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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.03.2024

Ein wirklich tolles Buch

"Einige Herren sagten etwas dazu"
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Günter Grass, Heinrich Böll, Siegfried Lenz …
Sagen dir die Namen was? Ja?
… Ingeborg Bachmann, Ilse Aichinger …
Diese auch noch?
… und was ist mit Ruth Rehmann, Ingrid Bachér, Ilse Schneider-Lengyel oder ...

Günter Grass, Heinrich Böll, Siegfried Lenz …
Sagen dir die Namen was? Ja?
… Ingeborg Bachmann, Ilse Aichinger …
Diese auch noch?
… und was ist mit Ruth Rehmann, Ingrid Bachér, Ilse Schneider-Lengyel oder Ingeborg Drewitz, um nur um einige zu nennen?
Nein? Wirklich? Noch nie gehört?

Genau so erging es mir, als ich die letztgenannten Namen und noch viele weitere von anderen Autorinnen gelesen habe – ich hatte sie davor noch nie gehört.

Nicole Seifert gibt mit ihrem Buch einen Gesamtüberblick über die Gruppe 47 bezüglich deren Entstehung, die konkreten Abläufe der Treffen sowie deren Teilnehmer. Dabei wird deutlich, dass überwiegend Männer und nur wenige Frauen dazu eingeladen waren. Und selbst diese Teilnehmerinnen bekamen, im Vergleich zu vielen männlichen Schriftstellern, kaum Aufmerksamkeit und sind heute so gut wie in Vergessenheit geraten. Die Gründe dafür sind vielfältig und werden von Nicole Seifert in ihrer Studie vielschichtig und eindrucksvoll herausgearbeitet.
So wurden bspw. in Texten des Feuilletons sowie u.a. in privaten Aufzeichnungen anderer Teilnehmer die Autorinnen zuerst bezüglich ihres Aussehens beschrieben, beurteilt und teils ausschließlich darauf reduziert. „Den Autorinnenkörper außen vor zu lassen, nur den Text zu betrachten, scheint unmöglich“, so folgert Seifert sinngemäß.

Nebstdem entwirft das Buch zudem Potraits der an den Tagungen teilnehmenden Autorinnen und gibt zugleich Einblicke in deren Werk, sodass man beim Lesen regelrecht Lust bekommt, diese für sich selbst zu entdecken. Immerhin konnten fast ausschließlich Männer bedeutenden und primär lang anhaltenden Ruhm für sich gewinnen.

Ich hoffe, dass dies erst der Beginn der Aufarbeitung ist und in Zukunft noch viele weitere Werke über diese und ähnliche Thematiken folgen werden. Weiterhin bleibt zu wünschen, dass viele darin besprochene Schriftstellerinnen wieder aufgelegt und von einem breiten Publikum beachtet und vor allem gelesen werden!

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Veröffentlicht am 26.03.2024

Ein weiterer Arenz, der sich lohnt

Die Erfindung des Gustav Lichtenberg
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Als der Physiker Ludwig Lang bei seiner Arbeit im Patentamt zufällig auf den Plan zum Bau einer Maschine stößt, welcher viele Jahrzehnte zuvor von einem gewissen Gustav Lichtenberg geschrieben wurde und ...

Als der Physiker Ludwig Lang bei seiner Arbeit im Patentamt zufällig auf den Plan zum Bau einer Maschine stößt, welcher viele Jahrzehnte zuvor von einem gewissen Gustav Lichtenberg geschrieben wurde und kurz darauf noch die ihn bezaubernde Geigerin Elsa kennenlernt, welche sein Herz erobert, ändert sich für ihn alles.

Ewald Arenz erzählt, unterteilt in zwei alternierende Erzählstränge, die Geschichte einer ominösen Maschine, dessen Funktion sich erst im Lauf des Romans erschließt. Mit gekonnter Präzision verwebt Arenz beide Handlungen, die zu unterschiedlichen Zeiten spielen, miteinander. Während sich der eine Erzählstrang mit der Erfindung dieser Maschine durch einen gewissen Gustav Lichtenberg Mitte des 19. Jahrhunderts befasst, schildert der andere, gegenwärtig spielend, den Fund des Planes durch den Physiker Ludwig Lang und dessen schnell gefassten Beschluss, diese gezeichnete Apparatur nachzubauen, um deren Funktion auf die Schliche zu kommen.
Dabei fallen dem genauen Leser einige Ähnlichkeiten zwischen den Lebens- sowie Liebesgeschichten der männlichen Protagonisten Gustav Lichtenberg und Ludwig Lang auf.
Doch was hat es mit dieser Maschine auf sich?

