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Veröffentlicht am 20.04.2021

Vergänglichkeit trifft auf Alltägliches

So wie du mich kennst
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Zwei Schwestern, zwei grundverschiedene Lebensentwürfe und zwei Schauplätze, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Die Geschichte von Karla und Marie ist eine Geschichte, die von dem erzählt, was im ...

Zwei Schwestern, zwei grundverschiedene Lebensentwürfe und zwei Schauplätze, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Die Geschichte von Karla und Marie ist eine Geschichte, die von dem erzählt, was im Leben wirklich zählt: von Nähe und Verbindung, die jede Entfernung und alle Unterschiede überwinden.

Die Lokaljournalistin Karla lebt auf dem fränkischen Land, während ihre Schwester Marie, eine bekannte und erfolgreiche Fotografin, es in die große weite Welt gezogen hat und die Metropole New York ihr zu Hause nennt. Nannte, denn Marie ist tot. Sie kam bei einem Unfall ums Leben. Und damit beginnt die Geschichte. Karla hat nicht nur die Asche ihrer Schwester nach Hause geholt, sie hat sich auch bereit erklärt, sich um die Auflösung der Wohnung ihrer toten Schwester in New York zu kümmern.

In diesen Prozess nimmt uns die Autorin Anika Landsteiner mit. Sie gewährt Einblicke in das Innenleben der trauernden Schwester, aber auch in das ihrer Familie und Maries Freunden und zu meiner Überraschung auch in das Innenleben Maries in den letzten Wochen vor ihrem Tod. Denn die Erzählperspektiven wechseln sich ab. Sowohl Karla als auch Marie erzählen ihre Geschichten, die sich Seite für Seite zu einem stimmigen Gesamtbild zusammenfügen. Denn schon früh tauchen Fragen auf. Marie hatte ein erschütterndes Geheimnis, das erst durch ihre eigenen Schilderungen im Zusammenspiel mit den Erzählungen Karlas ans Licht kommt.

Es sind die Themen, über die viel zu selten gesprochen wird, die in dem Roman vollkommen zurecht besondere Aufmerksamkeit bekommen. Allen voran der Umgang mit dem Tod. Die Vergänglichkeit steht dem alltäglichen Leben gegenüber in seiner ganzen Bandbreite. Darunter fällt auch das Geheimnis, das Marie mit ins Grab nimmt. Ein Thema von enormer Wichtigkeit, ohne vorwegnehmen zu wollen, worum es sich handelt. Auch wenn sich schnell eine Vorahnung einstellt, so schafft es die Autorin durch ihre Beschreibung und das Abtauchen in die Gefühlswelt der Protagonisten, den Leser:innen eine besondere Perspektive zu bieten und das Gelesene nicht nur konsumieren, sondern auch reflektieren zu lassen.

Mit "So wie du mich kennst" ist Anika Landsteiner ein herausragender Roman gelungen, der hinter die Fassaden blicken lässt und die Frauen in dem Buch sowohl in ihrer Stärke als auch in ihrer größten Verletzlichkeit zeigt. Ihre Art zu Schreiben hat mich von der ersten Seite an gefesselt, denn ihr gelingt es, die Leser:innen mitten ins Geschehen eintauchen zulassen. Man riecht förmlich den frisch gebackenen Apfelkuchen der Mutter, schmeckt den Coffee to go, der zum hippen New Yorker Lebensgefühl gehört und fühlt gleichzeitig den tiefen Schmerz Karlas, wenn sie über den Verlust ihrer Schwester spricht. Die Charaktere beschreibt sie so authentisch, es könnten fast eigene Bekannte, Freunde oder Verwandte sein.

Das Buch regt zum Nachdenken an, über den Tod und das Leben. Ich konnte es nur schwer aus der Hand legen und hätte es am liebsten am Stück verschlungen. Aber aufgrund der emotional sehr stark aufgeladenen Geschichte bin ich froh, mir ein wenig mehr Zeit dafür genommen zu haben. Es hat sich gelohnt!

