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Veröffentlicht am 17.03.2024

Vielversprechend, aber letztlich nicht ganz überzeugend

Lügen, die wir uns erzählen
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Anne Freytag brachte ich bisher vor allem mit Jugendbüchern in Verbindung , mit „Lügen, die wir uns erzählen“ veröffentlicht sie nun ihren ersten Erwachsenenroman. Für mich war es gleichzeitig das erste ...

Anne Freytag brachte ich bisher vor allem mit Jugendbüchern in Verbindung , mit „Lügen, die wir uns erzählen“ veröffentlicht sie nun ihren ersten Erwachsenenroman. Für mich war es gleichzeitig das erste Buch, das ich von ihr gelesen habe.
Helene ist 47 Jahre alt, gefeierte Autorin und Programmleiterin eines Verlages, Mutter zweier Teenager, verheiratet mit einem erfolgreichen Anwalt und wohnt in einem großen Haus in einem noblen Stadtteil Münchens – nach außen hin eine Bilderbuchfamilie aus der akademischen Oberschicht. Doch die Fassade bröckelt, als ihr Mann sie für eine andere Frau verlässt und Helene beginnt, ihre Lebensentscheidungen zu hinterfragen. Was, wenn Sie sich damals für Ihre große Liebe Alex in Paris entschieden hätte? Inwieweit hat sie sich von den Erwartungen ihrer Eltern, ihres Umfelds und der Gesellschaft leiten lassen und wer ist sie eigentlich selbst?
Oft sind es die kleinen unscheinbaren Ereignisse, die rückblickend über das weitere Leben entscheiden, und tief im Inneren bleiben wir oft einsam, auch unseren vermeintlich Nächsten fremd, in uns selbst gefangen mit unseren Ängsten, Zweifeln, Prägungen und Verletzungen. Helenes inneren Zwiespalt, die Diskrepanz zwischen ihrem Fühlen und dem äußeren Bild beschreibt Anne Freytag intensiv, eindrücklich und lebendig, Helene war mir sofort nahe und ich konnte mich insbesondere zur Beginn gut in sie hineinversetzen.
Die einzelnen Kapitel springen wild durch die Zeit, von der Gegenwart in verschiedene Stufen der Vergangenheit, und teilweise scheint es, als hätte sich die Autorin hier selbst etwas verzettelt, so dass manches logisch nicht ganz zusammenpasst (so versuchte Helene mit 31 monatelang erfolglos, schwanger zu werden, hatte dann innerhalb eines Jahres zwei Fehlgeburten und wird längere Zeit später tatsächlich schwanger – hat nun aber mit 47 eine 16jährige Tochter. Auch andere Ereignisse sind zunächst 1,5 Jahre, später plötzlich mehrere Jahre auseinander. Im Kapitel „Alexander Finch“ konstatiert Helene: „Alex hatte es also wirklich getan. Er hatte wirklich einen Roman geschrieben.“, und das nachdem Alex bereits Jahre zuvor Romane veröffentlicht hatte und sie auch schon früher auf einer seiner Romanlesungen war. Die Verwunderung ist also unverständlich.)
Die erste Hälfte des Buches habe ich gebannt verschlungen, in der zweiten änderte sich das jedoch zusehends. Helenes Gedanken wiederholten sich immer wieder, hier hätte etwas Straffung gutgetan. Helene wirkt zunehmend selbstsüchtig und selbstmitleidig auf mich, sieht sich vor allem in der Opferrolle, die Bedürfnisse ihrer Kinder und ihres Mannes hinterfragt sie nicht, und ihre jahrelange emotionale Bindung an Alex ist für mich unverständlich – zu sehr empfinde ich ihn als unstet und bindungsunfähig, als dass ich glauben könnte, dass hieraus jemals eine ernsthafte Beziehung hätte entstehen können. Auch Teile der Handlung wirkten auf mich zunehmend unglaubwürdig. Da renovieren zwei handwerkliche Laien angeblich problemlos und in kürzester Zeit eine absolute Bauruine (jeder, der schon selbst gebaut hat, kann hier nur den Kopf schütteln), und die Tochter Anna durchlebt einen plötzlichen und für mich nicht ausreichend motivierten Sinneswandel. Besonders Georgs finale Erklärung für sein Verhalten gegenüber Jonas empfand ich als sehr konstruiert und wenig glaubhaft. Da der Roman so vielversprechend begonnen hatte, fand ich es sehr schade, dass er für mich gegen Ende immer stärker abfiel.
Fazit: Insgesamt ein unterhaltsam geschriebener Roman, der mich leider inhaltlich nicht ganz überzeugen konnte. Hinsichtlich Stil und Thematik könnte ich mir vorstellen, dass Fans von Ildiko von Kürthys Roman „Eine halbe Ewigkeit“ auch Gefallen an „Lügen die wir uns erzählen“ finden könnten.

