichte voller Mut, Liebe und Humor

Von Geistern und Schatten
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Inhalt:
Dieses eher schmale Buch beinhaltet fünfzehn Szenen, die mitten aus dem Leben gegriffen sind und vom Aufwachsen und Leben in Haiti, von Krieg und Gewalt, Flucht und der grossen Liebe berichten ...

Inhalt:
Dieses eher schmale Buch beinhaltet fünfzehn Szenen, die mitten aus dem Leben gegriffen sind und vom Aufwachsen und Leben in Haiti, von Krieg und Gewalt, Flucht und der grossen Liebe berichten und Menschen in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen zu Wort kommen lassen. Roxane Gay nimmt kein Blatt vor den Mund und beschreibt menschliche Abgründe, Schmerz und Leid, aber auch den Stolz auf die Heimat und die Freude am Leben und der Liebe.

Meine Meinung:
Mit dem Buch habe ich geliebäugelt, seit es mir in einer Verlagsvorschau begegnet ist. Ich habe es mir auf die Wunschliste gepackt und wollte noch ein wenig abwarten, um den SuB zu schonen. Aber....die liebe Zeilentänzerin hat so eine bewegende, überzeugende Rezension geschrieben, dass ich das Buch einfach beim Verlag anfragen musste und damit sogar Glück hatte. Innerhalb weniger Stunden (verteilt auf drei Tage) bin ich durch die Erzählungen gerauscht, welche Roxane Gays Liebe zu Haiti aber auch ihre feministische Kritik am Land beinhalten und ganz verschiedene Menschen für kurze oder manchmal auch ein wenig längere Zeit durch ihr Leben begleiten.
Die in Haiti nach wie vor herrschenden Unruhen, Bandenkriege, die allgegenwärtige Gewalt und Armut sorgen dafür, dass jährlich tausende von Menschen das Land verlassen, um in anderen Teilen der Welt ihr Glück zu versuchen. In ihrer neuen Heimat schlagen ihnen oft erneut Armut und Rassismus entgegen, was Roxana Gay eindringlich schildert.
Diesem scheinbar undurchdringlichen Teufelskreis setzt sie aber auch Szenen voller Liebe und Zärtlichkeit, voller Mut und Stärke und vor allem auch voller Humor entgegen. Sie erzählt von jungen Paaren, die (erneut) zueinanderfinden, von Familienmitgliedern, welche sich gegenseitig unterstützen, von Traumata, die langsam aufgearbeitet werden.

Meine Empfehlung:
Ich kann mich Zeilentänzerin anschliessen: das dünne Büchlein mit den kurzen Kapiteln hat mich tief berührt, atemlos durch die Seiten blättern lassen und wird noch lange nachhallen. Aufgrund der teilweise sehr heftigen Szenen und Hintergründe empfehle ich das Buch nur denen, die mit den Inhalten umgehen können und freue mich schon darauf, weitere Texte von Roxana Gay zu entdecken.

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