Die einfühlsame, wunderschöne Sprache, welche den Roman definiert, ermöglicht seinen Lesern sich in die Gefühlswelt der Figuren hineinzuversetzen und wie direkt am Geschehen beteiligt zu sein. So wird auch der Leser von der Frage getrieben, was das denn nun für eine Maschine ist, die Ludwig nachbaut.
Doch dieses Buch ist noch viel mehr als das! Obwohl es nur knapp 250 Seiten umfasst, erzählt es von der Kraft der Liebe, beschäftigt sich intensiv mit der Magie von Musik sowie der Lust am Erfinden.

Ein Roman der sich lohnt, um für schöne Stunden der realen Welt zu entfliehen und in eine brilliant erzählte Geschichte einzutauchen!

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Veröffentlicht am 13.03.2024

Ein toller Zukunftsroman

Endling
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Jasmin Schreibers neuer Roman entführt den Leser – in das Jahr 2041 – eine Welt der Zukunft. Dort begegnen wir der Biologin Zoe, die in ihr elterliches Haus zurückkehrt, um auf ihre kleine Schwester Hanna ...

Jasmin Schreibers neuer Roman entführt den Leser – in das Jahr 2041 – eine Welt der Zukunft. Dort begegnen wir der Biologin Zoe, die in ihr elterliches Haus zurückkehrt, um auf ihre kleine Schwester Hanna sowie Tante Auguste aufzupassen, während sich ihre alkoholkranke Mutter in einer Entzugsklinik befindet.
So weit, so gut, wäre Tante Auguste nicht übervorsichtig gegenüber jeglichen Keimen und würde nicht in ihrer Wohnung zurückgezogenen unter strengsten hygienischen Maßnahmen leben. Aber auch Hanna macht es Zoe nicht leicht. Sie hält ihr ständig vor, als große Schwester vollkommen versagt zu haben und versucht zugleich ihren Frust in Alkoholexzessen zu ertränken.
Als dann noch Sophie, die beste Freundin von Tante Auguste, sich wochenlang nicht mehr bei ihr meldet, machen sich die drei auf die Suche nach ihr, schweißen nach und nach zu einem Team zusammen und begegnen wundersamsten Dinge aus längst vergangenen Zeiten. Ständiger Begleiter ist HP14, die letzte Weinbergschnecke und somit ein Endling.
Über den gesamten Roman hinweg gibt die Ich-Erzählerin Zoe in regelmäßigen Abständen interessante Exkurse in die Biologie – eine Leidenschaft, die sie mit ihrer Tante teilt.

Schreibers Roman ist ein vielseitiger Streifzug durch eine mögliche Ausprägung unserer Zukunft, die von patriarchalem Faschismus und stetig wachsendem, nicht mehr aufzuhaltendem Artensterben geprägt ist.

Das Buch endet relativ abrupt und bleibt bezüglich der weiteren Lebensverläufe der Protagonisten relativ offen. Somit kann sich der Leser eigenständig die Geschichte dieses Romans weiterspinnen. Vielleicht ist das aber auch von der Autorin bewusst so gewollt, um mit einer eventuellen Fortsetzung daran anzuknüpfen – zu wünschen wäre es auf jeden Fall!

Trotz negativer Kritiken anderer hat mich Schreibers neuester Roman überzeugt und ist meiner Ansicht nach ihr bisher bester!

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Veröffentlicht am 11.03.2024

Ein wirklich beeindruckendes Buch

Marseille 1940
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Mit Beginn des Vormarsches der deutschen Wehrmacht gegen Frankreich im Jahr 1940, war bei den vorwiegend deutschen emigrierten Künstlern jeglicher Couleur nichts mehr wie zuvor – das Gefühl der Sicherheit ...

Mit Beginn des Vormarsches der deutschen Wehrmacht gegen Frankreich im Jahr 1940, war bei den vorwiegend deutschen emigrierten Künstlern jeglicher Couleur nichts mehr wie zuvor – das Gefühl der Sicherheit wich und nahm unberechenbare Züge an. Somit bot sich vielen Exilanten kein anderer Ausweg als erneut zu fliehen und zugleich das nun gewohnte Leben bereits zum zweiten Mal aufzugeben.
Anhand ausgewählter Schicksale, u.a. von Heinrich und Golo Mann, Lion und Marta Feuchtwanger, Franz und Alma Mahler-Werfel sowie Anna Seghers und ihrer Familie schildert Uwe Wittstock präzise die unterschiedlichen Facetten der Flucht.