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Veröffentlicht am 18.04.2024

Syltsehnsucht mit Hochspannung

Mord unterm Reetdach
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„Mord unterm Reetdach“ von Eric Weissmann ist ein humorvoller und spannender Krimi, der bei mir eindeutig die Syltsehnsucht geweckt hat. Diese gepaart mit einem Kriminalfall hat das Buch zu einem ...

„Mord unterm Reetdach“ von Eric Weissmann ist ein humorvoller und spannender Krimi, der bei mir eindeutig die Syltsehnsucht geweckt hat. Diese gepaart mit einem Kriminalfall hat das Buch zu einem unterhaltsamen Leseerlebnis gemacht. Anders als bei den meisten Krimis ermittelt hier nicht nur die Polizei sondern auch noch der ortsansässige Makler Kristan Dennermann. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Mord an seinem Klienten Hinnerk Petersen aufzuklären, denn kurz nachdem er den Auftrag bekommen hat, sein sehr gefragtes Haus samt Grundstück zu verkaufen, verschwindet dieser und wird wenig später tot aufgefunden. Wer dafür verantwortlich ist und warum sich Kristan überhaupt auf die Suche nach dem Mörder macht, hat verschiedene Gründe, in erster Linie scheinen aber Immobilieninteressen ein Grund zu sein. Sylt ist schließlich ein beliebtes und lukratives Pflaster für Privatleute wie auch Investoren. Kristian verfolgt damit eine Spur, die zunächst einmal ja auch auf der Hand liegt. Allerdings beinhaltet sie viele Verdächtige, was die Sache sehr spannend macht. Letzten Endes kommt es aber anders als erwartet und das gibt dem Krimi noch mal einen ganz neuen Twist. Leider sind dennoch viele Fragen offengeblieben und manche Fährten im Nachhinein nicht weiter verfolgt worden, dadurch erschienen manche Gegebenheiten im Nachhinein als nicht ganz logisch, was dem Krimi von seiner Spannung und Unterhaltsamkeit allerdings nichts nimmt. Dass Eric Weissmann selbst im Maklergeschäft tätig ist bzw. war, macht die Geschichte noch interessanter und seine Erzählungen noch glaubwürdiger. „Mord unterm Reetdach“ ist deshalb definitiv eine Leseempfehlung wert.

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Veröffentlicht am 12.03.2024

Weniger Thriller - mehr Wendungen

Gestehe
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Eins vorweg: Ich mag die Bücher von Henri Faber sehr gerne. „Gestehe“ ist bereits der dritte Thriller des Autors, leider nicht sein bester. Dennoch würde ich ihn weiterempfehlen. Denn schon optisch macht ...