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Veröffentlicht am 13.03.2024

Jugenderinnerungen

Das hat er nicht von mir!
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Anhand des Klappentextes hatte ich erwartet, dass sich der Autor angesichts seiner Vaterschaft auf humorvolle, aber gleichzeitig tiefgründige Weise mit der eigenen Kindheit und Jugend auseinandersetzt, ...

Anhand des Klappentextes hatte ich erwartet, dass sich der Autor angesichts seiner Vaterschaft auf humorvolle, aber gleichzeitig tiefgründige Weise mit der eigenen Kindheit und Jugend auseinandersetzt, um diese Erfahrungen reflektiert in die Erziehung des eigenen Nachwuchses einfließen zu lassen: Was hat ihn geprägt, wie beeinflusst sein eigenes Aufwachsen sein Verhalten gegenüber dem Sohn, wie helfen die eigenen Erlebnisse, das Kind besser zu verstehen? Leider kamen mir diese Aspekte im Buch deutlich zu kurz, und mir fehlte eine klare Linie, so dass ich mich immer wieder fragte, welche Intention denn nun hinter diesem Buch steht.
Der erst zweijährige Sohn kommt eher am Rande vor, im Mittelpunkt stehen die Jugenderinnerungen des Autors – jugendliche Alkoholerfahrungen, die Abneigung gegen die Schule, erste unglückliche Liebe, erster Job, das Hadern mit dem eigenen Körper. Dies sind alles Erfahrungen, die vielen Lesern und Leserinnen nicht fremd sind, und sie sind unterhaltsam und mit lockerem Humor geschildert. Allerdings wird das Buch hierdurch mehr zu einer leicht erzählten Biografie über das eher gewöhnliche Leben als Teenie und junger Erwachsener in der Generation Y. Einen echten Erkenntnisgewinn im Bezug auf die Erziehung des Kindes sehe ich nicht, und vieles bleibt mir zu sehr an der Oberfläche. Ich bin mir nicht sicher, inwieweit hier eine Rolle spielt, dass ich eine Frau bin und möglicherweise einen etwas anderen Blickwinkel auf bestimmte Jugenderlebnisse und Kindererziehung habe. Meine Erwartungen hat es leider nicht ganz erfüllt.

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Veröffentlicht am 12.03.2024

unterhaltsam

Morden in der Menopause
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Anhand des Klappentextes hatte ich mir eine humorvollen Roman a la "Achtsam morden" von Karsten Dusse erhofft, der das Thema Menopause auf turbulente, augenzwinkerndene Weise mit einem Mordfall verbindet. ...

Anhand des Klappentextes hatte ich mir eine humorvollen Roman a la "Achtsam morden" von Karsten Dusse erhofft, der das Thema Menopause auf turbulente, augenzwinkerndene Weise mit einem Mordfall verbindet. Leider konnte "Morden in der Menopause" diese Erwartungen nicht ganz erfüllen. Die Geschichte ist durchaus unterhaltsam und kurzweilig, doch es fehlt mir an Esprit und Sprachwitz. Die Figuren einschließlich der Protagonistin wirkten auf mich unsympathisch und oberflächlich. Besondere Schwierigkeiten hatte ich mit Livs Schwiegereltern, deren Beschreibung, Verhalten und Sprachstil für mich nicht zu 90jährigen Personen passte. Livs Ehemann erschien als ein kleinlauter Feigling, der es nicht fertigbringt, seinen eigenen Vater mit dessen Spielsucht zu konfrontieren und stattdessen lieber jahrelang die Spielschulden bezahlt. Und Livs Moralempfinden ist recht .... flexibel. Auch der Kriminalfall selbst hatte seine Schwachstellen. So erscheint mir die Umstände der unter menopausalen Einflüssen begangenen Morde und die beschriebene Beseitigung der Opfer schon aufgrund der Statur von Opfer und Täterin sehr unlogisch. Der Schluss kommt dann etwas plötzlich und lässt für mich zu viele Fragen offen.

Insgesamt eine nette Unterhaltung für zwischendurch, aber leider nicht mehr.

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Veröffentlicht am 06.03.2024

lustig, aber mit Schwächen

How to train your dad. Eltern erziehen leicht gemacht
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"How to train your dad" habe ich zusammen mit meinem 10jährigen Sohn gelesen. Wir haben uns über viele humorvolle Passagen köstlich amüsiert, insbesondere mein Sohn hat sich teilweise vor Lachen gekringelt. ...

"How to train your dad" habe ich zusammen mit meinem 10jährigen Sohn gelesen. Wir haben uns über viele humorvolle Passagen köstlich amüsiert, insbesondere mein Sohn hat sich teilweise vor Lachen gekringelt. Es fällt auf, dass der Roman sprachlich sehr gehoben und mit vielen Fremdwörtern durchsetzt ist, die der angegebenen Altersklasse ab 10 Jahren nicht unbedingt geläufig sind (Diphthong, Sakrileg, extrudiert, Onfiltration, Linguistik....).

