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Veröffentlicht am 07.06.2024

Erwachsener als Hazelwoods andere Bücher - ich habe es geliebt!

Not in Love – Die trügerische Abwesenheit von Liebe
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Wer mich kennt, weiß, dass ich kein Fan von Ali Hazelwoods Büchern bin. Vor einigen Jahren habe ich "The Love-Hypothesis" gelesen und vielleicht war es einfach der falsche Zeitpunkt oder es lag daran, ...

Wer mich kennt, weiß, dass ich kein Fan von Ali Hazelwoods Büchern bin. Vor einigen Jahren habe ich "The Love-Hypothesis" gelesen und vielleicht war es einfach der falsche Zeitpunkt oder es lag daran, dass es eines meiner ersten englischen Bücher war, aber ich habe erstens super lange gebraucht um durchzukommen und war zweitens konstant genervt von der Protagonistin. Doch irgendwas an "Not in Love" hat mich extrem gereizt - jetzt nach dem Lesen kann ich sagen: Wie gut, dass ich ein Fan von zweiten Chancen bin! :)

Rue Siebert Daten nicht. Ihre Kontakte mit Männern begrenzen sich auf sexuelle Begegnungen, keine Wiedersehen und schon gar keine Emotionen. Doch bei Eli Killgore ist es anders. Über eine App gematcht, für Sex getroffen und dann hat sich doch alles ganz anders entwickelt. Womit sie auch nicht gerechnet hat, ist, dass er am nächsten Tag zusammen mit seinen BusinessPartnern in ihrer Firma steht - fest entschlossen diese Stück für Stück zu übernehmen. Rue ist wütend, auf Eli, aber vor allem auf sich selbst, denn warum auch immer kann sie nicht aufhören an ihn zu denken. Seine Nähe macht es nicht leichter.

"Not in Love" war eine süchtigmachende Mischung aus dem gewohnten Humor von Ali Hazelwood, der Protagonistin, die wirklich extrem schlau ist und aus der Wissenschaft kommt, besondere Freundschaften und dieses Mal auch sehr viel sexuelle Spannung. Im Vorwort des Buches steht, dass "Not in Love" sich von den anderen Büchern der Autorin hinsichtlich dem Gefühl des Buches unterscheidet - es ist keine RomCom und auch, wenn der Humor nicht zu kurz kommt, sind die Themen oft schwerer, die Geschichten der Protagonisten nicht so leicht zu verdauen und alles fühlt sich erwachsener an. Genau diese Punkt haben es für mich rausgerissen und dieses Buch zu einem kleinen überraschenden Highlight gemacht. (Ja, vielleicht bin ich auch einfach kein RomCom Fan und konnte deshalb bisher nicht so viel mit Ali Hazelwoods Büchern anfangen).

Rue ist sie selbst und zwar immer und ohne sich zu entschuldigen. Genau das hat sie zu einer meiner liebsten Protagonistinnen seit langem gemacht. Sie ist kein Mensch, der gut in sozialer Interaktion ist, sie hat einige Macken (die alle einen Grund in ihrer Vergangenheit haben), sie hat Bindungsängste und sie ist einfach manchmal weird. Sie sagt was sie denkt, den Personen direkt ins Gesicht, ohne sich zu filtern, aber auch ohne gemein zu werden. Kurz: Ich will etwas mehr wie Rue sein :)
Eli ist ein BookBoyfriend den man nur mögen kann. Auch er steht ganz klar für seine Interessen ein, lässt sich nicht so leicht von seinem Plänen abbringen, ist ehrlich und kann gut kommunizieren. Er ist wahnsinnig geduldig mit Rues Gefühlen, gibt ihr immer das Gefühl sie so zu akzeptieren wie sie ist. Er ist schlau, kann intellektuell mit ihr mithalten und kocht am liebsten für sie.
Zusammen sind die Beiden eine explosive Kombination, was sich einen Großteil des Buches vor allem durch explizite Szenen zeigt. Erst langsam wird eine tiefere Verbindung erkennbar, aber die vielen Hindernisse mache es praktisch unmöglich, dass daraus Realität wird.
All das hat "Not in Love" sofort zu einem Überraschungsmonatshighlight gemacht, welches ich innerhalb von zwei Tagen verschlungen habe.

