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Veröffentlicht am 21.10.2017

Zerrissen zwischen Lebenstraumverwirklichung und familiären Erwartungen

Die Lichter von Paris
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Der Insel-Verlag ist mir bekannt dafür, dass in ihm Bücher über Frauenschicksale erscheinen. Und in dieses Schema fügt sich auch der vorliegende Roman ein. Anders als der Schlusssatz des vorderen Klappentextes ...

Der Insel-Verlag ist mir bekannt dafür, dass in ihm Bücher über Frauenschicksale erscheinen. Und in dieses Schema fügt sich auch der vorliegende Roman ein. Anders als der Schlusssatz des vorderen Klappentextes andeutet, geht es in ihm im Wesentlichen allerdings nur um die Schicksale zweier Frauen – Großmutter Margie und Enkelin Madeleine, zwischen denen sich äußerlich und wesensmäßig viele Parallelen auftun. Beide entstammen Elternhäusern, in denen Frauen strikt den gesellschaftlichen Erwartungen gerecht zu werden haben – Heirat, Haushalt, Repräsentieren sind ein absolutes Muss, selbst wenn das die Aufgabe der eigenen Lebensträume bedeutet. Margie träumt von einem Dasein als Schriftstellerin, Madeleine als Malerin. Während Margie im Jahr 1924 wenigstens für einige Monate die Chance ergreift, in Paris in der Bohème zu leben und erst danach geläutert nach Hause zurückkehrt, bleibt Madeleine bis in ihre Dreißiger (im Jahr 1999) in einer unglücklichen Ehe mit einem dominierenden wohlhabenden Mann gefangen.
Die abwechselnd erzählten Geschichten der Protagonistinnen ziehen einen so sehr in den Bann, dass man das Buch kaum aus der Hand legen möchte. Zu neugierig ist man zu erfahren, warum sie so gefangen sind in den familiären Erwartungen und ob sie doch noch ihre eigenen Träume leben werden. Einen kleinen Wermutstropfen bedeutet es für mich, dass insbesondere auf Madeleines Zerrissenheit immer und immer wieder eingegangen wird, ohne dass wirklich etwas Neues zu erfahren ist. Gerade bei ihr hat es mich erstaunt, dass sie, die im Jahre 1964 geboren sein dürfte, ein so völlig unemanzipiertes Leben führt, noch dazu in dem so fortschrittlichen Amerika. Faszinierend und sehr bildhaft sind die Schilderungen über das Paris der 20er Jahre mit seinen Künstlern und Schriftstellern.
Empfehlenswert für Leserinnen neuerer historischer Romane mit Gegenwartsbezug.

Veröffentlicht am 21.10.2017

Die amerikanische Jugend

Der gefährlichste Ort der Welt
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Der gefährlichste Ort der Welt ist nicht etwa die paradiesische Stadt Mill Valley nahe bei San Francisco, in der die Geschichte angesiedelt ist. Nein, es ist die dortige Mittelschule (S. 40), die von den ...

Der gefährlichste Ort der Welt ist nicht etwa die paradiesische Stadt Mill Valley nahe bei San Francisco, in der die Geschichte angesiedelt ist. Nein, es ist die dortige Mittelschule (S. 40), die von den jugendlichen Protagonisten besucht wird. Kurz vor ihrem Wechsel auf die High School nimmt hier das Unglück seinen Lauf, und zwar durch unerbittliches Cyber-Mobbing der „angesagten“ Schüler zulasten eines Außenseiters, der einen Liebesbrief an eine Mitschülerin geschrieben hat, welcher dann ins Netz gestellt wird. Traurige Folge ist der Suizid des Jungen. Die folgenden vier Jahre auf der High School werden im Folgenden geschildert. In jedem Kapitel steht immer einer der seinerzeit am Mobbing beteiligten Jugendlichen mit seinen speziellen Problemen im Vordergrund – z.B. ein Mädchen, das ein Verhältnis mit einem Lehrer hat; ein Junge, der den hohen Erwartungen seiner Eltern kaum gerecht werden kann, bis hin zur Adressatin des früheren Liebesbriefs. Der Übergang ist fließend, auf parallele Vorkommnisse wird erneut eingegangen. Betroffen macht, wie wenig doch alle noch an den von ihnen Gemobbten denken. Eine Ausnahme macht nur seine Angebetete, die schwer mit ihrer Schuld zu kämpfen hat. Mit der dominierenden Jugendsprache sowie den Themen Smartphone, Facebook und Gruppendynamik spricht die Geschichte besonders Jugendliche an.
Ich finde das Buch lesenswert.

