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Veröffentlicht am 27.02.2024

Wieder großes Kino!

Zum Paradies
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Da ist es endlich: Das Buch, auf das ich so lange gewartet habe:

Zum Paradies von Hanya Yanagihara. Übersetzt ins Deutsche von Stephan Kleiner.

Ich bin so gespannt: Am liebsten würde ich die Fortsetzung ...

Da ist es endlich: Das Buch, auf das ich so lange gewartet habe:

Zum Paradies von Hanya Yanagihara. Übersetzt ins Deutsche von Stephan Kleiner.

Ich bin so gespannt: Am liebsten würde ich die Fortsetzung von „Ein wenig Leben“ lesen, aber wie soll das gehen? (Vorsichtig Spoiler:) Jude ist tot.
Und wäre Hanya Yanagihara nicht auch eine schlechte Autorin, wenn sie einfach eine ähnliche Story schreibt, einen Abklatsch?

Nein, hier kommt etwas total anderes:

Drei Geschichten, in drei verschiedenen Zeitebenen.
Geschichten, die in der Vergangenheit und in der Zukunft spielen.

Ich beginne die erste Geschichte, die in 1893 spielt, zu lesen. Amerika gehört zu den Free States, jeder darf seine Liebe ausleben: So sind Männer mit Männern verheiratet oder Frauen mit Frauen. Kinder werden einfach adoptiert.
David Bingham ist ein Sohn einer wohlhabenden Familie und verliebt sich in einen zweifelhaften jungen Mann, der es nur auf sein Geld abgesehen hat, so scheint es.
Doch was ist das? Gerade als es so richtig spannend wird, hört die Geschichte auf! Oh nein!

Gut, ich beginne also mit der zweiten Geschichte, die hundert Jahre später spielt: Aber was ist das wieder: Alle Protagonisten haben ja dieselben Namen wie in der ersten Geschichte?.
Mein Gehirn versucht ständig beide Geschichten miteinander zu verknüpfen, aber es gelingt mir nicht. .. Ist das der Sohn? Nein, zu jung, es kann ja nur der Großvater sein .. Nein, passt nicht.
Und auch dieses zweite Buch, wo der Protagonist ein Hawaiianer ist, mitten in der AIDS- Epidemie spielt, hat ein abruptes Ende, aber ich bin gespannt, bestimmt wird die Autorin noch alles auflösen, es gibt ja noch mehr als 450 Seiten.

Die letzte Ebene hat es in sich: 2093, wieder 100 Jahre später, aber die Welt ist von Seuchen und Epidemien zerstört. Reisen, Internet und Nachrichten jeglicher Art sind verboten, der Staat kontrolliert was du sagst, isst, wann du duscht oder deine Wäsche wäscht. Die meisten Menschen sind steril, Liebe zwischen Gleichgeschlechtlichen sind verboten.
Und wieder tragen alle Protagonisten die Namen aus den ersten zwei Geschichten.
Die Enkeltochter eines sehr angesehenen Wissenschaftlers bzw. Tochter eines hingerichteten Staatsfeindes versucht ihr Glück in einer arrangierten Ehe zu finden.

Doch ob am Ende alle Geschichten verknüpft und aufgelöst werden, müsst ihr selber herausfinden.


Sie hat es wieder geschafft: Hanya Yanagihara hat, wie auch in ihrem ersten Buch „Das Volk der Bäume“, die Welt auf den Kopf gestellt. Es ist ein anderes Leseerlebnis, eines, das viele Fragen aufwirft, die allerdings unbeantwortet bleiben.
Meiner Meinung nach kann das Buch nicht an „Ein wenig Leben“ anknüpfen, aber es ist ein wirklich lesenswertes und spannendes Buch auf 895 Seiten, das zum Nachdenken anregt.

Eine Leseempfehlung von mir, aber nur wenn man sich auf die manipulierende Schreibintention der Autorin einlässt.

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Veröffentlicht am 27.02.2024

Großartig!