FAZIT:
Auch, wenn ihr Ali Hazelwoods Bücher bisher nicht mochtet, bitte gebt "Not in love" eine Chance. Die perfekte Kombination aus zwei echten, verletzlichen Protagonisten, sexueller Spannung, einen fesselnden Plot in "the world of stem" und einer Prise Humor.
4 von 5 Sternen

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Veröffentlicht am 03.03.2024

Ein Thriller für alle, die keine Thriller mögen

Wer zuerst lügt
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Ich lese keine Thriller. Zwar bin ich immer sehr gefesselt von den Plots, fiebere mit und liebe auch ein bisschen Gänsehaut vor Spannung, aber oft merke ich danach, dass es mir zu blutig war, die Charaktere ...

Ich lese keine Thriller. Zwar bin ich immer sehr gefesselt von den Plots, fiebere mit und liebe auch ein bisschen Gänsehaut vor Spannung, aber oft merke ich danach, dass es mir zu blutig war, die Charaktere mich sehr lange beschäftigen oder ich sogar ein bisschen verstört bin. "Wer zuerst lügt" hat mich aber in der Leseprobe so neugierig gemacht, dass ich es einfach ausprobieren musste.

Und ich habe es verschlungen. Am Anfang braucht die Handlung einen Moment um "anzulaufen", es fühlt sich alles ein bisschen wahllos an und man fragt sich viel, warum diese Info jetzt eigentlich relevant ist und wo das Ganze hinführen könnte. Nachdem die ersten 150 Seiten aber vorbei sind, konnte ich das Buch kaum mehr aus der Hand legen. Ganz langsam bekommt man eine erste Ahnung davon, wie Evies Leben bisher aussah und worum es sich bei ihrem aktuellen Auftrag handeln könnte.

Evie selbst blieb als Protagonistin für mich lange sehr undurchschaubar und fast nicht greifbar, was sicher auch an den verschiedenen Identitäten lag, die sich im Laufe ihres Lebens schon angenommen hat. Kennt sie selbst ihr "Original" noch oder ist sie jetzt eine Mischung aus allen anderen Menschen, die sie je vorgegeben hat zu sein? Sind ihre Grenzen von Moral bereits so verschwommen, dass sie nicht mehr merkt, wann sie zu weit geht? Ist sie tief in ihrem Herzen eine gute Person und ganz anders, als sie für ihren Job eigentlich sein muss? Was denkt sie wirklich? Was ist ihr Plan?
Im Laufe des Lesens war ich immer wieder extrem fasziniert von ihrer Fähigkeit zu Kombinieren, zu Planen, regelrecht Masterpläne auszuarbeiten. Immer wieder habe ich Theorien entwickelt, wie sie sich aus ihrer lebensbedrohlichen Situation befreien könnte, immer wieder habe ich Theorien entwickelt, wer eigentlich der Böse sein könnte und immer wieder lag ich falsch.

Das Buch war vom Plot her die perfekte Mischung für mich, zwischen etwas Mitraten und gleichzeitig fast keine Chance zu haben, weil man dann am Ende doch immer nur einen sehr kleinen Teil des Gesamtbildes gezeigt bekommt. Die Einblicke in Evies verschiedene Leben und ihre Liebesgeschichte mit Ryan haben den Roman zudem kurzweilig gemacht.

FAZIT:
Wenn ihr wie ich seid und keine Thriller mögt, dann rate ich euch "Wer zuerst lügt" trotzdem zu lesen. Eine undurchschaubare Protagonistin, ein Wettlauf mit der Zeit um Leben und Tod, verschiedenen Identitäten und der große Masterplan, der alles zusammenbringt.

4 von 5 Sternen

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Veröffentlicht am 30.11.2023

Stärke bedeutet für jeden etwas anderes - inspirierend und sanft

Hopes Made of Pearls
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Fam Schaper wird mir wohl immer mit ihrer Reihe über die „Carters“ im Gedächtnis bleiben – die ikonisch nach griechischen Göttern benannten Protagonisten, das Setting einer Reality-TV-Show, die Anspielungen ...

