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Martinchen

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.03.2024

Düsterer Gesellschaftsroman

Lichtjahre im Dunkel
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Friedrich Ani kann schreiben und wie, das beweist er mit diesem Roman aufs Neue. Das Leben der Ahorns ist nicht erstrebenswert. Leo hat das Schreibwarengeschäft seines Vaters geerbt, die Geschäfte laufen ...

Friedrich Ani kann schreiben und wie, das beweist er mit diesem Roman aufs Neue. Das Leben der Ahorns ist nicht erstrebenswert. Leo hat das Schreibwarengeschäft seines Vaters geerbt, die Geschäfte laufen schlecht. Seine Ehe mit Viola auch. Als Leo verschwindet, wartet Viola einige Tage ab, bevor sie Tabor Süden mit der Suche nach ihrem Mann beauftragt.

Bereits von der ersten Seite an wird die ganze Tristesse des Lebens von Viola und Leo deutlich. Nicht nur sie, auch die Stammkunden in der Kneipe Blaues Eck führen Leben, die von Eintönigkeit und auch Hoffnungslosigkeit geprägt ist. Vielleicht fehlt ihnen auch nur die Kraft, etwas zu verändern. Das scheint durchaus möglich zu sein, auch wenn jedes Leben seine eigene Tragik hat. Die Auswirkung dieser Tragik auf das Leben der jeweiligen Person wird detailliert und facettenreich beschrieben.

Der Titel ist treffend gewählt, ebenso wie das Cover, das Menschen beim Überqueren einer Straße zeigen.

Fazit: ein düsterer Roman, der mich noch eine Weile beschäftigen wird.

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Veröffentlicht am 25.03.2024

Dunkle Vorahnung

Leute von früher
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Die Endzwanzigerin Marlene hat endlich ihr Studium abgeschlossen, weiß aber nicht so recht, wie es weitergehen soll. Für die Sommersaison nimmt sie eine Stelle als Verkäuferin in einem Erlebnisdorf auf ...

Die Endzwanzigerin Marlene hat endlich ihr Studium abgeschlossen, weiß aber nicht so recht, wie es weitergehen soll. Für die Sommersaison nimmt sie eine Stelle als Verkäuferin in einem Erlebnisdorf auf der Insel Strand im nordfriesischen Wattenmeer an. Dort lernt sie Janne kennen und verliebt sich in sie. Doch Janne hat ein Geheimnis, das Marlene nicht ergründen kann.

Kristin Höller, Jahrgang 1996, ist in Bonn aufgewachsen und studierte in Dresden Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften. Für ihre Werke wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Sie lebt in Leipzig.

Schon die Beschreibung von Marlenes Ankunft auf der Insel ist fesselnd: obwohl alles gewöhnlich erscheint, ist es doch anders. Wie genau, lässt sich zunächst nicht fassen. Marlene ist eine der Neuen, andere Mitarbeiter des Erlebnisdorfes, das die Welt um 1900 auferstehen lassen will, sind bereits zum wiederholten Male dabei oder sind Bewohner der kleinen Insel. Sehr genau beschreibt Kristin Höller die Verhältnisse. Marlene bekommt ein Zimmer in einem langgestreckten Bau zugewiesen, die sanitären Anlagen befinden sich am Ende der Reihe und werden von allen genutzt. Zum Dorf selbst ist es ein kleines Stück, es darf nur im Kostüm betreten werden. Dabei spielt es keine große Rolle, dass die Kostüme nicht immer authentisch sind und auch die im Dorfladen angebotenen Artikel nicht selbst hergestellt werden. Es ist eine Art Disneyland in Deutschland, die Touristen lieben es.

Von Beginn an liegt eine unerklärliche Atmosphäre über der Insel. Marlene hat den Eindruck, dass die Inselbewohner ein Geheimnis teilen, von dem die Saisonarbeiter ausgeschlossen sind. Eine erste Ahnung bekommt die Leserin, als Marlene etwas auffällt, als sie für einen Tag die Insel verlässt. Diese besondere Atmosphäre fängt Kristin Höller grandios ein, sie schwingt immer mit, ist aber lange Zeit nicht fassbar.

