Alles zusammen abscheuliche Menschen
Country PlaceJohnnie Roane kommt nach dem Zweiten Weltkrieg in die Kleinstadt in Connecticut zurück, in der er aufgewachsen ist. Mehrere Jahre war er weg, und nun möchte er sein Leben und seine Ehe mit der schönen ...
Johnnie Roane kommt nach dem Zweiten Weltkrieg in die Kleinstadt in Connecticut zurück, in der er aufgewachsen ist. Mehrere Jahre war er weg, und nun möchte er sein Leben und seine Ehe mit der schönen Glory wiederaufnehmen. Doch schnell muss er merken, dass das Idyll und der Zusammenhalt, den man von einer Kleinstadt erwartet, nicht realitätsferner sein könnte.
Am Klappentext wird uns Johnnie als der gute Mann, der aus dem Krieg nachhause kommt, angepriesen, der nun auf erschreckende Weiße feststellen muss, dass die Menschen in seiner Heimat rassistisch und auch sonst schlecht sind. Und so habe ich mir eigentlich erwartet, eine Geschichte zu lesen, in der die Probleme und die Voreingenommenheit einer amerikanischen Kleinstadt auf die Realitäten des moderenen Zeitalters stoßen. Eine Aufarbeitung von Themen wie Rassismus, Antisemitismus oder die Emanzipation der Frau. Im Endeffekt bekommt man leider nur eine lauwarme Gesichte über kleinstädtisches Drama. Immerhin aber in literarisch ansprechendem Mantel.
Erzählt wird die Geschichte vom "Doc", der der betrieber des lokalen Drugstores ist, und alle handelnden Personen eigentlich ziemlich gut kennt. Dann hätten wir noch die alte Mrs. Gramby, die irgendwie die moralisch hochwertige Figur des Romanes darstellen soll, den Taxifahrer, den alle nur wegen seines Aussehens und Verhaltens das Wiesel nennen, einen stadtbekannten Schürzenjäger und noch so andere Ausgeburten des menschlichen Abgrundes. Jedenfalls spielt Johnnie nur eine untergeordnete Rolle. Seine Ankunft ist nur der Stein, der die Geschichte ins Rollen bringt. Und auch die Eheprobleme zwischen ihm und seiner Frau Glory sind von recht minder tragender Rolle. In Wirklichkeit ist der Hauptstrang der Geschichte der Machtkampf zwischen Mrs. Gramby und ihrer abstoßenden Schwiegertochter.
Inhaltlich musste ich dann leider sehr schnell merken, dass die Auseinandersetzung mit dem Reaktionismus der Bevölkerung nicht wirklich stattfindet. Immer wieder sind geschickt rassistische, antiirische oder antisemtische Spitzen versteckt, die die fortschrittsscheue Bevölkerung der Stadt ins schlechte Licht rücken soll. Per se valide, denn ein Roman im ländlichen Amerika der unmittelbaren Nachkriegszeit kommt nur sehr schwer ohne dessen aus, das problematische gesellschaftliche Bild der meisten Bewohner:innen dieser Gegend zu behandeln. Allerdings sind die "guten" in der Geschichte zwar keine Rassisten, oder Antisemiten. Mrs. Gramby beschäftigt ein dunkelheutiges Dienstmädchen, einen portugisischen Gärtner und einen Koch, über den wir nicht mehr erfahren, als dass er einen ausländischen Akzent hat und aussieht wie ein Schwein. Mrs. Gramby ist nett zu diesen Angestellten und behandelt sie wie ihresgleichen. Mrs. Gramby ist also gut. No Front, ist sie nicht. Zumindest nach meinen Maßstäben. Es fiel mir wirklich schwer, die gute Frau beim Lesen ernst zu nehmen, geschweige denn, Sympathien für sie zu entwickeln. Sie ist herrisch, fresssüchtig, eitel und hält sich selbst für die moralisch höchste Instanz. Ihre Schwiegertochter ist zwar ein noch schlechterer Mensch, dennoch konnte ich diese in vielen Aspekten, was den Hass auf Mrs. Gramby anging, wirklich sehr gut verstehen.
Auch wenn die Charaktere so ziemlich alle des Todes unsympathisch sind, so kann man der Autorin dennoch ein großes Lob aussprechen. Denn die Ausgestaltung dieser ist sehr gut gelungen. Untragbar, aber realitätsnahe, und in den meisten Fällen auch facettenreich. Man hat definitv keinen Einheitsbrei an Figuren und auch die "böse" Seite des Figurensets unterscheidet untereinander durch Einzigartigkeit.
Leider muss ich sagen, dass es mir so vorkommt, dass das Buch einem nur beweisen will, wie schlecht die Menschheit ist, es aber immer noch diejnigen gibt, die es nicht sind. Dieser Beweis des Guten überflügelt leider den Rest der Geschichte, sodass diese nicht so ganz gut ausgefeilt ist, und ich bei manchen geschilderten Szenen mich immer wieder fragen musste, wo nun eigentlich der konstruktive Beitrag für das Fortschreiten der Geschichte läge; Im Umkehrschluss gibt es dann auch Stellen, die Potential für Konflikte oder eine weitere Ausarbeitung gehabt hätten, nur leider dann links liegen gelassen wurden.
Die Moral der Geschichte ist letztendlich, dass die Menschheit verdorben ist. Dafür hätte ich das Bucht nicht gebraucht. Dementsprechend leider nur eine mittelmäßige Milieustudie der amerikanischen Kleinstadt im vordigitalen Zeitalter.