Zugleich gibt das Buch einem gewissermaßen den Glauben an die Menschlichkeit in Zeiten der Inhumanität zurück. Dafür in erster Linie verantwortlich ist der amerikanische Journalist Varian Fry, der, zusammen mit seinem späteren Team und hilfsbereit-unterstützenden Franzosen, mehren hundert Menschen die Flucht aus dem besetzten Frankreich arrangierte.

Uwe Wittstock hat mit diesem Werk ein großartiges Sachbuch geschrieben, welches dem Leser ermöglicht, sich in den einzelnen Geschichten zu verlieren. Aufgrund der enormen Fülle an Informationen, auf Basis von Tagebüchern, Briefen, Autobiografien, etc., ist es eine beachtliche Leistung, die Geschichten einzelner Persönlichkeiten so detailliert und mitreißend aufzubereiten.

Somit ist dieses Buch sowie wie dessen Vorgänger „Februar 33“ eine unbedingte Leseempfehlung für alle, die sich für die Literatur sowie den Leben der ins Exil getriebenen Schriftsteller zur Zeit des Nationalsozialismus interessieren, damit beschäftigen und mehr darüber wissen möchten.

Wer sich darüberhinaus noch mit der Thematik befassen möchte, dem sei die inhaltlich ähnliche Kurzserie „Transatlantic“ von Netflix sehr ans Herz gelegt.

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Veröffentlicht am 07.03.2024

Schon jetzt eines meiner Jahreshighlights

James
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Was der amerikanische Autor Percival Everett mit diesem Buch geschaffen hat, ist, meines Erachtens, ein regelrechtes Meisterwerk. Er wagt sich an Weltliteratur, indem er die Abenteuer von Huckleberry Finn ...

Was der amerikanische Autor Percival Everett mit diesem Buch geschaffen hat, ist, meines Erachtens, ein regelrechtes Meisterwerk. Er wagt sich an Weltliteratur, indem er die Abenteuer von Huckleberry Finn auf die Perspektive des Sklaven Jim umschreibt und dadurch u.a. die Sklaverei im Hinblick auf die Machtverhältnisse, einhergehend mit Rassismus und Gewalt herausarbeitet.

Wir begleiten den Sklaven Jim auf seiner Flucht, welche weitestgehend von Huck begleitet wird. Dabei sind sie großteils auf sich alleine gestellt, müssen sich selber versorgen und vor drohenden Gefahren schützen. Die schlimmste Bedrohung ist jedoch die Sklaverei und die einhergehend dominierende, rassistische und verachtende Weltsicht der privilegierten Weißen.
So geschieht es das ein und andere mal, dass der Protagonist, aber auch andere Beteiligten, den Zorn und Hass weißer Menschen und Herren am eigenen Leib psychisch sowie physisch zu spüren bekommen.
Hierbei ist zu erwähnen, dass der Roman nichts für schwache Nerven ist, da u.a. körperliche sowie sexuelle Gewalt geschildert und erniedrigende rassistische Wendungen benutzt werden, um die vergangene Zeit möglichst prägnant zum Leben zu erwecken.
Dabei schafft es der Autor einerseits eine in den Bann ziehende Spannung aufzubauen sowie andererseits beim Leser beklemmende Gefühle der Schuld und Wut über dargestellte Situationen der Hilflosigkeit zu erzeugen.
Brilliant ist auch die Herausarbeitung der ambivalenten Machtverhältnisse anhand artikulierter Sprache zwischen weißen Sklavenhaltern und meist dunkelhäutigen Sklaven durch den Autor, aber auch den Übersetzer Nikolaus Stingl.

Dieses Buch ist jedem zu empfehlen, der die Abenteuer von Tom Sawyer und Huckleberry Finn liebt, sich für die Geschichte der Sklaverei in Amerika interessiert und gute, spannende Romane liebt, die einen mitreißen, gefangen halten und kaum mehr loslassen.
Schon jetzt ist dieses Buch eines meiner absoluten Highlights diesen Jahres!

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