Eins vorweg: Ich mag die Bücher von Henri Faber sehr gerne. „Gestehe“ ist bereits der dritte Thriller des Autors, leider nicht sein bester. Dennoch würde ich ihn weiterempfehlen. Denn schon optisch macht das Buchcover richtig was her und bietet eine Haptik, die für die Bücher von Faber typisch ist. Damit ist „Gestehe“ äußerlich seinen Vorgängern schon mal treu geblieben. Auch wenn ich das Buch nicht als typischen Thriller empfunden habe, hatte es trotzdem viel Spannung zu bieten. Die Geschichte dreht sich um den (etwas) abgehobenen Ermittler Johann Winkler, nur noch Inspektor Jacket genannt. Seit er vor einigen Jahren einen Organhändlerring gesprengt und ein kleines Mädchen vor dem Tod gerettet hat, wird er in Österreich als Held gefeiert. Dort, genauer gesagt in Wien, spielt nämlich die Geschichte, die abwechselnd aus der Perspektive von Jacket, Mo und Er erzählt wird. Mo ist Mohammad Moghaddam und ebenfalls Ermittler wie Jacket bei Leib-Leben. Da er Jacket alles andere als sympathisch findet, missfällt es ihm auch, dass er zufällig mit ihm die Ermittlungen zu seinem ersten Mordfall leiten soll. Gegensätzlicher könnte so ein Duo kaum sein. Jacket, der zumindest nach außen hin absolut von sich selbst überzeugt scheint und seit seiner heroischen Tat, die er auch noch in einem Buch unter dem Titel „Blutnacht“ veröffentlicht hat, eher als Star, denn als Ermittler von sich reden macht, ist das komplette Gegenteil von Mo. Mo hat es aufgrund seiner ausländischen Wurzeln nicht leicht in seinem Job und versucht sich durch seine Genauigkeit und seinen konservativ-spießigen Kleidungsstil als Vorzeige-Österreicher zu geben, was ihm allerdings nicht gelingt.
Faber stellt in seinem Thriller neben den Mordfällen auch gesellschaftskritische Themen in den Vordergrund und macht anhand der Figur von Mo den Alltagsrassismus deutlich, der ihm immer wieder entgegenschlägt.
Bei der Person „Er“ ist lange nicht klar, um wen es sich dabei handelt. Mutmaßlich könnte es sich dabei um den Nachfolgeroman Jackets handeln, denn dieser ist gerade in der Mache. Für mich persönlich hätte es diese Kapitel nicht unbedingt gebraucht, zumindest nicht in der Form. Insgesamt tragen sie dennoch zum Verständnis und Ablauf der Geschichte bei.
Ohne noch mehr vorwegzunehmen sei gesagt, dass „Gestehe“ für die Leser:innen zahlreiche überraschende Wendungen bereithält. Mal mehr, mal weniger nachvollziehbar. Auch die Actionszenen hätte es für meinen Geschmack nicht gebraucht, einfach, weil ich davon kein Fan bin. Aber wer Action mag, kommt in „Gestehe“ auf jeden Fall auf seine Kosten.
Begeistert bin ich von der bereits angesprochenen Gesellschaftskritik, die Faber übt und seinem wortgewandten und humorvollen Schreibstil.
Insgesamt war „Gestehe“ für mich ein Pageturner, den ich nur schwer aus der Hand legen konnte. Besonders das Ende hat mich dann noch mit den teilweise weit hergeholten Wendungen versöhnt, weshalb ich das Buch, wenn auch mit kleinen Abstrichen, weiterempfehlen würde.

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Veröffentlicht am 14.02.2024

Mehr als nur EIN Monster

Monster (Ein Bodenstein-Kirchhoff-Krimi 11)
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Nele Neuhaus liefert mit „Monster“ erneut einen Kriminalroman voller Spannung und unerwarteter Wendungen ab, wie man es von ihr gewohnt ist. Schon das Cover wirkt sehr ansprechend und passt zu den bisherigen ...

Nele Neuhaus liefert mit „Monster“ erneut einen Kriminalroman voller Spannung und unerwarteter Wendungen ab, wie man es von ihr gewohnt ist. Schon das Cover wirkt sehr ansprechend und passt zu den bisherigen Fällen der Reihe. “Monster“ ist der mittlerweile 11. Fall der Bodenstein und Kirchhoff-Reihe. Wer diese schon länger verfolgt, kennt die beiden Charaktere sowie zahlreiche andere Protagonisten aus dem Umfeld der beiden Ermittler inzwischen ziemlich gut, was es leicht und angenehm macht, sich in die Geschichte einzufinden. Diese beginnt diesmal mit dem Mord an der 16-jährigen Larissa, die erdrosselt aufgefunden wird. Doch dies soll nicht der einzige Todesfall in dem Krimi bleiben. Wie diese aber letztenendes zusammenhängen, bleibt äußerst rätselhaft. Im Fall von Larissa gerät zunächst der afghanische Asylbewerber Farwad M. unter Mordverdacht. Dies schürt in der Öffentlichkeit Hass und Hetze gegen die örtliche Flüchtlingsunterkunft. Ein brisantes und durchaus aktuelles Thema, dem sich Neuhaus damit widmet. Womit sie aber feinfühlig und klug umzugehen weiß. Dies wird allerdings nicht das einzig brisante Thema bleiben, das in „Monster“ Berücksichtigung findet, ebenso die deutsche Rechtsprechung und welche Folgen sie hier mit sich bringt. Definitiv unerwartete, aber wie genau das alles mit dem Mord an Larissa zusammenhängt, würde schon fast zu viel verraten. Denn diesmal geizt der Fall um Pia Sander und Kai von Bodenstein absolut nicht mit überraschenden und teils erschütternden Wendungen. Ich finde sie von der Idee her durchaus gelungen, allerdings in ihrer Umsetzung zu dramatisch und überzogen, weshalb ich dafür definitiv einen Stern abziehen muss. Nichtsdestotrotz ist „Monster“ ein spannender und erschütternder Krimi, der sich dank Neuhaus Schreibstil gewohnt angenehm und flüssig lesen lässt.

