Jüdisches Frauenschicksal
Annas Lied„...Hannah schloss die Augen und ließ den Kopf zurück auf das Kissen sinken. Sie atmete aus. Seufzte tief. Und dann kamen die Tränen...“
Die Sätze stammen aus dem Prolog, der im Jahre 1945 spielt. Für ...
„...Hannah schloss die Augen und ließ den Kopf zurück auf das Kissen sinken. Sie atmete aus. Seufzte tief. Und dann kamen die Tränen...“
Die Sätze stammen aus dem Prolog, der im Jahre 1945 spielt. Für Hannah ist es eine entscheidende Szene. Ihr Leben wird bald eine neue Wendung nehmen.
Der Autor hat einen berührenden Familienroman geschrieben. Das Buch zeichnet ein reales Leben nach.
Der Schriftstil ist sehr fein ausgearbeitet. Hier passt jedes Wort. Die Zeitverhältnisse werden genauso exakt wiedergegeben wie das Leben in der Familie.
Die Geschichte beginnt 1929. Die 8jährige Hannah lebt mit ihren Eltern und den vier Brüdern in Kopenhagen. Die Familie ist einst aus Polen gekommen und hat sich ein neues Leben aufgebaut. Der Vater ist Schneidermeister.
Schon von Anfang an wird deutlich, wie gefestigt der Zusammenhalt zwischen den jüdischen Familien ist. So nehmen sie den jüngeren Bruder des Vaters mit seiner Familie auf, als die aus Polen ausreisen.
Hannah liebt die Musik. Sie träumt davon, Pianistin zu werden. Doch das Leben im jüdischen Haushalt folgt strengen Regeln. Dem widersetzen sich allerdings Hannahs älter Brüder. Alle Vier heiraten Frauen, die keine Juden sind. Diese Freiheit wird es für Hannah nicht geben.
„...Du weißt doch, dass für das Judentum die Mütter verantwortlich sind. Die Frauen...“
Logischerweise hat in Hannahs Familie ihre Mutter Bruche das Sagen. Sie kann ganz schön ausrasten, wen es nicht nach ihrem Kopf geht.
Spannend fand ich die Diskussionen, wenn es zum Familientreffen kam. Während Lille-Moshe streng gläubig war, outet sich Abraham als Sozialist. Folgerichtig prallen hier unterschiedliche Meinungen aufeinander.
Bis zur Flucht nach Schweden wird das Leben in relativ kurzen Zeitsprüngen nachgezeichnet. Mit 15 Jahren erfährt Hannah, dass sie einen Franzosen heiraten soll.
„...Eine Weide fängt an zu wachsen, egal, wo sie in der Erde steht. Anfangs wird sie vielleicht ihre gewohnte Umgebung vermissen, aber nach einem Jahr hat sie ein neues Heim gefunden...“
Diese bildhafte Sprache gibt es an vielen Stellen. Erst einmal besucht Hannah das Konservatorium. Und dann wird Dänemark besetzt. Jetzt geht es um das nackte Überleben.
Nach dem Krieg kehrt die Familie zurück. Hannah heiratet und zieht nach Frankreich. Von den nächsten Jahren gibt es nur noch sporadische Berichte. Sie hat sich ihrem Schicksal gefügt.
„...Und dann hast du einmal gesagt, es sei besser geliebt und verloren zu haben, als niemals geliebt zu haben...“
Dies Worte stehen im letzten Brief von Hannahs größer Liebe. Sie konnte ihn nie vergessen. Doch es gab keine Zukunft für beide.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Anhand eines sehr persönlichen Schicksals gibt es Einblicke in das jüdische Leben im letzten Jahrhundert.