Die Enkelin
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Die Enkelin von Bernhard Schlink

Der Buchhändler Kaspar findet seine Frau Birgit tot in der Badewanne. Birgit trank schon lange und war depressiv, sie hatten sich auseinander gelebt und dass, obwohl ihre ...

Die Enkelin von Bernhard Schlink

Der Buchhändler Kaspar findet seine Frau Birgit tot in der Badewanne. Birgit trank schon lange und war depressiv, sie hatten sich auseinander gelebt und dass, obwohl ihre Liebe einst so spektakulär begann: Kaspar, der Wessi, verliebte sich in Birgit, die in der DDR lebte. Er besorgte ihr Papiere und verhalf ihr so zur Flucht.

Nach Birgits Freitod entdeckt Kaspar ihre Aufzeichnungen: Birgit hatte in der DDR eine Tochter zur Welt gebracht, die sie direkt nach der Geburt zur Adoption freigab.
Eigentlich wollte sie die Tochter finden und ihrem Mann von dem Kind erzählen, doch der richtige Zeitpunkt dafür ergab sich nie.

Kasper beschliesst, sich auf die Suche nach dieser verlorenen Tochter zu machen. Doch was er findet, entspricht nicht seinen Erwartungen, denn Birgits Tochter und Enkeltochter leben in einem rechtsradikalen Umfeld.

Bernhard Schlink spricht hier ein schwieriges Thema an: Rechtsradikales Denken und Handeln im Osten Deutschlands.

Mir hat der Roman sehr gut gefallen: Der feinfühliger Protagonist Kaspar, den ich oft bewundert habe, wie ruhig und sachlich er bei den Vorwürfen Björns blieb und wie er versucht hat, seiner Halb-Enkelin trotz Widerstand Björns andere Werte und Sichtweisen aufzuzeigen.
Dieser Roman hat unterschiedlichste Emotionen bei mir ausgelöst: Ich schwankte zwischen Wut, Sprachlosigkeit und Mitgefühl.
Wieder einmal feinste Literatur, in einem wunderbaren Schreibstil von Bernhard Schlink.

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Veröffentlicht am 27.02.2024

Highlight!

Die Überlebenden
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Das Buch beginnt mit dem Ende: Drei erwachsene Männer, die blutüberströmt am See des ehemaligen roten Sommerhauses in Schweden mit der Asche ihrer Mutter stehen, um diese zu verstreuen.
Drei Jungs, die ...

Das Buch beginnt mit dem Ende: Drei erwachsene Männer, die blutüberströmt am See des ehemaligen roten Sommerhauses in Schweden mit der Asche ihrer Mutter stehen, um diese zu verstreuen.
Drei Jungs, die sich schon als Kinder nicht gut verstanden haben. Geprägt von den Alkoholexzessen der Eltern, hätten sie unterschiedlicher nicht sein können.
Ständig buhlten sie um die Aufmerksamkeit der Eltern. Sie litten unter den Launen der Mutter, die ihrem ältesten Sohn den Vorzug gab, während sie die Jüngeren meist abwies. Der Alkoholpegel des Vaters entschied, ob er liebevoller Familienvater oder handgreiflich wurde.

Das Buch wird in zwei Zeitsträngen erzählt:
Der Erste handelt chronologisch von der Kindheit der Jungs, erzählt werden Erlebnisse, Geschichten, kleine Streiche, Auseinandersetzungen, aber auch Anekdoten seltener Verbundenheit.
Der zweite Strang beginnt mit dem Ende und arbeitet sich von Kapitel zu Kapitel zurück, zu dem Zeitpunkt, wo das Schlimme geschah, was alles veränderte.

Es ist eine Geschichte über drei Jungs mit gebrochenen Seelen, die zu oft auf sich alleine gestellt waren und vernachlässigt wurden und die erst als Erwachsene realisieren, was ihnen fehlte und was alles unausgesprochen blieb. Erinnerungen die falsch im Kopf schlummerten, werden erst im erwachsenenalter aufgearbeitet und wieder an den richtigen Platz gerückt.