Veröffentlicht am 09.10.2017

Sozialer Abstieg

Wer hier schlief
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Der in der Geschichte nur bei seinem Nachnamen genannte Philipp Kuhn ist persönlicher Assistent in der Firma für Sicherheitstüren seiner Lebensgefährtin. Als er sie zugunsten seiner jungen Geliebten Myriam ...

Der in der Geschichte nur bei seinem Nachnamen genannte Philipp Kuhn ist persönlicher Assistent in der Firma für Sicherheitstüren seiner Lebensgefährtin. Als er sie zugunsten seiner jungen Geliebten Myriam verlässt, ist letztere für ihn plötzlich unauffindbar. Ohne Job und Bleibe stromert Kuhn durch die Stadt (Wien), macht neue Bekanntschaften, gewinnt neue Erkenntnisse, insbesondere auch in Bezug auf Myriam.

Die Geschichte lebt durch ihre teilweise skurrilen Figuren, was das Wenige an Handlung wettmacht. Besonders der Protagonist Kuhn ist interessant. Sein tiefer Fall vom Partner einer vermögenden Frau zur Obdachlosigkeit erweckt komischerweise kein Mitleid. So gebührt es eben Männern, die bei jungen Frauen wildern. Hinzu kommt, dass sich Kuhn eigentlich Zeit seines Lebens hat treiben lassen. Das Thema Obdachlosigkeit wird mit einer gehörigen Portion unterschwelliger Kritik dargestellt. Ungewöhnliche Wege aus ihr heraus werden vorgestellt - in Form der merkwürdigen SuHo-Gruppe (suddenly homeless), der sich Kuhn anschließt und deren Mitglieder eigentlich Schmarotzer sind, indem sie sich in fremden Wohnungen einnisten und von den bei öffentlichen Veranstaltungen gereichten Imbissen ernähren. Alle Romanfiguren sind mit Liebe zum Detail dargestellt. Bei Kuhn ist insoweit erwähnenswert das ihm einzig verbliebene Gemälde „Adam“ des österreichischen Künstlers Hauser, das ihn auf seiner Odyssee begleitet. Interessant sind auch die Nebenfiguren, wie z.B. Kuhns neuer Bekannter Solak mit seinem Hang zum Philosophieren und seinem wohltuenden Elixier. Sie alle sind genauso verloren wie Kuhn.

Ein gelungener Roman.

Veröffentlicht am 28.09.2017

Eine alleinerziehende Mutter ist gar nicht so allein

Ziemlich beste Mütter
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Marie, die Mutter eines sechsjährigen Jungen, zieht fort aus München nach Berlin, um endlich von ihren Gefühlen für den Vater ihres Sohnes loszukommen. In ihrem Kampf gegen die ehrgeizigen Übermütter in ...