Die Idee, einen Ratgeber für Welpenerziehung auf den Vater anzuwenden, war sehr vielversprechend,  doch die Handlung geriet an einigen Stellen recht langatmig, da sich inhaltlich einiges wiederholt. So wird das Containern von  Vater und Sohn, die Vorliebe des Vaters für Flohmärkte, seine Missgeschicke beim Frisieren von Motoren und die pinkfarbene Latzhose von Carl doch ziemlich ausgewalzt und immer wieder von Neuem beschrieben. Insgesamt fehlte mir bei dem Roman ein Höhepunkt, es plätscherte eher etwas ziellos vor sich hin, bis relativ plötzlich Schluss war. Etwas befremdet hat mich, dass die Aggressionen des Pitbulls gegenüber Stinktieren, die "zerfetzt" und "niedergemetzelt" werden, und die latente Gefährlichkeit des Tieres auch gegenüber Carl relativ unbekümmert beschrieben werden. Einen Pitbull als Familienhund in einem Jugendbuch empfinde ich grundsätzlich als unpassend. Auch einige Ausdrücke, die sich auf Ausscheidungen beziehen, hätte ich in der Häufigkeit nicht gebraucht.

Insgesamt ist "How to train your dad" eine unterhaltsame und sehr lustige Geschichte mit einer tollen Idee, die inhaltlich leider etwas hinter unseren Erwartungen zurückbleibt.

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Veröffentlicht am 28.02.2024

Hatte mir mehr erwartet

Der Lärm des Lebens
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In den letzten Jahren haben viele Schauspieler*innen autobiographische oder autofiktionale Bücher veröffentlicht, und normalerweise interessiere ich mich nicht dafür. Bei Jörg Hartmann war ich allerdings ...

In den letzten Jahren haben viele Schauspieler*innen autobiographische oder autofiktionale Bücher veröffentlicht, und normalerweise interessiere ich mich nicht dafür. Bei Jörg Hartmann war ich allerdings neugierig, da er auf mich sehr sympathisch, bodenständig und humorvoll wirkt, auch wenn er eher auf schwierige, oft negative behaftete Figuren abonniert scheint (Weißensee, Das Ende einer Nacht, Die vermisste Frau, Dortmunder Tatort).

Jörg Hartmann schreibt überraschend persönlich, gibt teilweise tiefe Einblicke in seine Gedanken und Gefühle. Sehr berührend schildert er die letzten Besuche bei seinem dementen Vater und dessen Beerdigung. Eher nachdenkliche Passagen wechseln sich mit humorvollen ab, und an einigen Stellen musste ich laut lachen, etwa wenn er die Proben für ein Vorsprechen beschreibt, bei denen ein Mettbrötchen am Buffet eine Rolle spielt. Jörg Hartmann erzählt nicht chronologisch, sondern springt zwischen Begebenheiten aus der Kindheit und Aktuellem, zwischen seinen taubstummen Großeltern und seinen Schauspielberuf hin und her, dies allerdings sehr elegant, sprachgewandt und natürlich, so dass es stets flüssig zu lesen ist. Besonders gut gefielen mir die Passagen über Hartmanns Schauspielstudium, da diese mit viel trockenem Witz erzählt werden. Weniger anfangen konnte ich mit einigen Anekdoten aus dem Ruhrpott, diese wirkten teilweise sehr banal. In der zweiten Hälfte fällt das Buch leider meiner Meinung nach deutlich ab. Hartmann hadert mit den Problemen unserer Zeit, mit der Vergänglichkeit des Lebens, mit der Sattheit unserer Konsumgesellschaft. Allerdings fehlt mir in seinen Ausführungen der Tiefgang, und da ist nichts, was nicht den meisten von uns auch durch den Kopf geht. Das Buch zieht sich, Hartmann wirkt schwermütig und melancholisch. Etwas befremdet war ich von Hartmanns Art, andere Menschen zu bezeichnen. Eine der Krankenpflegerinnen seines Vaters nennt er immer nur "die Korpulente", einen Mann, dem er in China begegnete, den "Zahnramponierten" bzw. "Zahnlädierten". Über die neureichen Eltern eines Kindes aus der Kita seines Sohnes, bei denen seine Familie zum Kindergeburtstag eingeladen war, zieht er mit boshaftem Spott her. Auch wenn ich seine Antipathie gut verstehen kann, frage ich mich doch, ob hier nicht auch eine gehörige Portion Sozialneid mitspielt, und wie es sich für diese Familie anfühlen muss, wenn sie sich im Buch wiedererkennen sollte.

Fazit: Für eingefleischte Hartmann-Fans ein empfehlenswertes, sehr persönliches und unterhaltsames Buch. Meine Erwartungen hat es leider nicht ganz erfüllt. Auch wenn Jörg Hartmann viel Sprachgefühl beweist und ich mir generell vorstellen könnte, ein weiteres Buch von ihm zu lesen, hat mich der Inhalt nicht überzeugt, da ich viele Passsagen als nichtssagend oder oberflächlich empfand.

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