Marlene und Janne nähern sich vorsichtig an, beide sind unsicher, inwieweit sie der jeweils anderen vertrauen können. Die alten Legenden beeinflussen das Leben der Inselbewohner, Janne befürchtet, dass Marlene dazu keinen Zugang hat.

Das sehr schön gestaltete Cover gibt den Inhalt ausgezeichnet wieder.

Fazit: ein atmosphärisch dichter Roman, der grandios „vom Bewahren und Verschwinden“ erzählt

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Veröffentlicht am 15.03.2024

Suche nach Antworten

Wie Inseln im Licht
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Nach dem Tod ihrer Mutter reist Zoey an die französische Atlantikküste, um Antworten auf ihre drängenden Fragen zu finden. Vor zwanzig Jahren ist ihre kleine Schwester Oda verschwunden. Was genau ist passiert?

Sowohl ...

Nach dem Tod ihrer Mutter reist Zoey an die französische Atlantikküste, um Antworten auf ihre drängenden Fragen zu finden. Vor zwanzig Jahren ist ihre kleine Schwester Oda verschwunden. Was genau ist passiert?

Sowohl die Inhaltsangabe als auch das ganz besondere Cover haben mich neugierig gemacht.

Franziska Gänsler beginnt ihren Roman nach Zoeys Ankunft in einem Hotel unweit des Campingplatzes, auf dem die kleine Familie vor zwanzig Jahren in einem Bauwagen gelebt hat. Geschickt verbindet die Autorin Gegenwart und Vergangenheit miteinander. Zoey hat Erinnerungen an diese Zeit, die sie nicht richtig fassen und einordnen kann. Genau darauf bezieht sich der Titel des Romans.

Franziska Gänsler hat einen wunderbaren Schreibstil, der Zoeys Trauer und die Suche nach ihren Wurzeln sehr feinfühlig und emotional beschreibt.

Fazit: ein emotionales, ein atmosphärisch dichtes, ein ganz wunderbarer Roman – unbedingte Leseempfehlung

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Veröffentlicht am 13.03.2024

Gut recherchiert, lebendig geschrieben

Der falsche Vermeer
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Die junge Reporterin Meg van Hettema hat genau die richtigen Qualitäten, die eine gute Reporterin ausmachen: Mut, Hartnäckigkeit, einen unbestechlichen Blick und keine Scheu vor Autoritäten. Mit Reportagen ...

Die junge Reporterin Meg van Hettema hat genau die richtigen Qualitäten, die eine gute Reporterin ausmachen: Mut, Hartnäckigkeit, einen unbestechlichen Blick und keine Scheu vor Autoritäten. Mit Reportagen für eine bekannte Tageszeitung und eine ebenso bekannte Untergrundzeitung hat sie den Beweis dafür angetreten. Nach der Befreitung der Niederlande stößt sie auf den Fall des Malers Jan van Aelst, dem der Verkauf niederländischer Kunst an Nazis vorgeworfen wird. Er hingegen behauptet, diese ausgetrickst zu haben. Was wird Meg herausfinden?

Patrick van Odijk legt mit seinem Debütroman eine fulminante Geschichte vor. Inspiriert von der Geschichte des Meisterfälschers Han van Meegeren, vermischt der Autor Fakten und Fiktion über einen der größten Kunstskandale der Nachkriegszeit.

