Die Geschichte tut weh
An RändernEs ist windig. Dunkelheit legt sich über den Ort seiner Herkunft. Er fährt mit dem Fahrrad, lauscht den verstummenden Vogelstimmen, Regen klatscht in sein Gesicht. Fährt vorbei an den alten Gewächshäusern ...
Es ist windig. Dunkelheit legt sich über den Ort seiner Herkunft. Er fährt mit dem Fahrrad, lauscht den verstummenden Vogelstimmen, Regen klatscht in sein Gesicht. Fährt vorbei an den alten Gewächshäusern des Gartencenters, sieht durch geborstene Fenster Dunkelheit. Der Imbiss liegt verlassen da, ein Schild bietet den Verkauf an. In der alten Turnhalle erinnert er sich, konnte man Blut spenden, außer die Schwulen, weil deren Blut andere Menschen krank machen konnte. Nur noch wenige Meter, dann kommt er bei seinem Haus an. Ob er sich verändert hat? Sie haben sich lange nicht gesehen.
Dieser empfängt ihn im Kaputzenshirt, sein Gesicht liegt im Schatten, lächelt er?
Er folgt ihm in sein Haus, kann endlich sein Gesicht sehen. S. 18
Sie trinken Rotwein, erinnern sich, an die Brüder, die sich nicht ähnlich sahen, mit den unterschiedlichen Akzenten. Sie stachen in See, brachten ihr Muscheln oder Perlenketten mit. Sie schrie sie an, dass sie wisse, dass sie keine Brüder seien, sondern schwul und schmiss die Perlenkette von sich.
Damals, in der Waschküche seiner Eltern bat jener ihn, vor diesem auf die Knie zu gehen. Danach hatte der nichts mehr mit Männern und hatte es auch niemandem erzählt. Er selbst hatte ständig Sex mit Männern, ausschließlich mit ihnen. Mit denen, mit den Familienfotos an der Wand, denen, mit dem kalten Blick, denen, die in seinen Schoß weinten.
Hatte er jenem erzählt, wie sie ihn die Treppe heruntergerufen hatte? Er wußte, dass sie es ernst meinte. Er rannte nach unten, raus, sah seine Burg in Teilen, sein Musikheft, die Schrift vom Regen verschwommen. Sie fluchte in der Küche und zündete sich eine Zigarette an, während er im nassen Kies kniete.
Fazit: Die Geschichte beginnt vor einer düsteren Kulisse. Alles wirkt verlassen und hoffnungslos. Der Autor tastet sich langsam an die Vergangenheit des namenlosen Ich – Erzählers heran. Angelo Tijssens holt den wichtigsten Part seiner Kindheit und Jugend, den, den er verehrt hat, in die Gegenwart und lässt sie sich treffen. Lässt seinen Protagonisten zurückdenken. Immer wieder blitzen scharfkantige Szenen auf, in denen er von seiner Mutter misshandelt wird. Er ist ganz allein mit ihr, niemand sieht seine Narben oder blauen Flecken, hilft ihm. Die Geschichte tut weh, sein Schmerz und seine Resignation sind so spürbar, wie seine Wertlosigkeit. Er lässt sich von allen Menschen, denen er begegnet, benutzen. Eine extrem unangenehm berührende Geschichte, einfach gut gemacht, weil es so stark zeigt, wie jemand sich fühlt, der nirgendwo hingehört und die schwere Last des Erlebten mit sich herumschleppt.