Klappentext:
„Martin, sechsundsiebzig, wird von einer ärztlichen Diagnose erschreckt: Ihm bleiben nur noch wenige Monate. Sein Leben und seine Liebe gehören seiner jungen Frau und seinem sechsjährigen Sohn. Was kann er noch für sie tun? Was kann er ihnen geben, was ihnen hinterlassen? Martin möchte alles richtig machen. Doch auch für das späte Leben gilt: Es steckt voller Überraschungen und Herausforderungen, denen er sich stellen muss.“
Bernhard Schlink hat mit „Das späte Leben“ einen neuen Roman verfasst. Hauptprotagonist Martin ist deutlich älter als seine Frau und zudem haben beide einen gemeinsamen sechsjährigen Sohn. Mit sechsunsiebzig Jahren hat Martin ein stattliches Alter, bei dem viele Menschen es nicht mal bis dahin schaffen. Als Martin seine Krebsdiagnose mit der kurzen Überlebensdauer erfährt, muss auch er sich plötzlich mit dem Tot beschäftigen. Schlink betrachtet in seiner Geschichte die Sichtweise Martins auf eine gewisse „schlichte“ Art. Er will irgendwie seine Familie nach seinem Ableben absichern - mehr nicht. Ist das denn alles? Jeder wird eine andere Sichtweise zu dieser Thematik haben und genau so spricht Schlink auch ein sehr breites Publikum mit dieser Story an. Es gibt Menschen, die vom Tot rein gar nichts wissen wollen und es gibt die, die sich schon sehr frühzeitig damit auseinander setzen. Wer besser lebt von beiden, ist nunmal Ansichtssache. Schlink lässt Martin einen Kompost für seinen Sohn bauen. Sein Erbe sozusagen. Er soll nach seinem Tot „fruchtbaren Boden“ schaffen können und diesen einarbeiten können. Sinnbildlich kein schlechter Gedanke aber meines Erachtens vergräbt sich Martin in seiner unausgesprochenen Angst und in den Schmerzen. Zu allem Elend erfährt er auch noch, dass seine Frau eine Affäre hat. Er nimmt es gelassen. Warum jetzt noch deswegen streiten? Ich muss gestehen, der Grundton der Geschichte ist unglaublich spannend: ein sehr großer Altersunterschied bestimmt eine Liebe und dann wird Martin im hohen Alter von neunundsechzig/siebzig auch nochmal Vater. Ist es alles wirklich das große Glück? Haben sich Martin und seine Ulla jemals Gedanken für die Zukunft gemacht? Sohn David wird nur eine begrenzte Zeit mit seinem Vater erleben, dafür eine junge Mutter, die scheinbar doch noch nicht da angekommen ist, wo sie meint gerade zu sein! Zudem muss man sich bei so großem Altersunterschied auch mit der Thematik Tot, Krankheit und Pflege offen beschäftigen. Wer das ausblendet, lebt für meine Begriffe in einer Traumwelt. Martin bekommt mit seiner Diagnose seinen Hammerschlag versetzt. Wie es mit ihm weitergeht, ob er stirbt und wann, bleibt unbenannt. Wir erlesen nur die Zeit des schleichenden Übergangs bis dahin, wir warten mit ihm zusammen bis es soweit ist und sehen wie er damit umgeht. Martin ist für meine Begriffe ruhig, zu ruhig und seine Gedankengänge zu seinen Hinterlassenschaften war mir oft fremd. Sein Verwalten wühlte mich auf beim lesen. Ja, am liebsten hätte ich ihm mal die Meinung gegeigt aber wer bin ich? Steht es jemanden zu, andere Menschen so zu beurteilen bzw. deren Einstellung in Frage zu stellen? Schlinks Roman gibt, wieder mal, viele Rätsel auf und jeder wird Martin und sein Verhalten anders beurteilen bzw. bewerten. Schlinks Schreibstil war wieder speziell - ruhig, fast zu ruhig, wenn nicht sogar stoisch ruhig erleben wir hier Martin. Der Rest der Geschichte ist Beiwerk und wird situationsabhängig mal mehr mal weniger intensiv betrachtet. In der ganzen Geschichte schwebt nicht nur der Tot umher sondern auch diese nervende Art Martins. Mir fehlte hier Gefühl, Emotionen und ja, vielleicht auch ein würdiger Abschied. Erlesen wir diesen? Nein. Vielleicht lies mich auch das unbefriedigt zurück.
Fazit: Ich bin mit dem Roman nicht warm geworden. Schlinks Schreibstil war wieder recht speziell, auch wenn die Thematik äußerst interessant zu erlesen war. Mir fehlte hier eine Art Lebenslinie, die man gekonnt zu Ende bringt. Martin hingegen überlässt sich auf gewisser Weise seinem Schicksal. Typisch Mann? Keine Ahnung. Es bleiben viel zu viele Fragen offen und die Spekulationen darüber verhallen im Nichts. Ich vergebe genau deshalb 2,5 neutrale Sterne.