Der Autor versteht es, seine Charaktere authentisch und lebendig wirken zu lassen. Die junge Meg kann schreiben, sie ist unerschrocken und scheut für eine gute Story keine Gefahr. Aber sie ist auch empathisch und hat ein Gespür für den richtigen Zeitpunkt und die richtige Dosierung der Wahrheit. Natürlich ist sie dem Neid weniger erfolgreicher Kollegen (männlich) ausgesetzt.
Die zweite Hauptfigur Jan van Aelst ist nicht weniger lebendig dargestellt. Nach einem ausschweifenden Leben den Drogen verfallen, lässt er sich nicht unterkriegen und triumphiert über seinen schwachen Körper. Alle anderen sind ebenso gut vorstellbar wie diese beiden.

Patrick van Odijk lässt seine Leser im Unklaren: ist Jan van Aelst ein Nazi-Kollaborateur, ein gewiefter Taktiker, ein verkannter Maler, ein Täuscher oder ein geniales Fälscher? Meg hat ihn bereits zu Besatzungszeiten kennengelernt und will nun unbedingt die Wahrheit über diesen Mann herausfinden. Dies nutzt van Odijk geschickt, um die Lebensumstände 1945 lebendig werden zu lassen. Viele gut recherchierte Fakten über das Zeitungswesen, aber auch über die Herstellung der gefälschten Gemälde sind unterhaltsam in die Geschichte eingewoben.

Für alle, die sich weiter informieren wollen, rundet eine Literaturliste den Roman ab.

Das Cover passt perfekt zum Titel und ist sehr auffällig.

Fazit: ein gut recherchierter, lebendig geschriebener Roman, eine Leseempfehlung

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Veröffentlicht am 13.03.2024

Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte

Der Fluss der Erinnerung
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Kelly Flanagan erzählt in seinem gelungenen Debütroman Elijah Campbells Geschichte. Elijah steht kurz davor, alles zu verlieren, was ihm wichtig ist, seine Familie, seine Karriere und seinen Glauben. Er ...

Kelly Flanagan erzählt in seinem gelungenen Debütroman Elijah Campbells Geschichte. Elijah steht kurz davor, alles zu verlieren, was ihm wichtig ist, seine Familie, seine Karriere und seinen Glauben. Er scheint am Tiefpunkt angekommen zu sein. Als er in einem immer wiederkehrenden Albtraum die Brücke seines Heimatortes als Teil seiner Vergangenheit erkennt, kehrt er dorthin zurück und stellt sich seinen Erlebnissen.

Diesem Roman merkt man die Fachkenntnis des Psychologen Flanagan an. Sein Wissen und seine Erfahrung fließen in die Geschichte ein und machen sie nicht nur lebendig, sondern führt zu Erkenntnissen des eigenen Wachstums. Natürlich ist Elijahs Geschichte nicht auf jeden übertragbar, zwischenmenschliche Beziehungen und ihre Probleme hat jedoch jeder von uns und kann auf diese Weise lernen.

In einem wunderbaren Stil mit vielen Wendungen wird Elijahs Geschichte und seine Probleme deutlich. Gut gefallen haben mir die imaginären Gespräche, die Elijah mit längst verstorbenen Verwandten führt. Dabei stößt er auf einen Satz, dessen Bedeutung ihm erst jetzt aufgeht und er versteht, dass sein Onkel seine eigene Unzulänglichkeit erkannt und benannt hat. Elijah hat Freunde, Freunde, die sein jahrelanges Schweigen hinnehmen, die für ihn da sind und ihm helfen, Einsichten zu gewinnen. Für ihn (und nicht nur für ihn) ist ein sehr wichtiger Aspekt, sich auch mit den eigenen Problemen und Unzulänglichkeiten angenommen zu fühlen, Eingeständnisse machen und Lügen aufdecken zu können, ohne befürchten zu müssen, seine Freunde zu verlieren.
Der Glaube spielt, wie eingangs erwähnt, eine große Rolle.

Das Cover spiegelt den Inhalt wider: es gibt hellere und dunklere Wellen, es geht abwärts und aufwärts. Es ist farblich genau nach meinem Geschmack gestaltet.

Fazit: ein gelungenes Debüt mit viel Stoff zum Nachdenken

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