Ein Hauch Astrid Lindgren, ein altes Schlaflied neu illustriert, außergewöhnlich und mit Tiefgründigkeit
Das WolfsliedLeise knarzt das Holz der alten Dielenbretter unter meinen nackten Füßchen und ich lausche kurz in die Stille der beginnenden Nacht hinein. Meine Eltern waren schon zu Bett gegangen und ich wollte sie ...
Leise knarzt das Holz der alten Dielenbretter unter meinen nackten Füßchen und ich lausche kurz in die Stille der beginnenden Nacht hinein. Meine Eltern waren schon zu Bett gegangen und ich wollte sie nicht in ihrem Schlaf stören. Also schleiche ich mich leise mit meinem Glas Milch in der einen Hand und einem dicken Buch in der anderen, über den Flur ins Wohnzimmer und zu dem großen, bequemen Lesesessel hinüber. Ich bin noch nicht besonders gut im Lesen, aber ich muss unbedingt wissen wie es weitergeht. Wird Ronja Räubertochter ihr Abenteuer im Mattiswald bestehen und ihre Freundschaft mit Birk retten?
Heute, viele Jahre später, halte ich wieder ein Buch in den Händen, welches meine Gedanken in die Welt von Ronja Räubertochter entführt.
„Das Wolfslied – Ronja Räubertochters Schlaflied“,
herausgegeben vom Oetinger Verlag,
illustriert von Lena Sjöberg
und vertont von Mimi Terris
(die deutsche Fassung kann auf dem Youtube-Kanal der Verlagsgruppe Oetinger angehört werden).
Eine wohlige Gänsehaut breitet sich über meine Arme aus, während ich auf die ersten Klänge des Wolfsliedes lausche. Das Buch liegt nun in meinem Schoß und ich blättere stumm durch seine Seiten. Es ist ein Bilderbuch, geeignet für Kinder ab 5 Jahren, und begleitet mit seinen außergewöhnlichen Illustrationen jenes Lied, welches einst von Astrid Lindgren geschrieben worden war.
Die Bilder sind stimmungsvoll, wenn auch ihr Stil etwas gewöhnungsbedürftig anmutet und ich betrachte sie eingehend, lasse ihre Farben und Formen auf mich wirken. Sie entführen mich in den Wald, vielleicht dem Mattiswald, in dem der Wolf vor Hunger heult, während im Haus das Kind, die kleine Räuberstocher, von ihrer Mutter ein Schlaflied vorgesungen bekommt. Dunkle Farben, bedrohliche Verse und ein wildes Raubtier treffen hier auf die heimelige Geborgenheit der Eltern mit ihrem Kind, warm und behütet im sicheren Heim. Auf faszinierende Weise verbinden sich zwei Welten, die verschiedener nicht hätten sein könnten und mit etwas Nachsicht und Verständnis wird aus Fremden beinahe so etwas wie Freunde.
Die Illustrationen laden dazu ein näher hinzuschauen und entbehren nicht eine gewisse Tiefgründigkeit. Meiner Meinung nach sehr passend zum Wolfslied. Dennoch finde ich sie hier und da ein wenig zu abstrakt und sie treffen nicht so ganz meinen persönlichen Geschmack.
Leise flüstere ich den Refrain. Ich kann nicht anders als zu sagen: Alles in Allem macht es mir Freude die einzelnen Seiten länger zu betrachten, mir Zeit mit ihnen zu lassen und ich glaube ich werde noch eine Weile einen kleinen Wurm im Ohr sitzen haben.
Und ich glaube auch, dass es in diesem Lied nicht nur um den Text geht, der, gerade in der heutigen Zeit und durch unsere heutigen Gewohnheiten, mitunter rau und derb klingen mag, sondern vor allem um die Melodie und die Stimme, die es singt. Es hat etwas unendlich beruhigendes und es wird bis heute gesungen. Von Generation zu Generation weitergetragen. Ich glaube dieses kleine Stück Kindheit mit den jungen Generationen zu teilen, sich mit ihnen gemeinsam hinzusetzen, die Bilder zu betrachten, das Lied zu hören und vielleicht zu singen, die Gefühle dahinter zu interpretieren, das kann wirklich interessant werden und auf ganz eigene Weise verbinden.
Das ist das Erbe der alten Bücher. Eine Erinnerung für die Ewigkeit.