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Veröffentlicht am 19.03.2024

Beeindruckendes Debüt mit vielschichtiger Ausgestaltung der Sprache

Da waren Tage
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Die Autorin Luna Ali schaut in ihrem Roman „Da waren Tage“ auf die politischen Entwicklungen ihres Geburtslands Syrien seit 2011. Ihr Protagonist Aras ist als Kind mit seiner Mutter und seiner Schwester ...

Die Autorin Luna Ali schaut in ihrem Roman „Da waren Tage“ auf die politischen Entwicklungen ihres Geburtslands Syrien seit 2011. Ihr Protagonist Aras ist als Kind mit seiner Mutter und seiner Schwester Lamia aus Aleppo geflohen. Sein Vater ist aus politischen Gründen verschwunden. Nach dem Abitur beginnt Aras ein Jurastudium. Aber er beabsichtigt nicht, für Gerechtigkeit zu sorgen, sondern er möchte Gesetze bestmöglich in seinem und dem Sinne seiner Familie auslegen.

Am 15. März 2011, dem Beginn der Proteste gegen Syriens Machthaber, befindet sich Aras im ersten Semester. Ab diesem Zeitpunkt begleitet die Autorin ihren Protagonisten Jahr für Jahr an diesem Tag. Die Aufstände verfolgt er im Fernsehen, doch er fühlt sich ihnen nicht nahe. Seit über zehn Jahren wird er in Deutschland vom Äußeren her als fremd wahrgenommen, doch er hat die Sprache schnell gelernt, ist politisch aktiv und betätigt sich sportlich. In den Folgejahren begegnete ich als Leserin Aras beispielsweise wegen einer Verpflichtungserklärung bei der Ausländerbehörde, als Syro-Deutscher in einer Fernseh-Talkshow mit prominenten Gästen, als Praktikant bei der Botschaft Jordaniens und als Crewmitglied eines Rettungsschiffs.

Aras ist vom Leid Verwandter und Bekannter in Syrien betroffen, obwohl er fern der Aufstände ist. Luna Ali schildert seinen Alltag, der austauschbar ist und doch geprägt wird von dem Wissen um all jene, die Gewalt erleben und denen er sich menschlich nahe fühlt. Seine Feinfühligkeit geht soweit, dass er sich in seinen Träumen in bedrohlichen Situationen wiederfindet und diese Eingang in seine Realität halten. Durch Engagement versucht er mit seinen Mitteln den vom Konflikt in Syrien Betroffenen Hilfe zu bieten, wo immer er kann.

In den ersten Kapiteln wirkt die Sprache, die die Autorin nutzt, teilweise verdreht. Später las ich von der Bedeutung des Tauschs von Subjekt und Objekt im Satz, denn durch den Wechsel der Satzglieder wird es Aras möglich, anders zu denken und Ereignisse zu erfassen, die andernorts stattfinden. Auch auf andere Weise spielt Luna Ali mit Sprache und deren Darstellung. Zum Beispiel ist eines der Kapitel im Querformat gedruckt und handelt von einer verzweifelten Suche des Protagonisten nach einer geliebten Person. Dabei stehen Erzählung, Gedanken, belanglose Feststellungen und Listen gleichwertig versetzt nebeneinander und spiegeln den inneren Aufruhr von Aras wieder. Ein anderes Kapitel besteht aus der Rede des Protagonisten vor den Mitgliedern des Flüchtlingsrats. In einem letzten Kapitel springt die Autorin in eine unbekannte Zukunft, der sie sich philosophisch nähert.

In ihrem Debütroman „Da waren Tage“ beeindruckt Luna Ali mit einer vielschichtigen Ausgestaltung der Sprache, die sich mit der wechselnden Gefühlswelt des Protagonisten Aras ändert, der in Deutschland das Revolutionsgeschehen in seinem Geburtsland Syrien in den Medien verfolgt. Das Geschehen sieht er mit seinem juristischen Wissen nicht nur kritisch im Rahmen von Gesetzen, sondern lässt zunehmend die Schicksale der unter dem Konflikt Leidender an sich heran. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

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Veröffentlicht am 04.03.2024

Faszinierende Romanze mit Fantasyelement und einzigartigem Denkansatz

Letztendlich sind wir dem Universum egal
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Das bereits zum ersten Mal im Jahr 2012 (auf Deutsch 2014) erschienene Buch „Letztendlich sind wir dem Universum egal“ hat bis heute nichts von seinem Reiz verloren. David Levithan erzählt darin die Geschichte ...