Marie, die Mutter eines sechsjährigen Jungen, zieht fort aus München nach Berlin, um endlich von ihren Gefühlen für den Vater ihres Sohnes loszukommen. In ihrem Kampf gegen die ehrgeizigen Übermütter in der Klasse ihres Sohnes findet sie schnell Unterstützung von drei gleichgesinnten, schnell zu Freundinnen werdenden Müttern, die auch so ihre Probleme haben - die eine hat einen unerfüllten Kinderwunsch, die andere will sich nicht an ihren erheblich jüngeren Partner binden. Womit Marie aber gar nicht gerechnet hat, ist, einen gut aussehenden, ebenfalls alleinerziehenden Nachbarn zu bekommen, der ihr in seiner Hilflosigkeit sofort gefällt.
Wer selbst Mutter ist, dem wird dieses Buch sicherlich gefallen. Denn viele Szenen und Begebenheiten rund um die lieben Kleinen haben Wiedererkennungswert. Oder wem kommen sie nicht aus der Kindergarten-/Grundschulzeit des eigenen Kindes bekannt vor – die ehrgeizigen Übermütter, die auf gnadenlose Förderung ihres Kindes aus sind und den Müttern, die ihr Kind einfach nur Kind sein lassen wollen, ein schlechtes Gewissen machen? Auf jeden Fall wird die erste Sorte Mütter wunderbar mit einer guten Portion Humor durch den Kakao gezogen. Daneben vermittelt die Geschichte ein schönes Bild einer sich entwickelnden Freundschaft zwischen Frauen, die einander in Sachen Kindern und Männern unterstützen. Und natürlich ist auch eine Liebesgeschichte enthalten. Ansprechend sind die Kapitelüberschriften, die jeweils den Namen eines berühmten Gemäldes aufnehmen sowie plakative Einzelheiten zu Erschaffer und Entstehungsjahr. Wenngleich sie vielleicht keinen Bezug zum nachfolgenden Text haben, so passen sie doch zu Maries Beruf einer Restauratorin. Vom Cover sollte man sich nicht täuschen lassen. Die dort abgebildeten Babyzubehörartikel spielen keine Rolle, befinden sich die Kinder der Protagonistinnen doch schon im Grundschulalter.

Eine leichte, gut unterhaltende Lektüre.

Veröffentlicht am 15.09.2017

Nachdenkliches über das Leben

Saufen nur in Zimmerlautstärke
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Was ich bei so manchem anderen Buch vermisse, ist hier anzutreffen: Buchtitel und Covermotiv haben wirklich einen Bezug zur Geschichte - der Titel entspricht einer Weisung der Pensionswirtin, bei der der ...

Was ich bei so manchem anderen Buch vermisse, ist hier anzutreffen: Buchtitel und Covermotiv haben wirklich einen Bezug zur Geschichte - der Titel entspricht einer Weisung der Pensionswirtin, bei der der Protagonist Adam vorübergehend unterkommt; das Bild gibt Adams Sprung in die Spree wieder, mit dem er seinen neuen Freund, den Troll Magnus, vor der Aufmerksamkeit der Polizei bewahren will. Doch wer sind Adam und Magnus? Adam ist ein Rechtsanwalt aus Berlin, 50 Jahre alt, dem nach plötzlichen Herzproblemen von seinem Arzt eine Auszeit angeraten wird, die ihn nach dem Zufallsprinzip nach Island verschlägt. Hier wird er von dem kleinwüchsigen, verlotterten waschechten Troll Magnus vor einem lebensgefährlichen Sturz von einer Klippe gerettet. Nach isländischem Brauch steht Adam daher in Magnus Schuld und muss diesen als seinen Schützling zurück nach Berlin nehmen. Nicht nur ist Adams Leben aufgrund von Eheproblemen und beruflicher Unzufriedenheit ohnehin schon aus den Fugen geraten. Nein, nun sorgt Magnus für allerhand neues Chaos und den finanziellen Ruin Adams, in dem er etwa Internetkäufe mit dessen Kreditkarte tätigt, einen Ausflugsdampfer auf der Spree versehentlich in Brand setzt oder wertvolle Kulturgüter aus einem Museum stiehlt. Beide werden zu Freunden und Adam gewinnt eine neue Sicht über sein Leben.

Die Geschichte veranlasst sehr häufig zum Schmunzeln, wenngleich in dem letzten Drittel die nachdenklichen Töne überwiegen. Das entspricht sicherlich der Intention des Autors, der auch zum Nachdenken über das eigene Leben veranlassen will. Jedenfalls sprechen beide Protagonisten einige schöne Lebensweisheiten aus. Wer Märchen und Mythen mag, wird das Buch wohl besonders mögen, geht es in ihm doch um isländische Trolle, über die viel Interessantes zu erfahren ist.