Fam Schaper wird mir wohl immer mit ihrer Reihe über die „Carters“ im Gedächtnis bleiben – die ikonisch nach griechischen Göttern benannten Protagonisten, das Setting einer Reality-TV-Show, die Anspielungen zu „Keeping up with the Kardashians“. Ihre neue Reihe ist dafür gar nicht in meinen Buchhandlungen oder auf meinen Startseiten im Internet aufgetaucht, sodass ich umso froher bin, dass ich jetzt doch noch auf sie gestoßen bin.

In der Trilogie dreht sich alles um ein Luxus-Kaufhaus in München, wir folgen verschiedenen Familienmitgliedern, sodass alle Bände unabhängig voneinander lesbar sind. Im dritten Band „Hopes made of Pearls“ begleiten wir Lorena, die ihr Herz schon immer an das Kaufhaus ihrer Eltern verloren hat – erben soll die Geschäftsführung jedoch ihr Bruder. Ein Jahr lang hat sie nun Zeit sich zu beweisen. Wäre das nicht schon schwierig genug, arbeitet seit kurzem auch noch Milo im Kaufhaus: Milo, der ein viel zu großes Herz hat, Milo, der sie neckt und versteht, wie kein anderer, Milo, den sie vor einem Jahr auf einer Silvesterparty geküsst hat.

Der Einstieg in den Roman ist mir relativ leichtgefallen – wir starten gleich mit den Momenten an Silvester und spüren das erste Kribbeln oder zumindest die erste Verbundenheit zwischen Milo und Lorena. Dann hatte die Geschichte meiner Meinung nach jedoch einige Längen: Es ging viel um die einzelnen Lebensgeschichten der Beiden, ihre Sorgen und Träume, ihre Herzen, die beide auf andere Art weh tun. Überrascht hat mich auch die Thematik der Expartner, die so zentral, wie in fast keinem anderen New Adult Buch im Zentrum stand, denn Beide hängen sehr an ihren ehemaligen Beziehungen und sind voller Schmerz. Alles also erstmal etwas anders, als ich es erwartet habe, doch schon nach kurzem habe ich angefangen genau diese Besonderheiten an dem Buch zu schätzen.

Die Verbindung zwischen Milo und Lorena ist so zart, entwickelt sich so langsam, dass neben den ehrlichen Gefühlen auch viel Zeit bleibt, für den sonstigen Themen der Charaktere zu hoffen und ihre Weiterentwicklung zu beobachten. Lorena kämpft so sehr gegen die sexistischen und antiquierten Machtstrukturen in dem Unternehmen und ich habe jede Sekunde davon geliebt. Sie ist schlau, schlagfertig, teils kühl und professionell, unnahbar und gleichzeitig so verletzlich. Sie spielt immer eine Rolle, um ihren Eltern zu gefallen, um die gleichen Chancen zu bekommen, die ihrem Bruder einfach wegen seinem Geschlecht zustehen. Ich kann mir vorstellen, dass manche LeserInnen sie nicht sympathisch finden werden, aber für mich war sie genau die taffe, inspirierende Protagonistin, die ich gerade gebraucht habe.
Milo dagegen ist einfach nur Wärme, Gewissenhaftigkeit, Freundlichkeit und Sicherheit. Er war mir von Anfang an sympathisch. Und während ich Lorena dafür bewundert habe, dass sie immer für sich einsteht und so hart für ihre Ziele kämpft, habe ich ihn dafür bewundert seine Ziele und Träume für die Menschen, die er liebt, immer und immer wieder hintenanzustellen.

Den Funken zwischen den Beiden habe ich erst sehr spät gefühlt, aber irgendwie ging es mir auch gar nicht mehr darum, sondern um die Protagonisten für sich und um die Message, dass für sich selbst eintreten und man selbst sein für jeden eben etwas ganz anderes bedeutet.


FAZIT:
Lest dieses Buch nicht für die Romance. Diese ist zwar auch eine der echtesten und sanftesten und schönstem seit langem, aber noch besser haben mir die Protagonisten und ihre Entwicklung gefallen. Lest es für Lorenas Mut und Durchhaltevermögen und für Milos großes Herz und seine Wärme.


3,75 von 5 Sternen

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Veröffentlicht am 11.11.2023

Schwere Themen sehr berührend aufgearbeitet

Nur ein Wort mit sieben Buchstaben
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Ich bin komplett ohne Erwartungen in diese Geschichte gegangen, letztendlich sogar, ohne so wirklich den Klappentext zu lesen. Ich wusste nur, dass Ava Reed es geschrieben hat, es so ganz anders ist als ...