Das bereits zum ersten Mal im Jahr 2012 (auf Deutsch 2014) erschienene Buch „Letztendlich sind wir dem Universum egal“ hat bis heute nichts von seinem Reiz verloren. David Levithan erzählt darin die Geschichte von A, der jeden Morgen in einem anderen Körper aufwacht, ohne dass er darauf Einfluss nehmen könnte. Allerdings ist er immer 16 Jahre alt und befindet sich in einem Landesteil von Maryland/USA. An seinem 5.994. Tag verliebt er sich in das Mädchen Rhiannon. Er kann sie nicht vergessen und setzt alles daran, ihr wieder zu begegnen. Aber wie soll es möglich sein, eine Liebe aufrecht zu erhalten, wenn man ständig anders aussieht, obwohl man immer gleich denkt und begehrt?
Die Thematik ist fesselnd und wird vom Autor in vielen Facetten umgesetzt. A ist mal Junge, mal Mädchen, gehört unterschiedlichen Ethnien an, erwacht behindert oder in einem durchtrainierten Körper. Weil A Informationen über die Person, in die er schlüpft, abrufen kann, versucht hen sich in der Regel unauffällig zu verhalten. Das ist nicht immer einfach, weil er mit dem Gedankengut seinter Gastgeber(in) nicht immer einverstanden ist. Aber ein Tag reicht bei weitem nicht aus, um Meinungen zu ändern. Als A sich in Rhiannon verliebt, setzt hen sich über alle eigenen Grundsätze hinweg, um ihr nahe zu sein.
Die Geschichte fokussiert auf der Romanze zwischen den beiden Jugendlichen. In einem weiteren Handlungsstrang bringt David Levithan mehr hintergründige Spannung ein. Darin verbringt A einen Tag als Nathan, schafft es abends aber nicht rechtzeitig, dessen Körper vor dem Einschlafen nach Hause zu bringen. Darum sucht Nathan nach einer Erklärung, warum er in seinem Auto erwacht, was aber publik wird. Der Autor wirft dabei weitere interessante Fragestellungen auf, wie beispielsweise, ob A mit Nathan Kontakt aufnehmen soll.
Durch die meist kurzen Kapitel entwickelte die Erzählung für mich einen Lesesog, weil ich immer neugierig war, wer A am nächsten Tag sein wird und ob es ihm dann auch wieder gelingt, mit Rhiannon zusammen zu sein. Durch die Variationen wird der Roman mit mystischem Element nie langweilig. Zwar ist das Buch ab 14 Jahren empfohlen, aber ich finde, es ist für Erwachsene ebenso spannend und lesenswert Darum empfehle ich es sehr gerne weiter.

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Veröffentlicht am 15.02.2024

Faszinierende Geschichte eines Kunstwerks

Die Königin
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Im Buch „Die Königin – Nofretetes globale Karriere“ erzählt der Historiker Sebastian Conrad die aufregende Geschichte der Büste der Nofretete, der Hauptgemahlin des Pharaos Echnaton, die im 14. Jahrhundert ...