Alex Schulman hat, in teilweise harter Sprache, ein unglaublich intensives und tiefgreifendes Debüt geschrieben.
Ein Buch so getreu erzählt, dass ich für Minuten in Schweden am See saß und den Mücken beim Tanzen während des Sonnenuntergangs zusehen konnte.
Ein großes Lesehighlight.

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Veröffentlicht am 27.02.2024

Zu Recht auf der Longlist 2021

Mitgift
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Mitgift, nominiert für den deutschen Buchpreis 2021.

Zu Beginn war ich skeptisch: Wieder ein Nachkriegsroman deren Protagonisten sich über mehrere Generationen verteilen und schon wieder ein Buch, deren ...

Mitgift, nominiert für den deutschen Buchpreis 2021.

Zu Beginn war ich skeptisch: Wieder ein Nachkriegsroman deren Protagonisten sich über mehrere Generationen verteilen und schon wieder ein Buch, deren Schauplatz ein Bauernhof ist. Und diese vielen Wilhelms (genau Sieben sind es...) haben mir den Einstig ins Buch nicht leicht gemacht.
Aber dann hat es mich doch gefangen:

1962 in Klein Ilsede bei Peine wird die Totenfrau Gerda zum Hof des Bauern Leeb gerufen. Eigentlich wollte sie nie wieder einen Toten zurecht machen, jedoch lässt sie sich überreden und nimmt die Aufgabe an, denn sie war einst die Freundin vom Bauern Wilhelm Leeb. Eine Eheschließung kam jedoch nicht zustande, da Gerda über keine Mitgift verfügte.

Und so nimmt diese Geschichte ihren Lauf: Es werden Rückblicke erzählt, die bis zu 200 Jahre zurück liegen und die dann gleich wieder dem Sprung in das nächste Zeitalter, respektive Geschichte, dienen.

Henning Ahrens führt uns geschickt durch die Jahrzehnte, wo wir den Hof und die Familie Leeb begleiten: Schlachtfeste, Erbstreitigkeiten, Hungersnöte, Weltkriege kommen und gehen, ebenso wie amerikanische Besatzungssoldaten. Vater-Sohn-Konflikte sind an der Tagesordnung.

Ahrens hat einen wunderschönen und detaillierten Schreibstil. Eine perfekt konstruierte Familiengeschichte, ein dramatisches, fesselndes und spannendes Buch, das zu Recht auf der #longlist 2021 ist.

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Veröffentlicht am 27.02.2024

Sehr berührend!

Das Flüstern der Bienen
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Lineares, ein Dorf am Fuße eines Berges in Mexico, mitten im Bürgerkrieg: Hier wird der kleine Simonopio eines morgens unter einer Brücke gefunden. ‚Der Teufel habe ihn geküsst‘, sagen die Bewohner des ...

Lineares, ein Dorf am Fuße eines Berges in Mexico, mitten im Bürgerkrieg: Hier wird der kleine Simonopio eines morgens unter einer Brücke gefunden. ‚Der Teufel habe ihn geküsst‘, sagen die Bewohner des Dorfes, die die Lippen-Kiefer-Gaumenspalte des Jungen als Unglücksboten sehen. Zusätzlich wird dieser Junge noch von unzähligen Bienen umschwärmt. Doch der Gutsbesitzer Francisco Morales und seine Ehefrau Beatriz kümmern sich nicht um dieses Gerede und nehmen den Jungen auf. Simonopio wächst heran und scheint eine Gabe zu haben: Er kommuniziert mit seinen Bienen und scheint so zu spüren wenn Unheil naht. Nicht nur die Spanische Grippe sucht das Dorf heim, sondern auch politische Umstürze bringen das Leben des Großgrundbesitzer ins Wanken.

Eine wundervolle, einfühlsame und fast märchenhafte Geschichte, die Sofia Segovia hier geschrieben hat. 'Von einer realen Geschichte eines Dorfes im Norden Mexikos inspiriert‘ (Seite 477), schreibt Segovia dieses Buch, mit einem poetischen, fast magischen Schreibstil und bringt so den Duft von Orangenblüten und das Summen der Bienen zu einem nach Hause.

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