Ich bin komplett ohne Erwartungen in diese Geschichte gegangen, letztendlich sogar, ohne so wirklich den Klappentext zu lesen. Ich wusste nur, dass Ava Reed es geschrieben hat, es so ganz anders ist als alles, was gerade so “trendet”, es schwere Themen behandelt und wahrscheinlich sehr emotional wird. Weil das für mich perfekt war, möchte ich gar nicht mehr zum Inhalt sagen und empfehle euch nur sehr dringend die Triggerwarnungen zu lesen und achtsam in das Buch zu gehen.

Der schöne Schreibstil der Autorin macht es einem sich in die Geschichte fallen zu lassen und zwischen den Seiten zu verschwinden, sodass ich das Buch an einem Abend beendet habe. Die Themen sind schwer und mein Herz tat besonders beim Lesen von Mikas Kapiteln oft unglaublich weh. Es ist immer wieder erschreckend zu sehen, was für ein Unglück manche Menschen ertragen müssen, wie furchtbar Eltern mit ihren Kindern umgehen können und wie schwierig es ist, sich entscheiden zu gehen, auch wenn die Person, die einem gegenübersteht, schon lange nicht mehr diejenige ist, die man mal geliebt hat. Ava Reed arbeitet die Thematik der häuslichen Gewalt mit ganz viel Gefühl auf, zeigt auf wie komplex alles ist, und macht trotzdem Hoffnung, als Mika zu Joanna und ihren Vätern kommt.

Wir haben einerseits also die sehr dunklen, furchtbaren Kapitel und Elemente aus Mikas Geschichte, die dann auf Joannas helle und hoffnungsvolle treffen. Ihre Familie ist mehr als bunt zusammengewürfelt, alle haben ihre ganz eigenen Päckchen zu tragen und doch ist die bedingungslose Liebe immer präsent. Vielleicht werden manchen LeserInnen die Themen zu viel sein, zu gemischt, zu viele offene Fragen am Ende. Mich hat die Geschichte sehr nachdenklich gemacht und auch tief berührt. Sie hat in mir den Wunsch geweckt mit noch mehr Verständnis und Offenheit auf meine Mitmenschen zuzugehen, für sie da zu sein. In den Kapiteln ist so viel Akzeptanz, so viel Respekt zwischen den Protagonisten und das, obwohl sie noch so jung sind. Die meiste Entwicklung passiert in diesem wunderschönen Jugendbuch wohl nicht im Außen, sondern in und zwischen den Charakteren.

Am Ende ist mein einziger Kritikpunkt wohl, dass das Buch für mich noch länger hätte sein können. Ich weiß, dass der Fokus bewusst auf Mikas Geschichte lag und es nicht darum ging ihn für eine lange Zeit zu begleiten, sondern vor allem zentrale Entwicklungen in ihm zu zeigen, eine Richtung, ohne zu behaupten, dass alles gut ist oder werden wird. Trotzdem gab es so viele spannende Charaktere und Themen, sowie am Ende auch ein paar ganz sanfte Gefühle, von denen ich einfach gerne mehr gehabt hätte.

FAZIT: Ein sanftes Jugendbuch, dass viele schwere Themen mit einer unglaublichen Sensibilität behandelt und gleichzeitig Hoffnung macht. In meinen Augen hätte es noch länger sein können.
4 von 5 Sternen

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Veröffentlicht am 23.10.2023

Wenig Plot im Außen, dafür passiert umso mehr in & zwischen den Charakteren

Vom Mond aus betrachtet, spielt das alles keine Rolle
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Anne Freytag gehört seit „Mein bester letzter Sommer“ zu meinen absoluten LieblingsautorInnen – ihre Bücher kaufe ich immer sofort nachdem sie erscheinen, meist sogar ohne den Klappentext wirklich zu lesen, ...

Anne Freytag gehört seit „Mein bester letzter Sommer“ zu meinen absoluten LieblingsautorInnen – ihre Bücher kaufe ich immer sofort nachdem sie erscheinen, meist sogar ohne den Klappentext wirklich zu lesen, denn ich weiß schon zuvor, dass mich ihr wunderschöner Schreibstil und ihre so echten Charaktere mich wieder in ihren Bann ziehen werden. Doch so sind die Erwartungen natürlich auch immer sehr hoch: Konnte „Vom Mond aus betrachtet, spielt das alles keine Rolle diese erfüllen?“?