Im Buch „Die Königin – Nofretetes globale Karriere“ erzählt der Historiker Sebastian Conrad die aufregende Geschichte der Büste der Nofretete, der Hauptgemahlin des Pharaos Echnaton, die im 14. Jahrhundert vor Christus lebte. Das Kunstwerk aus Kalkstein und Gips wurde 1912 gefunden und mit weiteren Exponaten der ägyptischen Fundstätte Tell el Amarna nach Berlin gebracht, wo sie nach dem Herrichten von Räumlichkeiten im Neuen Museum 1924 dem Publikum präsentiert wurde. Nach wechselnden Aufenthalten an anderen Orten ist sie seit 2009 dort wieder ausgestellt. Auch ich habe sie dort bereits bewundert.
Der Autor hinterfragt, wieso die Schönheit der Nofretete einen Zeitraum von weit mehr als über dreitausend Jahre überdauern konnte, wobei Schönheit bekanntlich nicht objektiv ist. Noch dazu entfaltet sich ihre Ausstrahlung an den verschiedensten Orten auf der Welt, der von verschiedenen Gruppierungen weltweit interpretiert wird. Die Büste zeigt beispielhaft, wie die Globalisierung Einfluss auf die kulturellen Normen der Welt nimmt. Sebastian Conrad erzählt vom Fund des Kunstwerks ebenso wie über die Besitzansprüche und die Ausstellung, aber auch vom Leben der Nofretete in ihrer Zeit. Die Ergebnisse seiner Recherchen werden vom Autor fachkundig dargeboten und sind flüssig lesbar.
Das Buch wird durch 32 Tafeln in drei Einschüben und 23 Abbildungen im Text aufgewertet. Außerdem bietet eine Karte auf der Innenseite der vorderen Klappe, auf der Ägypten um 1350 vor Christus abgebildet ist, und eine weitere auf der hinteren Klappe, auf der das heutige Ägypten mit den wichtigsten geschichtlich relevanten Stätten wiedergegeben wird, Orientierung beim Lesen. Auf über achtzig Seiten finden sich am Ende des Buchs Anmerkungen zu den Seiten, ein Quellen und Literaturverzeichnis, Bildnachweis und Personenregister. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung für dieses beeindruckende Buch an alle, die an ägyptischer Geschichte interessiert sind.

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Veröffentlicht am 13.02.2024

Sprachlich ungewöhnlich gestaltet und tiefgründig geschrieben

Weltalltage
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Im ihrem Roman „Weltalltage“ lässt Paula Fürstenberg eine unbenannte Du-Erzählerin, im Folgenden von mir als Freundin bezeichnet, die Geschichte der langjährigen Freundschaft mit ihrem besten Freund Max ...

Im ihrem Roman „Weltalltage“ lässt Paula Fürstenberg eine unbenannte Du-Erzählerin, im Folgenden von mir als Freundin bezeichnet, die Geschichte der langjährigen Freundschaft mit ihrem besten Freund Max erzählen. Die enge Beziehung kommt an einen Punkt, bei dem sich die darin eingenommenen Rollen wesentlich verändert haben. Die Du-Form wird über die gesamte Geschichte hinweg beibehalten und spiegelt die inneren Konflikte der Freundin wider, sozusagen in einem nicht endenden Dialog mit sich selbst. Weltalltage nennt die Freundin die Tage, an denen ihr Körper von Kindheit an scheinbar über den Dingen schwebt. Die Schrift auf dem Titel verdeutlicht, wie schwankend die Welt sich für die Freundin an solchen Tagen verstellt. Max ist ihr am Rand eine Stütze, doch als er krank wird, kommt die von ihm gebotene Strebe in Schräglage.

Die Freundin und Max kennen sich seit der siebten Klasse. Beide sind nun Anfang Dreißig, ohne feste Partnerschaft und teilen sich eine Wohnung. Max hat eine Festanstellung als Architekt. Als Redaktionsassistentin erhält die Freundin den Auftrag, Max zu porträtieren, doch das Ergebnis ist umfasst viel mehr Seiten als gewünscht. Dadurch kommt sie auf die Idee, aus dem Geschriebenen einen Roman zu gestalten. Sie kündigt ihren Job, aber es fällt ihr schwer, einen Anfang für ihre Geschichte zu finden. Eines Tages teilt Max ihr mit, dass er im Krankenhaus behandelt werden soll. Im Nachhinein wird ihr bewusst, dass sich Max über längere Zeit verändert hat. Sie war stets die chronisch Kranke, der Max bestimmte Hilfeleistungen anbot. Nun beginnt die Freundin zu grübeln, ob ihre Worte und ihr Tun für eine Heilung nützlich sind.

