Wieviel Recht steckt in Gerechtigkeit
Anne Paulsen ist Polizistin und getrieben von dem Gedanken, Gerechtigkeit walten zu lassen. Aber es gibt ein rotes Tuch, das aus dem Mensch Anne eine Getriebene werden lässt. Denn Volker März, ein freigesprochener ...
Anne Paulsen ist Polizistin und getrieben von dem Gedanken, Gerechtigkeit walten zu lassen. Aber es gibt ein rotes Tuch, das aus dem Mensch Anne eine Getriebene werden lässt. Denn Volker März, ein freigesprochener Straftäter, reißt Wunden auf, die nie verheilt sind. Anne will, dass er bestraft werd - nicht nur für den Mord an der 17jährigen Nina, die März 1981 regelrecht hingerichtet hat. Die Justiz kann einen einmal freigesprochenen Täter nicht für die gleiche Tat erneut verurteilen, doch Anne will Gerechtigkeit und überschreitet eine Grenze....
Wie weit geht ein Mensch, der Gerechtigkeit erreichen will ? Diese Frage steht immer wieder im Raum, wenn Markus Thiele in seinem Roman, der angelehnt an den Fall Frederike von Möhlmann geschildert wird, den Fall schildert. In zwei Zeitsträngen erzählt, erhalten die Leser:innen sehr genaue Einblicke in das, was dem jungen Mädchen angetan wurde und welche - nicht nur rechtlichen - Folgen daraus resultieren.
Dabei schafft es Thiele, eine sehr bedrückende, aufwühlende und emotionsgeladene Atmosphäre zu gestalten, die von der ersten Seite an unter die Haut geht. Allein die Beschreibung vom "Wartesaal" rufen mir als Urbexerin coole Bilder hervor, die düster und unheilschwanger eine Art Endzeitszenario verbreiten.
Die Figur Volker März ist unglaublich gut gezeichnet - seine markanten Koteletten erinner mich an Brian Hibbarnd von den Flying Pickets und so brennt sich sein Gesicht regelrecht ins Gedäöchtnis ein, um die Leser:innen den ganzen Tag über zu verfolgen. März ist immerzu präsent, ob man will oder nicht. Der Geruch von Tabac Original und das Bild der markanten Panzerkette verfolgen mich regelrecht. Er sitzt in den Gedanken und treibt dort sein perfides Spiel. Alleine so eine Situation für die Leser:innen zu kreieren, ist schon eine großartige schriftstellerische Leistung.
Doch der Autor lässt nicht locker, treibt die Leserschaft gemeinsam mit Anne durch die Seiten und deckt immer mehr Feinheiten auf, die auch Jahrzehnte später ihre Spuren hinterlassen. Thiele lässt seine Leserschaft vergessen, dass sie "nur" ein Buch in den Händen halten, das Hier und Jetzt verschwindet vollkommen und der lesende Part wird gegen die authentischen Figuren eingetauscht. Die Schilderungen in jedem einzelnen Kapitel gehen tief...sie hinterlassen deutliche Spuren, die nachdenklich machen. Nicht nur wegen der Rechtsprechung, sondern auch, weil ein so detaillierten Einblick in die Ereignisse ermöglicht wird, der den Leser:innen sonst verborgen bleibt.
Bis zum Ende entbrennt immer wieder die Diskussion, wieviel Recht in Gercehtigkeit steckt...eine Frage, auf die es viele unterschiedliche Antwortmöglichkeiten gibt.
Erneut ein sehr authentischer Roman von Markus Thiele, der noch lange nachwirkt.