Sallys Leben ist alles andere als leicht. Seit dem Beginn der Corona-Pandemie verbringt sie die meiste Zeit im Haus mit ihren Geschwistern und ihrer etwas skurrilen Mutter, hat nur noch über das Telefon Kontakt zu ihrer besten Freundin, einen Freund, der ihre Unsicherheiten befeuert, aber gleichzeitig ihr einziger Kontakt „nach draußen“ ist und ein ganzes Leben, welches im Moment wie auf Pause gedrückt ist. Doch dann zieht die sechs Jahre ältere Leni als Volontärin ihrer Mutter überraschender Weise ins Haus ein – und bringt sowohl das Hässliche, als auch das Echte und das Wunderschöne in der Familie, aber besonders in Sally hervor.

Es gibt für mich einfach keine Bücher, die vergleichbar mit Anne Freytags Romanen sind. Ihr präziser, empathischer und ehrlicher Schreibstil erschafft von der ersten Seite an diese ganz besondere Atmosphäre, die ich sonst vergeblich suche. Es entsteht ein Gefühl von Alltag (weil sich alles so real anfühlt), von Schmerz, Freude, Unsicherheit und Diskomfort – weil das Leben sich manchmal so anfühlt. Die Protagonistin Sally existiert einfach und wir dürfen als LeserInnen fast schon unangenehm persönliche, sehr verletzliche, aber auch sehr bedeutsame Momente direkt miterleben – als wären wir wirklich in Sallys Kopf. Der ganze Roman läuft eher langsam an, da man Sally tatsächlich „einfach“ in ihrem aktuellen Alltag, der durch Corona eben in ihrem Haus stattfindet, begleitet. Wir lernen ihre unterschiedlichen Geschwister kennen, ihre etwas seltsame, aber in ihrer Art ehrliche Mutter, ihren Freund Felix und ihren Wellensittich Pepe – eben Sallys ganzes Leben. Man muss das als LeserIn mögen – das einfach da sein, zuschauen, sich selbst gesehen fühlen, aber auch mitleiden – langsame Szenen, die sich manchmal ein bisschen wie ein französischer Film anfühlen, weil es nicht immer um die großen Momente geht, sondern um die kleinen Gefühle, die kleinen Gedanken, die einzelnen Blicke und ungesagten Worte.

Ich mochte die Protagonistin. Sally ist „normal“, fühlt sich durch eingeprägte Kommentare und versehentliche Wortwunden „langweilig“, „ungewollt“ und „unzureichend“, verfängt sich in Gedankenspiralen und tut sich manchmal schwer ihre Gedanken laut zu formulieren und ihren eigenen Wert zu sehen. Für manche LeserInnen ist das sicherlich frustrierend, dies über viele hundert Seiten hinweg zu lesen, für mich war es einfach nur authentisch und realistisch. Mit wunderschönen, knappen Sätzen die Gefühle und Stimmungen empathisch einfangen, baut Anne Freytag langsam eine Verbindung zwischen Sally und Leni, während gleichzeitig die Themen Erwartungen, Identität, Angst und Liebe permanent im Raum stehen und auf unterschiedliche Arten diskutiert werden. Die Geschichte entwickelt sich nur langsam, die Gefühle gehen dafür aber umso tiefer. Auch in der Familienkonstellation und in Sallys Beziehung mit Felix und auch mit Leni war das sehr spannend zu beobachten.

Insgesamt hat mich „Vom Mond aus betrachtet, spielt das alles keine Rolle“ vor allem mit Anne Freytags wunderschönem Schreibstil, der authentischen Protagonistin, der interessanten Personenkonstellation und den vielen Gedanken über Liebe, Identität und „genug sein“ zwischen den Zeilen überzeugt und zum Nachdenken angeregt. Trotzdem kommt es für mich nicht ganz an ihre anderen Bücher heran, da sich die Handlung wirklich sehr langsam entwickelt. Zudem sollte man sich bewusst sein, dass das Thema der Pandemie eine zentrale Rolle in der Geschichte spielt.

4 von 5 Sternen

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