Aus der Suche nach einem Anfang für die Geschichte von Max wird eine Suche nach der passenden Sprache. Das Engagement der Protagonistin als Schriftstellerin bringt Max zum Nachdenken und plötzlich steht die berechtigte Frage im Raum, wem eine zu veröffentlichende Lebensgeschichte gehört. Für die Freundin ist es wichtig, dass ihre Welt Ordnung und Struktur hat, was vor dem Schreiben nicht Halt macht. Daher besteht der Roman aus ausgeführten Listenpunkten. Mal ist es das Alphabet, mal sind es Zahlen, aber auch Monate und Jahre oder ein aufgeworfenes Thema, die die Abschnitte der jeweils abzuarbeitenden Liste bilden.

Die eigenwillige Kunstform funktioniert im Roman par excellence! Paula Fürstenberg fokussiert ihre Protagonistin, die im gleichen Alter ist wie sie selbst, immer wieder auf wichtige Themen und schneidet dabei so manches Auffällige an, manchmal mit dem Finger auf der Wunde, auch mal mit ironischer Ergebenheit. Eigene Erfahrungen und Beobachtungen fand ich bestätigt. Dabei fragte ich mich, in weit die Autorin eigene Erlebnisse einfließen lässt, weil sie sehr einfühlsam, nachvollziehbar und wahrhaftig schreibt. Immer wieder zitiert sie Persönlichkeiten. Ein Literaturverzeichnis befindet sich am Ende des Buchs.

Die Krankheit von Max wird für beide Protagonisten unfassbar und stellt ihre Freundschaft auf eine harte Bewährungsprobe. Anhand von Rückblicken versucht die Freundin das Verhältnis zu klären. Sozusagen als Bonus findet sich auf der Innenseite des hinteren Einbands eine Abrechnung. Erst die Probleme in der Freundschaft bieten der Freundin die Chance, die gewohnte Routine zu verlassen, sich im vorsichtigen Rahmen über ärztliche Verbote hinwegzusetzen und dabei neue Möglichkeiten für sich und ihren Körper zu erkunden. Empfindsame Lesende sollten wissen, dass in der Geschichte neben Symptomen des Schwindels, unter anderem auch Depression und Endometriose thematisiert werden.

Das Denken an die Vergangenheit führt die Freundin in den Osten Deutschlands, das Studium in den Westen, wodurch sich in ihre Erinnerungen Überlegungen zur gesellschaftspolitischen Lage mischen. Die Großmutter von Max, die im Ostenlebt, ist sich sicher, dass die deutschen Verhältnisse zum Ableben einiger Familienmitglieder beigetragen haben. Diese interessante These wird im Laufe der Erzählung geklärt.

Gerne vergebe ich für den sichtbar außergewöhnlich gestalteten, tiefgründig geschriebenen und mich begeisternden Roman „Weltalltage“ von Paula Fürstenberg eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 18.12.2023

Berührende Geschichte über vier georgische Freundschaften, mit großem Einfühlungsvermögen erzählt

Das mangelnde Licht
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Erstmal vorweg: Ich finde, dass alles Gute, was ich vor dem Lesen über den Roman „Das mangelnde Licht“ von Nino Haratischwili gehört habe, stimmt!
Der Titel des Buchs bezieht sich auf ein Foto, das eine ...