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Veröffentlicht am 05.02.2024

Keine leichte Kost

Notizen zu einer Hinrichtung
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"Notizen zu einer Hinrichtung" von Danya Kukafka ist ein Roman, der gemischte Gefühle bei mir hervorgerufen hat und sich am Ende wahrlich nicht als leichte Kost herausgestellt hat. Das sollte ...

"Notizen zu einer Hinrichtung" von Danya Kukafka ist ein Roman, der gemischte Gefühle bei mir hervorgerufen hat und sich am Ende wahrlich nicht als leichte Kost herausgestellt hat. Das sollte den Leserinnen und Lesern vor der Lektüre bewusst sein. Dennoch empfehle ich den Roman, da er Einblicke gibt, die so facettenreich, differenziert, aber auch erschütternd sind, dass sie sowohl packend zu lesen sind als auch zum Nachdenken anregen.
Zum Inhalt: Erzählt wird die Geschichte von Ansel Packer, der für seine verübten Morde mit dem Tod bezahlen muss. Die 12 Stunden bis zu seiner Hinrichtung erzählt Kukafka detailliert und mit zahlreichen Rückblenden. Darin erfährt die Leserschaft, was genau zu Packers entsetzlichen Taten geführt hat. Eine Hauptrolle spielen dabei die wichtigsten Frauen in Ansels Leben, die in einzelnen Kapiteln genauer betrachtet und begleitet werden. Wir erfahren viel über ihre Leben und wie sie Ansel kennengelernt und wahrgenommen haben. Damit erschafft die Autorin ein sehr komplexes Bild der Person, das dennoch in seiner Gesamtheit bis zum Ende rätselhaft bleibt.
Ungewöhnlich an dem Buch ist der Schreibstil der Autorin. Denn in den Kapiteln, die von Ansels Zeit bis zur Vollstreckung der Hinrichtung handeln, spricht sie ihn quasi an und beschreibt die Situation, indem sie beispielsweise sagt: "Du schwingst die Beine über die Pritschenkante, hievst dich von der Matratze." Was mich zunächst verwirrt hat, dann aber trotz der Tragik Ansel Packer etwas Menschliches verliehen hat. Dadurch gelingt es Kukafka, eine kritische Auseinandersetzung mit der Sinnhaftigkeit einer Hinrichtung sowohl aus Opfer- als auch aus Täterperspektive herzustellen. Kein leichtes Unterfangen, aber eins, das zum Nachdenken anregt. Ebenfalls betrachtet sie die gesamte Entwicklung der Mordfälle und Berichterstattung darüber mit einem kritischen Auge und macht in ihrem Roman deutlich, welche Absurdität oftmals mit der Faszination für Täter einhergeht. Ein Punkt, der sich auf die Realität in Form von True Crime-Formaten durchaus übertragen lässt.
Insgesamt handelt es sich bei "Notizen zu einer Hinrichtung" um einen Roman, der außergewöhnlich geschrieben, feinfühlig erzählt, aber auch bedrückend zu lesen ist.

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