Erstmal vorweg: Ich finde, dass alles Gute, was ich vor dem Lesen über den Roman „Das mangelnde Licht“ von Nino Haratischwili gehört habe, stimmt!
Der Titel des Buchs bezieht sich auf ein Foto, das eine der vier Protagonistinnen, die Fotografin von Beruf ist, von den anderen dreien aufgenommen hat. Obwohl dieses Bild vom Sonnenlicht geflutet ist, fängt es die desillusionierte Stimmung der Freundinnen ein, über deren junge Leben sich viele Schatten gelegt haben. Dina hat als Fotografin sich nie, auch im übertragenen Sinne nicht, mit zu wenig Licht zufriedengegeben. Auf ihre Weise hat sie einen Kampf dagegen geführt, hat Situationen in Krisengebieten mit ihrer Kamera festgehalten und die Fotos in Zeitungsartikeln und Ausstellungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, damit die Welt hinschaut und erkennt. Dabei hatte sie die Hoffnung, dass ihr Land, ihre Stadt, ihr Umfeld das dunkle Geschehen beenden kann, das alles ins Verderben zieht.
Nach einer ersten Einführung der Hauptfiguren befand ich mich im Jahr 1987. Aufgrund einer Einladung besucht die Ich-Erzählerin Keto ebenso wie zwei ihrer Freundinnen in Brüssel eine Ausstellung mit Werken von Dina, die das Vierer-Kleeblatt früher komplettiert hat, aber vor mehreren Jahren verstorben ist. Durch die Erwähnung ihres Tods an einem Strick auf der ersten Seite stellten sich bei mir als Leserin die Frage nach den Umständen ihres Sterbens. Es wird viele Seiten brauchen, bis fast zum Ende des Romans, bis ich eine Antwort auf meine Fragen erhalte.
Dinas Fotos haben nichts von ihrer Wirkung auf den Betrachter verloren. Keto geht von Bild zu Bild. Jedes Foto ordnet sie darauf ein, wann und wo es aufgenommen wurde. Ihre Erinnerungen entwickeln sich zu einer Geschichte, die auf die Jahre der Freundschaft der vier Frauen zurückblickt, die Ende 1980er Jahre beginnt.
Während sich Georgien noch in einer starken Unabhängigkeitsbewegung befindet, werden die späteren Freundinnen Dina, Nene, Ira und Keto in Tiflis zu Klassenkameradinnen. Dina ist von den vier Frauen diejenige, die am stärksten nach Freiheiten sucht, sowohl im Denken wie auch für ihre Handlungen. Nene wächst in einer patriarchalen Familie auf, bewahrt aber trotz strenger Vorgaben immer ihre Gutmütigkeit, gelegentlich gepaart mit Sentimentalität. Dagegen ist Ira die Strebsamste und steht Fakten nüchtern gegenüber. Die drei Freundinnen, die bei ihren Familien in der Altstadt leben, brauchen Keto in ihrer Mitte, um den Zusammenhalt durch ihr ausgleichendes Gemüt zu sichern. Sie stehen einander bei, als sie den ersten Liebeskummer erleben. Schwieriger wird ihre Beziehung, nachdem Freunde, Bekannte und Verwandte sich zu zwei konkurrierenden Gangersterbanden zusammenfinden und sie sich auf verschiedenen Seiten wiederfinden mit wenig Möglichkeiten, sich den Verbrechen entgegenzustellen.
Die Autorin erzählt mit einer großen Genauigkeit, die sich nicht mit der Schilderung des Erlebten begnügt, sondern auch die Hintergründe öffnet. Sie lässt Keto nicht nur ihre eigenen Gefühle beschreiben, sondern sie lässt sie auch sich in die Gedankenwelt der Freundinnen versetzen. Aufgrund gemeinsamen Gespräche sucht Keto nach Gründen für deren Handlungen. Jedes der von Keto in Brüssel betrachteten Fotos bringt eigene Geschichten ans Licht: romantisch oder mit grausamen Folgen, voller Lebensfreude oder am Ende der Hoffnung, aber immer lesenswert gestaltet, so dass ich keinen Part missen wollte.
Die vier Freundinnen wachsen inmitten eines Umfelds auf, in dem die einen nach Macht trachten und die anderen sich diesen Bestrebungen beugen. Schon früh wird ihnen schmerzlich deutlich, dass sie nur durch eigenes Tun den um sie befindlichen Ring aus Gewalt und Verzweiflung durchbrechen können. Über die vielen Seiten des Romans hinweg liegt eine unterschwellige Spannung, ob das den jungen Frauen gelingen wird.
In ihrem Roman „Das mangelnde Licht“ erzählt Nino Haratischwili mit großem Einfühlungsvermögen von der Freundschaft vier junger georgischer Frauen, die während der Bewegung zur Unabhängigkeit des sozialistischen Landes aufwachsen. Ihre Verbundenheit wird vielfach auf die Probe gestellt durch Eifersucht und Gewalt im Umfeld bis hin zu Verrat, ist aber ebenso geprägt von gemeinsamen Momenten des Glücks und Hilfsbereitschaft. Sehr gerne empfehle ich das Buch uneingeschränkt weiter.

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